23.6.2020

Abends bei den Mosebachs. Sie haben endlich eine Wohnung finden können und leben jetzt mit Blick weit über Wipfel auf die Bürotürme wie am Central Park. Die Verluste an Kunst und Mobiliar, durch ihren Brandschaden erlitten, hatte ich mir drastisch vorgestellt — es war davon rein gar nichts zu bemerken! Man kann es dem Haus nun wirklich nicht von der Straße her ansehen, in welcher Schlosshaftigkeit sie sich auf ihrer Etage eingerichtet haben.
Es war, von einem Picknick vor drei Wochen, mein erster Abend in Gesellschaft seit Ende März. Ebenfalls gekommen waren der Novize Manuel, den wir schon von dem Weihnachtsfest bei den Jägers kannten, sowie ein junger Philosoph aus Albanien, ein Liebhaber des Spätwerkes von Paul Thomas Anderson, der zur Klausur in die Alpen Albaniens aufbrechen wollte, und der Verleger Eberhardt vom Rußwurmschen Herrenhaus, der auf der Durchreise nach Capri war. So muss es also zugegangen sein, wenn Pilger beinahe unverhofft aufeinander trafen. Es gab famose Butterbrote, anhand derer ich mit Frau Mosebach ins Plaudern über ihre Heimat Schweden kam. Die Schweden sind ja, hier den Dänen ähnlich, berühmt für ihre Butterbrotkultur.
Es war schon weit nach Mitternacht, da brachte Mosebach selbst eine Flasche Wein an, die er seit sechzig Jahren schon besaß und die, wie durch ein Wunder, die Brandkatastrophe überlebt hatte. Das Etikett war angesengt und fehlte zur Hälfte sogar ganz. Der alte Wein war wunderbar.
Zwei volle Tage nun habe ich mein Pensum in Sachen Warhol geschwänzt. Mit frischem Mut (Mishima) gehe ich heute ans Werk. Morgen brechen wir in die alte Heimat auf.