1.7.

»Kosmischer Staub lässt die Sterne erröten.«

Am Vorabend hatte mir Joachim Lottmann mitteilen müssen, dass er aufrgund der Pleite der Fluggesellschaft Air Berlin nun doch nicht und entgegen seiner Ankündigung nach Berlin kommen kann. Daraufhin schlief ich dann gut, wachte aber auf in dem Pflichtbewusstsein, teils auch aus Neugierde, wie denn dieser europäische Staatsakt zum Tode Helmut Kohls geprägt würde. Eine Feier des dyadischen Denkens: Bill Clinton zum Beispiel, im Gesichte bedenklich gerötet, wünschte dem Toten ein »sleep well«.

Das Christsoziale zeigte sich, möglicherweise zum letzten Mal auf eine bizarre Weise (man fuhr den Leichnam nach Straßburg, flog ihn nach Ludwigshafen, schiffte ihn nach Speyer), an Bizarrität nur noch übertroffen von der Witwe des Altbundeskanzlers selbst, hier noch eventuell gleichgezogen habend mit Ulla Berkéwicz. Und ich lag im Bett, sah das auf Phoenix Live und es wurde mir deutlich gemacht: das mit der BRD ist nun endlich vorbei.

Antonio Tajani beginnt seine Ansprache zum europäischen Staatsakt für Helmut Kohl mit dem wunderschönen Wort Oggi. Das ja so viel schöner ist als unser »Heute«. (Silvio Berlusconi schlief kurz darauf ein.) Am Himmel war schon wieder diese Situation zu sehen, ich musste noch einkaufen, und in den See springen wollte ich auch. Da kreuzte ein Segelboot mit gewittrig farbenen Segeln. Und ein anderes, mit zwei roten Blockstreifen, fuhr schnittig vorbei.

In der Pause zwischen Krypta und Kondukt war ich im Supermarkt Schlachtensee einkaufen, währenddessen fing es zu regnen an. Der Himmel weinte Rotz und Wasser um den Vater Europas im Sarg. Die Offiziere in den gemischtfarbigen Uniformen, so machte es den Eindruck, hatten Mühe, ihn auf das ihm zugedachte Podest zu hieven – comme d’habitude.

Am Schlachtensee, wo man selbst in der Filiale von Butter Lindner die Feierlichkeiten auf Phoenix verfolgte, kaufte ich im Andenken an Helmut Kohl ein Bauernbrot, ein halbes Pfund Mondseer Käse und eine Scheibe Kaisersülze, wie sie Helmut Kohl selbst dort (in der Filiale Am Roseneck allerdings) stets für sich eingekauft hatte. Dann fing es wieder zu regnen an, ich schaute den Trauerzug auf Phoenix Mobile, und ein Ludwigshafener im himbeerfarbenen Langarmunterhemd ohne Jackett beklagte sich, dass der Konvoi viel zu schnell an den Ludwigshafenern vorbeigefahren worden war. Wider der Ankündigung.

Und draußen, die Fenster standen beide offen: grau und leer der See. Ewig rauschen die Wälder. Krähen singen. Das Leben (als Drohung für die Lebenden): it will go on.