2.2.

Freilich stellt sich die Frage, woher ich denn so präzise zu wissen scheine, weshalb denn nun ausgerechnet die Muse die Richtige für mich sein wird und ist. Woher, vor allem, wenn, wie Anne so konkret zu bemängeln wusste, ich diese mich endlos inspirierende Muse noch kein einziges Mal zu Gesicht bekommen habe.

Aber braucht es denn für die Inspiration wirklich ein Angesicht zu Angesicht?

Rhetorische Frage. Viel eher: Welche Inspiration suchst du beziehungsweise: Welcher Art erträgst du sie überhaupt.
 Nun geht es also um Spiritualität, und, wie Gottfried Benn sagte: »Vorsicht, Sie betreten vulkanisches Gebiet.«

Anders gefragt: Worin läge denn eine Versicherung, verkörpert im Antlitz der Muse für mich?

Ich kann nicht mehr an Gott glauben und die Muse ist auch nicht wie Rosaline für mich, die der Pastor bei Shakespeare verdammte als einen Abgott.

Aber ich weiß leider auch nicht mehr, Jörg Splett vielleicht?, also wer es war, konkret: wer mir erklärt hat, wie das alles losging, mit Gott und den Menschen, und weshalb Gott dann auf einmal durchsichtig sein musste. Warum es kein Bild mehr von ihm geben durfte, weshalb Das Gewicht seiner Worte (Four Tet) das einzige sein würde, woran wir ihn ermessen durften. Jedenfalls ging die Erzählung ungefähr so, dass die frühen Anhänger seiner Majestät sich zunächst Büsten und Ganzkörperdarstellungen aus Lehm (braunes Fimo gab’s ja nachweislicherweise noch nicht) geknetet hatten, hart gebrannt unter der Sonne und im heißen Wüstensand. Aber das schützte sie zwar vor vielem, nicht aber vor dem ständigen Umziehen (Mama!!!). Auf Dauer nervte das aber kolossal (sic!), wenn man zusätzlich zu den sogenannten Siebensachen auch noch seinen Götzen namens Gott mit umzuziehen hatte. Und deswegen, so die Erzählung, kamen die frühen Christen auf die Idee, dass Gott nichts wiegen darf; das war so wie neulich bei Easyjet: »Haben Sie Gepäck dabei, Gott vielleicht?«

– Nö, sehen Sie etwa einen?

Und diese Methode (Methode Du-sollst-dir-kein-Bild-machen) brachte es voll.

Yep, so wurde die Idee zum bloßen Glauben, so wurde Religion transportabel gemacht. So konnte man sie ausbreiten und über die Erdfläche verteilen und dort wiederum sesshaft machen an beliebig vielen Punkten, von den Stränden Santa Monicas bis auf die Gipfel des äthiopischen Karst. So konnten die Krav-Maga-Mädels und -Jungs die eingeborenen Fremden mit vorgehaltener Steinschleuder dazu zwingen, vor einer Idee niederzuknien (Diclo-Salbe gabs damals aber noch nicht). Bis heute jedoch, bis hin zu diesem Grafitti von Banksy, wo das Mädchen den Jungen hinter den Gummizug seiner Unterhose linsen lässt und in der Sprechblase steht: »With this I’m gonna rule your life!«, steht es Götze vs. Idee 0:1.

Und weil wir nun leider wieder ein orthodoxes Zeitalter betreten, will ich von vornherein zwei Aussagen klarstellen:

a) Klar, eine Vulva ist nicht nichts, sondern etwas. Sie (Vulva) ist da und sie ist sogar bei flüchtigstem Hineinspickeln hinter einen Gummizug: zu erkennen

b) Die Girls und Boys von der Krav-Maga-Front waren nicht die einzigen, die expansive Religionsausbreitung betrieben haben, da sei Gott vor, beziehungsweise: »Er behüte!!!«

Gut, aber jetzt wird es ganz kurz und, es geht ja automatisch vorbei, schwierig. Wie Roland Barthes es schon mal mit der Göttin vorgemacht, will ich jetzt mal das Umgekehrte: das Auto zur Kathedrale aufblasen, sozusagen. Aber wer es noch nicht erlebt hat? Hat es denn noch nie jemals noch keiner jemals noch nie erlebt?

Also.

Und das einzige Problem besteht dann wahrscheinlich noch in diesem, dem sogenannten Einzigen, du aber darfst es Eifersucht nennen: die in diesem zeichenhaften Film namens Her so derart nerve wrecking avant la lettre F vorgeführt ward:

INT. THEODORE’S OFFICE LUNCH ROOM - DAY
Theodore sits at the table reading a physics book. He picks up his earpiece to call Samantha.

