16.6.2020

Der Inhaber eines galvanischen Betriebes hier um die Ecke ist ein Natural, wie man im frühen Hollywood gesagt hätte, ein Sprechliterat. Neulich noch erzählte er mir im Zuge der Warenannahme, dass er mithilfe seiner Kenntnisse in Elektrochemie die Grüne Sauce neu erfunden hat (es gibt Beweise, er hat auf einem Wettbewerb tatsächlich die Jury für seine Zubereitung einnehmen können). Gestern hat er mir am Rande meiner Abholung erzählt, dass er sich schon im Januar mit Covid-19 infiziert hatte (beim Erzählen, natürlich; ein Kunde war gerade aus Wuhan, natürlich, zurückgekehrt und hielt sich eine Stunde lang in seinem Büro auf), und dass er schon einen Roman geschrieben hat, dessen Handlung, die sich auf Gran Canaria abspielen sollte, ihm im Schlaf eingegeben wurde. Seit George-Spencer Brown nicht mehr unter uns weilt, dürfte der Galvaniker also der letzte sein, den ich kannte, dem die Inspiration zuteil wurde.

In der Warhol-Biografie erwähnt Gopnik am Rande ein Gerät, das mir unbekannt war. Offenbar eine französische Erfindung einer Musikbox, die zu den Singles passende Filme zeigen konnte (mithilfe von Rückprojektion). Die sogenannte Scopitone kam von Paris über England auch ins New York der fünfziger Jahre. Mich wundert, dass Roland Barthes sie nicht erwähnenswert fand.
A propos: Elizabeth Peyton dürfte meines Wissens nach die erste Künstlerin sein, die eine funktionierende Form für eine Ausstellung online gefunden hat. Was Museen und Galerien bislang zeigen belässt es bei der Imitation eines Besuches im Raum. Bei Peyton gibt es auch keine Erklärtexte, ich muß mir auch keine überflüssigen Gedanken über die Einrichtung der Ausstellungsräume oder der Position der Kamera darin machen. Man wird lediglich aufgefordert, das Gerät in den sogenannten Landscape-Modus zu drehen, schon geht die Kunst los. Vor Jahrzehnten, auch vor dem Internet hat mir eine Rubrik in der Inselzeitung von Sri Lanka, dem «Islander» immer so gut gefallen: Über den Seiten mit Annoncen des Kleingewerbes stand dort «Let your fingers do the walking». Genau so funktioniert es jetzt bei Peyton. Die Seite versteckt sich unter der Adresse Petitcrieu.com