15.12.

Gestern dann mit diesem tiefen Gefühl der Befriedigung eingeschlafen, etwas Großes vollbracht zu haben. Zu groß halt, leider, wie sich heute früh dann herausstellen sollte. Und ich hatte, wie beinahe immer, noch nicht einmal etwas geahnt. Sehr gerne würde er diesen herrlichen Text in seiner Literaturzeitschrift drucken, schrieb der Herausgeber mir in seiner E-Mail, verfasst eindeutig bei Lampenschein, den sie ward‘ versandt an mich kurz nach 3 Uhr in der Früh. Während ich noch im Pilzgarten umherging, deren klingelndes Läuten in mein geflochtenes Körbchen zu ernten, denn so ging mein Traum.

Aber leider, so geht der Brief an mich weiter, ist der Text mit seinen 70 Druckseiten zu lang. Wo ihm als Herausgeber doch gerade mal 90 Druckseiten zur Verfügung stehen.

Ich verstehe sein Problem nicht. Vorbei die Zeit, da Alfred Andersch in seiner Zeitschrift Texte und Zeichen blahblahblah. Beziehungsweise: Es ist ja nicht allein seines. »Zu lang« ist seit einiger Zeit bereits zu einem Argument geworden in der literarischen Welt. Man würde so gerne, findet es persönlich auch gut, aber es ist halt zu lang. In meinem Schreibleben hatte ich dieses Argument, das für mich nie eines war, bis dahin nur von einer einzigen Person gehört: Franz-Josef Wagner, von dem ich ansonsten sehr viel gelernt habe, sagte zu mir, da war ich vielleicht 27 Jahre alt: Du musst Deine Sätze kürzer machen.

Ich denke nicht gerade sehr oft, aber doch immer wieder mal und das stets sehr gerne an diesen Satz des Meisters. Und klar, ich kann auch ganz gut meine eigenen Texte kürzen. Auch schnell. Sogar von 70 Druckseiten auf 10, wie es mir nun vorgeschlagen wird. Mein Text ist nämlich um einiges zu lang geraten. Wobei: Geraten ist da gar nichts. Ich wusste ja von vorneherein, dass 359 Bildbeschreibungen nicht auf eine Seite passen würden. Hätte ich vorher um Erlaubnis bitten müssen? Schlimm ist ja auch, seit es zu lange Texte gibt, die zum Standard gewordene Redaktionsansage: »Können Sie das auf ein Drittel eindampfen, den ganzen Text bringen wir dann online« – das Internet als Textmüllkippe. Oder eben Textreservat, ganz wie man es betrachten will. Ein Vorgänger Franz-Josef Wagners hatte einst bei der Schöpfung einer neuen Frauenzeitschrift aus dem Hause Axel Springer verkündet, damit würde »aus der Mülltonne eine Schatztruhe« gemacht. Klingt doch gleich viel besser. Nett geradezu. Das Internet eine Frauenzeitschrift, klingt ebenfalls nett. Aber halt auch ein bisschen böse. Und böse will ich auf gar keinen Fall mehr sein. Sonst ist es aus mit Träumen, in denen Pilze mir ihr Glockengeläut zur Ernte anbieten, und ich muss träumen, was auf den Bildern von Cursed Images zu sehen war. Und das dann ewiglich!

Tagebucheintrag auch schon wieder viel zu lang. Sollte meine Sätze noch viel kürzer machen. Oder halt noch länger. Dann aber bloß 1.