16.5.

Den gesamten Tag im Bett verbracht und den Roman vom Miranda July zu Ende gelesen. Der lag hier jetzt wochenlang herum, in der Wohnung zuvor auch schon, wenn ich mich richtig erinnere. Beim ersten Versuch war ich bloß bis zur Seite 70 gekommen. Im zweiten Anlauf wird es ab Seite 80 richtig gut, überraschend, und ich frage mich, ob sie den Mann im Jasmin von Unica Zürn gelesen haben könnte.

Dem deutschen Lektor scheint es wiederum genau andersherum gegangen zu sein, denn ab Seite 80 häufen sich die unkorrigierten Tippfehler und noch ein paar Seiten später bleiben auch verstärkt die Redundanzen stehen, was teilweise sogar zu ungemeinten Subjekt-Objekt-Beziehungen führt. Ärgerlich in diesem Fall, zumindest würde es mich extrem ärgern, wenn ich Miranda July wäre, denn sie erzählt ja nun ab Seite 80 eine Geschichte teils imaginärer Beziehungen; in einer nähert die Protagonistin sich in ihrer Einbildung als ein Mann aus ihrer persönlichen Vorstellungswelt einer in ihrer persönlichen Umwelt tatsächlich existenten Frau. Wahn und Wirklichkeit mit defekter Sprache beschrieben: problematischer als geplant. Ich sah den Lektor förmlich vor mir, wie er, genervt von seinem Desinteresse, vielleicht auch von seinem Gefühl des sich Ausgeschlossenfühlens, durch die Datei des teuer eingekauften Erfolgstitels aus den USA scrollt, bis endlich wieder eine Passage käme, die er verstehen würde. Ab Seite 180 etwa war es so weit. Da findet die Protagonistin zu einer Katharsis und es folgen Beschreibungen von Schwangerschaft und Geburt und Säuglingspflege und einem Zusammenleben unter Frauen, das aus einem Zusammenwohnen sich entwickelt hat. Frei von Wahn und Imagination. In bester Tradition der Literatur junger Frauen, die Unica Zürn noch nicht gelesen haben. Das Büroschläfchen scheint beendet. Bis zum Ende des Textes auf Seite 332 (erste Auflage) läuft es jetzt wieder fehlerfrei. Leider fand ich das Buch ab Seite 180 rasch zunehmend öde. Aber von 80 bis 180 eben: extrem gut! Einmal beschreibt sie die veränderte Stimme einer Gesprächspartnerin »wie eine Maus auf einem Pferd«.

Vor dem Einschlafen sah ich an der Decke ein graues Quadrat, darin die Schatten der Zweige vor dem Fenster. Zwei Hummer gingen mit gereckten Scheren gegeneinander vor. Sturmgeräusche, viel geträumt.