14.6.

»Als hätte die Natur vorübergehend auf industrielle Produktion umgestellt«, begegnete ich gestern auf der Brücke zwei Männern, die waren irgendwie gekleidet, das war, sozusagen: zweitrangig, denn von Weitem schon hatte ich sie als eineiige Zwillinge erkannt.

Sie aber sprachen mich an – aufgrund meiner Schuhe ausgerechnet. Der eine von ihnen deutete darauf, der andere sprach es aus: dass sie einst, in den sechziger Jahren, »solchfarbene Schuhe in diesem leuchtenden Blau« selbst hergestellt hatten. Wie es sich dabei herausstellte, waren die Zwillingsbrüder einst Filmausstatter von Beruf gewesen.

Über die Brücke, auf der wir uns gegenüber standen, verläuft eine Schnellstraße, die stark befahren ist und dementsprechend wird Lärm produziert, aber das schien eher mich als die Brüder zu irritieren, denn sie erzählten mir nun ihr beinahe schon ganzes Leben. Sie waren 76 Jahre alt (also: nicht zusammengenommen, sondern jeder für sich). Das dauerte in etwa eine Dreiviertelstunde.

»Die Ohren haben keine Lider«, hatte Hanif Koureshi am Morgen in der Zeitung geschrieben. So I took it from there.

76 Jahre nicht nur gemeinsam, sondern zusammen verbracht zu haben: Rudi Carell war ein Kleptomane (den Satz in der Mitte teilen und der andere spricht ihn im selben Duktus zu Ende ohne Absprache, ohne dass der Anfangende sauer würde, dass der ihn Beendende die Pointe kassiert). Eigentlich waren sie gelernte Ofensetzer, waren dann in den fünfziger Jahren ins florierende Filmgeschäft eher hineingeraten als tatsächlich gewechselt. Die Kulissen des Schlosses am Wörthersee gingen genauso auf sie, wie später dann die legendäre Sperma-Melkmaschine in »Stoßtrupp Venus - 5 Mädchen blasen zum Angriff«. Siebziger Jahre dann: Hammer Films (Streckbank/Keuschheitsgürtel). Dann noch Mike Krüger und Thomas Gottschalk.

Danach kamen die Weltreisen und jeweils harte Tumore, die immer zuerst der eine von ihnen bekam, dann, kurz nach der jeweiligen Behandlung, auch und genau so der andere. Freundinnen hatten sie auch. Immer mal wieder. Aber das hielt nie besonders lange, denn im Grunde hatte jeder von ihnen ja bereits einen festen Partner. Und das fürs Leben. Ohne ihn ausgesucht zu haben, aber dennoch. Und auch gestern waren sie nicht nur gedanklich zusammen unterwegs.

Ich hatte sie anfangs nach ihrem Namen gefragt, aber sie hatten, in zwei geteilt, darauf geantwortet, dass der nichts zur Sache tue.