28.1.

Gestern war auf der Wissenschaftsseite der Süddeutschen Zeitung ein Tintenfisch abgebildet: wunderschöne Farben, und seine gesamte Oberfläche darin zart gemustert, wie der Morgenmantel von Betty auf diesem Bild von Gerhard Richter, das ich sehr lange als Postkarte auf meinem Schreibtisch stehen hatte. Ich habe allein das Foto des Tintenfischs bestimmt ein paar Minuten lang angeschaut, bis ich mich davon lösen konnte und auch dann, später, beim Lesen des Textes, habe ich regelmäßig innehalten wollen, um wieder das Bild –

Es ist nur ein Auge abgebildet, aber es schaut so klug; und dann: goldene Lider! Das obere, scheinbar mit goldenem Lidschatten verziert, ist zudem umrandet mit einem wie handgezogenen dunklen Strich. Das ganze kluge Auge des Tintenfischs ist ein Schmuckstück. Dieser ganze Tintenfisch, so wie er abgebildet wurde, könnte handgearbeitet von Otto Jakob sein. So schön auch fotografiert mit einer Schärfeverlagerung in den schwarzen Hintergrund. Dabei ist er ein Winzling, gerade fünf Zentimeter steht im Text, und ich will jetzt auf gar keinen Fall daran denken, wie enttäuschend Meeresbewohner auf der Handfläche aussehen, wenn man sie an die Luft holt. Seine Flossen scheinen beinahe durchsichtig – ich wusste nicht, dass es Tintenfische mit Flossen gibt. Euprymna scolopes kann zudem leuchten, seine Unterseite strahlt Lichtwellen ab. Die auf dem Meeresgrund lebenden Tiere, von denen er sich ernährt, können ihn dann nicht mehr kommen sehen, weil, aus der sogenannten Froschperspektive gesehen, Muschel- oder Kleinkrebsperspektive in dem Fall, strahlt die vom Mondlicht beschienene Meeresoberfläche, der in Wellen bewegte Himmel dieser Welt, ebenfalls hell; dazwischen gleitet der fünf Zentimeter lange Euprymna scolopes dahin mit seinem Display im Bauch, wie ein Polizeitransporter in Blade Runner. Weil dort unten alle taub sind, ist es vollkommen still.