19.3.2019

Beim späten Kippenberger gibt es diesen Satz, wo er es schon länger als eine halbe Stunde fertig gebracht hatte, nicht zu rauchen, um dann aber zu notieren »nach 43 Minuten endlich die HB.« Vergleichbar hinsichtlich Wohligkeit war unser Genuß, als uns kurz vor der Abreise noch zum Mittagessen die Stuttgarter Roten vom Grill serviert wurden. Bloß hatten wir diese Köstlichkeit schon seit der Vorweihnachtszeit im vergangenen Jahr, also viele Millionen Minuten lang entbehren müssen. Seit langem kennen Friederike und ich ein Spiel um die Frage »Welche Speise wähltest Du, wenn Du sie bis zum Lebensende ausschließlich essen dürftest.« Anfänglich antwortete ich »Butterbrote« und Friederike ebenso—glaube ich erinnern zu können, aber es kann auch sein, dass sie »Corn Flakes« gesagt hatte, oder ich war das, und sie nannte die Butterbrote; jedenfalls wußte sie jetzt, dass es bei mir Rote sind, die ich morgens, mittags und abends vertilgen möchte. Davor hatten wir einen langen Spaziergang gemacht über die Wiesen bis zu den Wellingtonien hin, die dort schon seit 1865 wachsen. Der Baumbeschnitt war schon erfolgt gewesen, und wir konnten viele grüne Zapfen einsammeln. In der Luft lag schon der Frühling. Man will sich nicht mehr beeilen. Darin macht es sich bemerkbar, auch wenn es noch nicht optimal ist, von der Wärme her. Eine Feldlerche hatte sich aufgeschwungen und sang hoch über unseren Köpfen. Mit einem Koffer, halb voll mit Brezeln, fuhren wir im Zug nach Frankfurt zurück.

Abends waren wir in den Salon von Frau Crüwell eingeladen. Die verstand meinen Namen erst wie Jobim, nach der Lesung nannte sie mich kurzfristig Jakob, stellte mir ihre Schwester Dorothee vor und rief, nachdem wir von unser Reise berichtet: »Sie sind Schwabe! Ich doch auch. Ja, und warum stehen wir dann hier und reden hochdeutsch?« Am Morgen hatte ich für Friederike ein Gedicht in unserer Mundart verfasst, das trug ich den Crüwellschwestern vor. Zu großem Wohlgefallen. Rest des Abends dementsprechend. Man versammelte sich in der Küche, wobei schon bald diverse Mobiltelephone zu klingeln anfingen, weil bei den anwesenden Satiregranden sogenannte O-Töne eingeholt werden sollten von einem Redakteur bei Focus Online, was denen denn zur Bekanntgabe der Scheidung von Thea und Thomas (Gottschalk) einfiele. Klar, es war das Rilke-Blatt, das in der Mühle von Malibu verbrannt. Fleischbällchen wurden serviert.

Am nächsten Morgen drangen um kurz nach fünf schon die Sonnenstrahlen durchs Fenster. Und über dem Fabrikdach ragte eine undurchdringlich weiße Säule aus Dampf ins endlose Blau. Ein Verkehrsflugzeug flog in einer waagerechten Linie darauf zu und wurde einen Augenblick lang vollends von ihr verdeckt.