14.12.

Das Lied des Wirbelsturmmachers aus dem alten Ugarit hört sich gar nicht so schlecht an, wenn man es nur halblaut gestellt im Hintergrund laufen lässt. Angeblich ist es das älteste überlieferte Musikstück der Welt. Entdeckt vom Archäomusikologen Richard Dumbrill aus London. Auf der Informationsseite seines Institutes sieht man ihn an einem Arbeitsstisch sitzen, seine Rechte ist von einem türkisfarbenen Gummihandschuh bekleidet, damit greift er gerade nach einem uralten Manuskript, eventuell handelt es sich dabei um die Niederschrift des zweitältesten Musikstückes der Welt. Dr. Dumbrill trägt ein messingfarbenes Cordjackett.

Wohingegen ich den gestrigen Tag mit vergnüglichstem Bildbeschreiben zugebracht habe. Man merkt’s wie hier im Falle des Musikologen: Ich bin gut drin im Metier, die Arbeit geht mir flott von der Hand. Allerdings habe ich gestern erst die Hälfte meines Pensums geschafft. Nicht weiter tragisch, der Text muss erst morgen früh fertig sein, dann gebe ich exakt zum vereinbarten Zeitpunkt ab (ist mir ja sehr wichtig: Pünktlichkeit). Es geht um Geisterbilder, so würde ich es ins Deutsche übersetzen. Also nicht unbedingt Abbildungen, auf denen Geister zu sehen sind angeblich, sondern Fotos, deren Herkunft und Zweck während des Studiums ihrer Motivik zunehmend schleierhaft zu werden scheint, bis ihr Zustandekommen einem geisterhaft vorkommen will – und man sich im besten Fall abwenden muss. Cursed Images hieß der Account, der ein knappes halbes Jahr lang ein paar Hundert solcher Bilder gepostet hatte. Für eine Literaturzeitschrift beschreibe ich sie nun alle einzeln. Auch für den Fall, dass der Account sich irgendwann löscht (das wäre ja nur konsequent und erst wirklich geisterhaft).

Mit Dumbrills Musikausgrabung im Hintergrund leiernd (er lässt das Lied von Michael Levy* auf dem angeblichen Originalinstrument spielen, einer wuchtig aussehenden handgeschnitzten Harfenabart namens Lyre, die eher einer Apparatur zur Apfelweingewinnung ähnlich sieht), dazu eine Tasse Tee: gemütlich und auch interessant, lustig sehr oft ist der Beruf des Bildbeschreibers am Fließband. Ein Traumberuf, den ich sehr gerne ausüben würde. Vergleichbar mit dem Job, den Joaquin Phoenix hat in Her, wo er die Liebes- und Verzeih‘-mir-Briefe für andere Leute von Hand schreibt und verschickt. Würde ich auch gerne machen. Nicht ganz so gerne wie Bilder beschreiben, aber noch immer gern. Mein Traum wäre es geradezu, dass mir beispielsweise eine Firma mit Sitz im Ausland jeden Montag 1050 Bilddateien auf einen Server lädt, die ich bis zum nächsten Montag beschrieben haben sollte. Das ist zu schaffen, ich habe gestern etwas über 160 Stück beschrieben. Pro Bild, sagen wir: 5 Euro? 4,50? Wahrscheinlich würde es bei unbefristetem Vertragsverhältnis eher auf 45 Cent pro Stück hinauslaufen. Auch nicht schlecht! Ich wäre dabei.

*Wie eine Art Malbuch für Novizen der Bildbeschreibung: ancientlyre.com