15.3.

Gestern Abend, als Ergebnis einer zwar kurzen, dafür heftig ausgetragenen Debatte zum Thema Nature versus Nurture, dachten wir uns, die Muse und ich, gemeinsam die folgende Geschichte aus:

Ein kleiner Junge sieht, seit er sich erinnern kann, wie sein Vater seiner Mutter abends vor dem Schlafengehen ein Glas Wasser an ihre Seite des Bettes stellt. Eines Abends fragt er seinen Vater, ob der ihm auch ein Glas Wasser ans Bett stellen würde, da erklärt ihm der Vater: nein. Schließlich sei er ein Junge, später dann würde er selbst ein Mann sein, und einst würde er seiner Frau ein Glas Wasser ans Bett stellen.
Der Junge fragt noch ein, zwei Mal, dann lässt er es für immer sein.

Jahre später lernt eine junge Frau diesen jungen Mann kennen. Sie unterhalten sich, es herrscht eine Anziehungskraft, die beide unerklärlich finden und ein bisschen beunruhigend auch, aber sie beschließen jeder für sich, ihr nachzugeben. Als sie das nach vielen Gesprächen und Telefonaten und Spaziergängen vor einander aussprechen, das mit der Anziehungskraft, küssen sie sich das erste Mal.
Später irgendwann sind sie in einer Wohnung, vielleicht auch in einem Hotelzimmer, er liegt auf dem Bett und wartet auf sie, die noch im Badezimmer ist und sich wäscht. Als sie herauskommt, hält sie ein Glas Wasser in der Hand, das sie neben ihn stellt. Dann legt sie sich auf die andere Seite und küsst ihn. Er weint.

Sie fragt ihn, warum, und er sagt ihr, wie es ist: dass er sich das immer gewünscht habe; was der Vater gesagt habe; und nun sie -
Sie schaut ihn an, dann sagt sie, dass es für sie nichts besonderes bedeute, ihm vor dem Schlafengehen noch ein Glas Wasser hinzustellen. Sie wolle ja bloß nicht, dass er nachts extra aufstehen müsse, falls er wach würde und durstig sei.

Er schaut sie an und kann sein Glück nicht fassen. Und beide wissen nun, dass sie füreinander geschaffen sind.