2.9.

Die Morgenstimmung ist zur Zeit besonders schön. Der Himmel wolkenlos bis auf die Kondenstreifen, das erste Sonnenlicht liegt als goldener Fleck in den Wipfeln der Bäume, deren Grün mittlerweile ebenfalls einen Goldton mitbekommen hat (in den Linden sind es die trockenen Fruchtkapseln mit ihren ebenfalls trockenen Flügeln, an den Kastanien färben sich die ledrigen Blattfinger von den Rändern her rostfarben ein). Die Kühle des Windes und die Temperatur der Morgenluft sind beinahe identisch, der Wind liegt in der Luft und ist vor allem zu hören, als Rauschen im Laub der Bäume. Wenn er sich legt, entspannt sich das Wasser zu einer seidigen Fläche, die bis hinüber an die andere Seite sich spannt.

Als ich gestern heimkam, gegen neun, war es schon dunkel und ich dachte, macht nichts, weil da wieder dieser lupenreine Sternenhimmel zu sehen war. Ich setzte mich auf den Balkon und von den Nachbarn kamen dumpfe Lesungsgeräusche herüber und Grilldüfte. Wahrscheinlich war das der schönste Sommer. Jedenfalls kann ich mich an keinen schöneren erinnern. Auch vor allem durch den vielen heftigen Regen, aber auch durch die Umgebung hier, die Natur, an der sich die Veränderungen halt leichter ablesen lassen als am Himmel und am Straßenbild. Und die Tiere schaffen mit ihrem Tagesabläufen auch so eine Handlung, an die man sich leicht gewöhnen kann, und die nie wirklich stört, aber die immer wieder, jeden Tag aufs Neue, erfreulich wirkt. Ich würde es wahrscheinlich nicht merken, wenn eines von ihnen stürbe oder gefressen würde, denn ich gebe ihnen keine Namen oder mache ihnen Halsbänder um. Die Tiere sind die Tiere und die Pflanzen sind die Pflanzen. Eine eigene Welt. Die andere bin ich.