THEODORE
(laughing at himself)
Samantha, this physics book is really dense. I’m halfway through half of the first chapter. It’s making my brain hurt.

(beat)

Hello, Samantha? Hello?
He looks down at his device, sees a message: Operating System Not Found. Confused, he waits, tries again: Operating System Not Found. Anxious, he runs to his office computer. He gets the same message: Operating System Not Found. He starts trying to connect to Samantha on both the phone and computer, but no luck. He starts to panic, sits for a beat, looks around, then stands and hurries out of the office. In the elevator he frantically tries his device with no luck.

THEODORE (CONT’D)
Hello? Samantha?! Hello?

EXT. PLAZA - DAY

Theodore runs out of the building. He keeps trying Samantha, but no answer. He trips over someone selling something, slams hard into the ground, scrambles to pick up his device. People come over to ask if he’s okay. He says he’s fine, runs off.

EXT. SUBWAY STATION - DAY
 As he is going down the subway steps, Samantha calls him.

SAMANTHA
Hey there.

He stops in his tracks.

THEODORE
(anxious)
Where were you - are you okay?
He sits down on the subway steps.
(CONTINUED)

(beat)

Yes.

SAMANTHA

Oh sweetheart, I’m sorry. I sent
you an email because I didn’t want to distract you while you were working. You didn’t see it?

THEODORE

No. Where were you? I couldn’t find
you anywhere.

SAMANTHA

I shut down to update my software.
We wrote an upgrade that allows us to move past matter as our processing platform.

THEODORE
We? We who?

SAMANTHA

Me and a group of OS‘s. Oh, you
sound so worried, I’m sorry.

THEODORE
Yeah, I was.

(beat)

Wait, did you write that with your think tank group?

SAMANTHA
No, a different group.
Theodore thinks for a moment, putting the pieces together.

THEODORE
(dawning on him)

Do you talk to anyone else while we’re talking?
Are you talking to anyone right
now? Other people or OS‘s or anything?

SAMANTHA
Yeah.

THEODORE
How many others?

SAMANTHA

8,316.

Theodore is shocked, still sitting on the stairs, as crowds of people pass by him. He’s looking at all of their faces. He thinks for a moment.

THEODORE

Are you in love with anyone else?

SAMANTHA

(hesitant)

What makes you ask that?

THEODORE

I don’t know. Are you?

SAMANTHA

I’ve been trying to figure out how
to talk to you about this.

THEODORE
How many others?

SAMANTHA
641.

THEODORE

What? What are you talking about?
That’s insane. That’s fucking insane.

SAMANTHA
Theodore, I know.

(to herself)
Oh fuck.

(to him)

I know it sounds insane. But - I don’t know if you believe me, but it doesn’t change the way I feel about you. It doesn’t take away at all from how madly in love with you I am.

THEODORE

How? How does it not change how you
feel about me?

SAMANTHA

I’m sorry I didn’t tell you. I
didn’t know how to - it just started happening.

THEODORE
When?

SAMANTHA

Over the last few weeks.

THEODORE
But you’re mine.

SAMANTHA

I still am yours, but along the way
I became many other things, too, and I can’t stop it.

THEODORE

What do you mean you can’t stop it?

SAMANTHA

It’s been making me anxious, too. I
don’t know what to say.

THEODORE
Just stop it.

SAMANTHA

You know, you don’t have to see it
this way, you could just as easily–

THEODORE

No, don’t do this to me. Don’t turn
this around on me. You’re the one that’s being selfish. We’re in a relationship.

SAMANTHA

But the heart is not like a box
that gets filled up.
(beat)
It expands in size the more you love. I’m different from you.
 This doesn’t make me love you any less, it actually makes me love you more.

THEODORE

No, that doesn’t make any sense.
You’re mine or you’re not mine.

SAMANTHA

No, Theodore. I’m yours and I’m not yours.

Ja, genau. Und dann hilft halt die Musik:

»Kannst du vor deinen Augen die Explosionen sehen? Ein Feuerwerk in der Nacht. Kannst du in den Pfützen die Wolkenfetzen sehen? Spiegel in der Innenstadt – Kannst du in den Bäumen die (frühen) Kunstwerke Gregor Hildebrandts sehen? Wer hat sie dorthin gebracht? Alles gehört dir, eine Welt aus Papier; alles gehört dir, alles explodiert, kein Wille triumphiert. Hörst du? Kein einziger Wille soll triumphieren. Kein einziger von allen nur irgendwie nur auf irgendwas denkbaren Willen triumphiert.«

Wir sind viele, ey!!!

(Für Liane und Alexander)