26.6.2019

30° im Schatten: abgelesen von meinem Barometer (Fabrikat Lufft), das untendran eine Skala für ein Thermometer zeigt. Geschenk von Friederike. Meinen Arbeitsplatz habe ich bis auf weiteres (morgen soll es drei Grad kühler werden) auf der klimatisierten Piazza im Skyline Plaza bezogen. Das iPad zittert dort so, als ob es friert—innerlich, es zeigt sich am Bildschirm. Mit den sommerlichen Temperaturen hat das aber nichts zu tun, es ist nun einfach am Ende. We had joy, we had fun.

An unserem letzten Morgen in Tel Aviv fand ich am Randstein gegenüber eine Münze zu zehn Schekel. Dann noch eine winzige Meerjungfrau aus Gummi, und daneben lag ein Kristallkügelchen, das facettenreich beschliffen war. Diese Strasse, in der wir wine Woche lang wohnen durften, war etwas besonderes. Sie ist es, die ich, jetzt, da all dies noch eine Woche lang her ist, vermissen werde. Es war eine kurze Strasse. was mir zunächst gar nicht gross auffiel, da ich, bis auf zwei Ausnahmen, von Geburt an bis heute in relativ kurzen Strassen gelebt hatte und lebe. Die in Tel Aviv war zudem noch relativ schmal dergestalt, dass man von unserem Balkon schon scheinbar zu dem unsrigen gegenübergelegenen hinübergreifen konnte. Dort zeigte sich ab und zu eine dunkelhäutige Frau mit mandelförmigen Augen, wahrscheinlich also eine athiöpische Jüdin, die bei ihrem Auftritt, also beim Betreten ihres Balkons eine gelbe Wäscheklammer über ihre Nasenflügel geklemmt trug, um somit ausgerüstet, in einem auf ihrem Balkon gelagerten Halbkanister zu hantieren. In der ebenfalls gelben Plastikwanne befanden sich geheimnisvollerweise dunkelfarbige Kugeln, eventuell also Pilze oder anderswie selbstgezogene Organismen, deren Eigengeruch jedenfalls streng gewesen sein musste, anders konnte ich mir das Tragen einer provisorischen Nüsternklemme bei der Bewohnerin nicht erklären.

In den Erdgeschossen der Strasse, die übrigens als einzige von Tel Aviv von Google fälschlich erfasst und geführt worden ward, wurde beinahe ausnahmslos Grosshandel getrieben mit Meterware von Teppichen und Stoff. Die auf gleicher Höhe mit uns auf derselben Strassenseite sich in der Frühe auf ihrem Balkon präsentierende wuschelhaarige Nachbarin, betrieb ein paar Hausnummern weiter ein schattiges Lädle für Käse und Oliven, so wie man es sich vorgestellt hatte. Allerdings kamen wir nie dazu, bei ihr einzukaufen, weil sie die Metallmarkise immer schon herunterscheppern liess, während wir von unseren appetitanregenden Strandaufenthalten zurück in unser Heim strebten.

Schräg gegenüber und damit unterhalb der Nasenklammerfrau gab es eine nur anscheinend verwaiste Eingangstür zu einem Haus, hinter dessen Fassade womöglich männliche Prostitution betrieben wurde. Jedenfalls hielten dort auffällig oft die schlanken und überpflegt wirkenden Kurzzeitmieter der überall im Überfluss benutzten Elektroroller des US-Amerikanischen Start-Ups Slime. Und in den heissen Nächten der Gay Parade «Pride», kam es vor der Tür dieses Hauses in unserer ansonsten friedliebenden Strasse, deren Name von Google unterschlagen ward, sogar zu einer veritablen liebesdramatischen Schreierei.