2.11.2019

Müsste mich eventuell ganz zurücknehmen; zumindest doch teilweise: denn am zweiten Tag gefällt mir die Zeitung nun doch «wieder gar nicht so schlecht». Was ich umarmen will ist doch Kontinuität!

So auch meine Liebe zum Schlaf. Als ich heute früh hinab zur Tankstelle schritt, um dort diese Zeitung mit ihrer Sonderbeilage anlässlich des 70. Geburtstages der Unternehmung zu kaufen, fiel mir dort, am Sockel des Treppengelaufs (schreibt man das so?) die dorthinein, nämlich, zwischen die das Treppengeländer stützenden Sprossen gesteckte Süddeutsche Zeitung auf.

Ich lese die ja seit langem nicht mehr. Aber nicht, weil sie mir zu liberal scheint — liberal bin ich selber. Nein, es ist der Ton und demzufolge ist es halt auch das Klientel, das diese einst interessanteste (vom Feuilleton her) Zeitung lange schon für mich unmöglich gemacht hat. Die Redaktion der Frankfurter, so steht es geschrieben, versteht sich als Verfasser des dicksten Geschichtsbuches; die Münchner wiederum — einst in der Stadtmitte, heute draussen beim Flughafen, kümmern sich vor allem um sich. Deren Klientel sind ja die späten Eltern. Und denen, es gibt in meinem Haus davon nur ein Paar: Geht dann wohl diese Zeitung zu. Ich habe den Haushaltsvorstand gegoogelt: Er arbeitet in einer Behörde. Die Frau kenne ich persönlich. Sie haben jetzt, ich hatte ja geschrieben, dass mein Haus hellhörig ist: ein Ritual entwickelt, leider, bei dem die wahrscheinlich vierjährige Tochter die Mutter um sieben Uhr morgens unter grossem Geschrei und Gestöhne aus der Wohnungstüre drängen muss, damit die Kleine nicht auf die Idee kommt, dass «Die Mutti» wohl freiwillig geht. Der Vater unterstützt dieses Ritual damit, indem er, an jedem verfluchten Morgen bis auf den Sonntag, denn da wird natürlich ausgeschlafen: Grunzt wie ein Möbelpacker, wenn er dabei hilft, die Mutti aus der Wohnung zu schieben. Somit lernt also das Kind, dass die Mutter sich nicht gerne von ihm, von der Familie auch, das Kind einbegriffen, trennt. Zu diesem Erziehungsstil gehört meiner Erfahrung nach auch, dass man vor dem Kinde stets so tut, als habe man die eigene Wohnung gerade erst, beim Aufschliessen, als eine Art von Schatzhöhle entdeckt. Gleich, was das Kind davon hält — eventuell ist es vor allem für die Erwachsenen schön.

Leserphysiologien: Also vertiefte ich mich nicht weiterhin in die Frage nach einer Zusatz-Lektüre, sondern begann in der Zusatzlektüre meiner Zeitung zu — ja: schmökern. Bannas über Adenauer. Kohler über Sinn und Zweck. Lukas Weber über die Scharfhaltung des Stiles.

Gestern rief Oskar an, ist wohl auf Mallorca. Sein Cutter hat ihn rausgeschmissen (aus dem Schneideraum; will ohne Reingequatsche weitermachen). Künstlerische Fantasien! Am Donnerstag gibt es eine Vorschau. Mal schauen!

Was die die wohl dächten, wenn ich sie jeden Morgen mit «Kaileigh» weckte? Sicher ist das süss. Aber zugleich an Jedem guten Morgen?