21.4.

Am Nachmittag trafen die Handtaschen ein in einem Karton, in dem man auch einen Kühlschrank mit drei Gefrierschubladen hätte verschicken können, ein leis‘ sprechender und bedächtig formulierender Slowake in der braunen Uniform des United Parcel Service (UPS) hielt mir den elektronischen Quittungsblock hin, aber als ich unterschreiben wollte, rupfte ich, weil ich gedanklich schon einen nur sogenannten Schritt weiter, nämlich beim Auspacken der Handtaschen war, heftig an dem mit einem zu kurz bemessenen Spiralkäbelchen mit dem Gerät verbundenen elektronischen Stift, sodass der mir aus dem Griff flog und an seinem Spiralkabel pendelnd auf- und ab hüpfend zwischen uns hing. Der Bote, vermutlich halt doch ein Bulgare, sagte: »Oh«.

Es gibt da kein Zeremoniell. Aber: Jeff Koons, der Meister. Es steht einfach fest. Drei Handtaschen hat er für Louis Vuitton geschaffen, so standen sie vor mir: Wie Jeff Koons sie gedacht hatte, waren sie gemacht worden. Mithin als schönster Beweis, dass Abbildungen nur einen schwachen Eindruck vermitteln können, lediglich Gedächtnisstützen sind. Wobei ich selbst beispielsweise, als ich diese Handtaschen auf Abbildungen sah, zunächst insgeheim dachte, es könnte sie unmöglich in Wirklichkeit geben. Geben dürfen! Aber gut, es sind nun halt solche Zeiten, in denen nichts mehr als gesichert gilt. Abends nach dem Unboxing sah ich einen Bericht über die Weinbauern in Rheingau und Pfalz, die zwischen ihren Reben kleine Eimer mit Brennpaste aufstellen, um die Stöcke über Nacht zu wärmen bei den unüblichen Minustemperaturen. Was übrigens, wenn es nicht so dramatisch um die vom Ausfall bedrohte Weinernte stünde, sehr hübsch aussieht, wenn einen nächtlichen Weinberg hinauf diese Gassen aus bläulichen Flämmchen reichen (oder hinunter, ganz wie man es betrachten will, aber die Kamera schaute in diesem Bericht zum Gipfel hinauf); andernorts, da ging es um Äpfel, ließen die Obstbauern zwei Hubschrauber über ihrer Plantage kreisen, damit die Rotoren die warme Luft aus den höheren Schichten zu den Pflanzen am Boden wirbelten. Ein Maschineneinsatz, der sich als vergeblich erwies, leider. Im Verlauf der betreffenden Nacht wurde es einfach zu kalt. Braunfleckigkeit an den Fruchtknoten der Apfelblüten: 90 Prozent Ernteausfall.

Und was macht Jeff Koons? Er lässt das Leder der Handtasche mit der Mona Lisa bedrucken (die Martin Mosebach jetzt korrekt mit La Gioconda bezeichnen würd‘, aber Martin Mosebach hat, wie ich in der Zeitung las, noch nicht einmal ein Handy, auch lehnt er die Häresie sozialer Netzwerke ab und wird es von daher auch nie erfahren, dass ich gar nicht weiß, wie man Mona Lisa richtig schreibt), also Vollgas Pop, und dazu kleben (eventuell sind sie genietet) goldene Buchstaben drauf, die zusammengenommen bedeuten: DA VINCI. Dazu kommt noch ein Layer ultraplastischer Metallic-Aufdrucke, die das legendäre Logo von Louis Vuitton – in China bekannter als das Hakenkreuz – zeugen und wenn man genau hinschaut, was ich freilich getan habe, denn ich konnte es ja kaum fassen, was dort aus dem Großkarton gehoben ward, entdeckt man auch noch als Dreingabe die erste Umschrift in der Geschichte des Hauses: Jeff Koons hat nämlich auf dieser Handtasche von Louis Vuitton auch noch deren Logo appropriiert und mit seinen Initialen überschrieben. Aus LV wurde JK. Kann gut sein, dass all dies in China und Nigeria, für diese Absatzmärkte scheint die Neverfull Da Vinci konzipiert, noch einmal ganz anders gelesen wird. Kann aber auch genau so gut nicht sein. Man kennt ja kaum noch Chinesen und noch weniger Nigerianer, mit denen man sich über Jeff Koons oder Handtaschen austauscht, wie es so schön heißt.

Der Kirschbaum hat die kälteste Nacht gut überstanden. Die Forsythien blühen 1a und auch in den tieferen Schichten, wo abwechselnd Walderdbeeren und Waldmeister (a hell of a combination) knospen, sieht es vielversprechend aus.