26.7.2020

Von Jan einen ganzen Tag lang durch Berlin chauffiert worden. Der Charme der Stadt erschließt sich mir auschließlich noch vom Auto aus. Und dann aussteigen und sich umsehen in einer wieder ganz anderen Welt. Jan sagt, er kann im Grunde auch nur noch im Auto sitzend telefonieren. So entstand die Idee zu einem Modul mit dem Arbeitstitel Knospe, einem fensterlosen Raum, in dem man bequem ruhen kann und in dessen schalltoten Wänden eine Lautsprecheranlage verborgen ist. Nach dem Schließen der Schleusentür zur Außenwelt verbindet man sein Telefon mit der Knospe und dann spricht man in den Raum und die Stimme des Gesprächspartners umgibt einen wie ein Klangbad. Slogan: «Führen Sie ihre Gespräche nicht, werden Sie ihr Gespräch». Nicht die erste Idee, mit der ich steinreich würde.
So fuhren wir von einem Haus zum anderen. Am Ende des Tages waren es 15 Adressen, in denen ich während meiner Zeit in Berlin von 1997 bis Ende 2019 gewohnt habe. Sämtliche Häuser gab es noch. Das war die geringste Überraschung. Berlin ist ja nicht Frankfurt, wo andauernd abgerissen wird. Manche hatten allerdings ihre Fassadenfarbe geändert. Auch hier gab es zumindest einen Trend zu beobachten: Was Anfang des Jahrtausends ein dunkel abgetönter Rotton war, ist mittlerweile ein feuchtes Grau. Auf sämtlichen Klingelschildern war mein Name überklebt oder überdeckt worden, manchmal richtiggehend ausgetauscht. Vor einer Hausnummer in Moabit, chronologisch befanden wir uns da im Jahr 2009, wurde Jan von einer mir wildfremden Frau angesprochen. Sie sprang beinahe vom fahrenden Fahrrad herunter auf ihn drauf (wie eine Tigerin bei Gerhard Nebel, bloß halt umgekehrt). Es war die einzige Mitbewohnerin, die er jemals gehabt hatte; in der einzigen Wohnung mit Mitbewohnerin in Berlin. 29 Jahre war das her.
Dementsprechend erledigt auf der Heimreise durch Deutschland. Aber auf heitere Weise.
Draußen donnert es unerlöst. Als ob wir alle verschluckt wurden über Nacht.