20.10.

Gegen 14 Uhr hatte sich der Nebel so weit aufgelöst, dass der in Gold gesprenkelte Rasen zwischen schwarz glänzenden Stämmen wie vorgeführt wirkte, wie ein Bühnenbild. Urplötzlich zeigte sich der Himmel blau, hinter den Bäumen, die das gegenüberliegende Ufer säumen, ergab sich ein breiter Streifen wie aus Glas, hinter dessen Scheibe es türkis zu leuchten schien; darüber breite, wie wütend oder, nein: wild entschlossene Pinselstriche in violett und helleren Nuancen.

Das selbstgestrickte orangerote und goldgelbe Rechteck, gezeichnet von Michaela Meliàn, das den Schutzumschlag von Selbst bestimmt (auf weißem Grund): Das Buch lag im Schein der zwar hellen, aber leider nicht warmen Sonne dieser Tage auf dem Gartenstuhl, dessen weiße Lackschicht an vielen Stellen abgeblättert war, darunter war das grünlich-dunkle, wie vom Moos durchzogene Holz der Brettchen zu sehen. Ein gelb gefärbtes Blatt eines Ahorns mit verrenkten Spitzen landete neben dem Buch mit seinem Bild, das dem Ahornblatt nun ähnlich sah. Das Blatt hatte ganz viele rote Punkte wie eine besonders reife Frucht.

Seltsam, dass es in so vielen Rezensionen von Selbst geheißen hatte, das Bemerkenswerte an den darin auftretenden Frauen- und Männergestalten sei, dass die sich so steril und frigide gebärdeten (und das wurde pikiert angemerkt). Dabei, und ich hab nichts am Auge, geht es um nichts anderes in dem Buch (als um Schüchternheit). Der Text auf dem Schutzumschlag hinten – ein Käufer, der die Rezensionen gelesen hat, müsste annehmen, dort stünde halt eine Marketingsphantasie – stimmt ganz genau: »Selbst ist ein Liebesroman«.