18.12.2020

Am dritten Tag in Folge zeigt das Telefon eine Nebelwarnung. Das Symbol dafür besteht aus vier parallel übereinander angeordneten Linien, die in sich leicht gewellt erscheinen (Unknown Pleasures). Ich mag den Anblick des Symbols auf meinem Bildschirmchen lieber als den tatsächlichen Nebel draußen vor der Tür. Obwohl, gestern waren dort die oberen Stockwerke der höchsten Häuser vom Nebel verborgen, sie ragten bis in die undurchsichtige Schicht. Der Übergang dorthinein, das lässt sich an den Fassaden studieren, währt nur wenige Meter. Die Fenster darunter zeigen noch alles, die darübergelegenen nichts mehr.
Ich frage mich, ob man noch alles so machen würde, wie man es macht, wenn man andauernd dabei gefilmt würde. Beziehungsweise frage ich mich, ob es jetzt vielleicht einige gibt, die es stört, dass sie nicht mehr gesehen werden, beobachtet — auch nicht im Vorübergehen — von anderen, während sie genau das selbe tun, das sie schon immer getan haben; ob die Arbeit von ihnen jetzt als belastend empfunden wird, weil sie, die Arbeit selbst jetzt in den Mittelpunkt gerückt wurde und nicht mehr die Darstellung des Arbeitens, weil dabei niemand mehr zuschauen kann.
Gestern war ich Reis kaufen. Ich kaufe Reis nicht im Supermarkt, weil ich davon überzeugt bin, dass ich das exotische Getreide bei einem Fachhändler kaufen sollte, der sich damit auskennt. Obwohl ich schon sehr lange Reis zubereite, esse und auch serviere, bin ich mit dieser Strategie für Reisbeschaffung stets gut gefahren. In Frankfurt kaufe ich Reis bei einem Inder. In Indien wird viel Reis gegessen, auf die Auswahl eines Inders ist meiner Ansicht nach Verlass. Nicht unbedingt im Gegenteil, aber schon anders als bei Asiaten aus Korea oder China, in deren Küche der Reis eine nachgeordnete Rolle spielt. Reis wird hier häufig als Sättigungsbeilage aufgetragen, ja es gilt geradezu als unfein, sich zuviel vom Reis aufzuhäufen (vergleichbar hier bei uns Adorno mit seinem Fimmel, auf jedem Teller ein Restle liegenzulassen «die Neige nicht zu trinken, um sich nicht der Armut verdächtig zu machen»). Unter Indern hingegen, gleichwie gestellt, wird Reis an sich als Delikatesse gerühmt. Da zeigt sich der persische Einfluss. Auf dem Weg zu dem indischen Supermarkt komme ich auch an einem persischen vorbei, der sicherlich auch eine vertrauenswürdige Reis-Range zu bieten hat, aber vor seiner Eingangstür lungern die dubiosesten Gestalten aus Afrika herum, lauter Männer, alles Dealmaker, die auf ein Geschäftle hoffen. Von daher bleibt es leider bei meiner trockenen Sympathie. Drogensüchtige und -dealer kennen übrigens, das fiel mir gestern ein, keinerlei Weihnachten. Selbst die Getauften unter ihnen nicht. Und gerade in Afrika wird ja auch heute noch viel und breit getauft. Aber für sie bleibt jeder Tag gleich. Er wird bestimmt vom Kreislauf des Drogenhandels, der wiederum von der Droge selbst angetrieben wird: wie rasch sie sich abbauen lässt in den Systemen. Wie häufig einer nachlegen muss, um nicht durchzudrehen.

Der Reis, den ich neulich für uns endeckt habe, hat extra lange Körner. Das wurde zwar auf der Packung schon so angekündigt, aber sie war halt auch undurchsichtig, aus einem metallisch grünen Material. Daheim aber: Tatsächlich. Beinahe so lang wie die Hälfte meines kleinen Fingers. Duftend und weiß.