29.11.

Nach längerer Zeit der Abstinenz schaute ich gestern Abend mal wieder das heute journal im ZDF und war konsterniert: Was geht denn da in Mainz vor? Stand da doch tatsächlich eine Ansagerin, von der behauptet wurde, ihr Name sei Gundula Gause. Den direkten Einstieg in die Sendung, den ich, wenn schon TV, dann genau so wie den Werbestreifen vor dem Kinofilm liebe, hatte ich verpasst. Als sich mein Bild aufgebaut hatte, sprach bereits ihr Kollege, ein terrierhaft die Kamera attackierender und mit zusammengebissenen Zähnen den Kopf hin- und herschüttelnder Blondschopf, dessen sogenannte Bauchbinde schneller verschwunden war, als ich seinen darauf eingeblendeten Namen hatte entziffern können (er attackierte mit den Mitteln des eingezogenen Nackens und einem zustechenden Blick). So nahm er den Sprecher des Bundesamtes für Datensicherheit in die Mangel, einen gutmütig dreinkauenden, kahlköpfigen Greis mit Bundesadlerbutton am Revers, der stets verneinte, dass es ein Sicherheitproblem mit den Daten der Deutschen jemals geben könnte. Es ging um die Panne bei der Deutschen Telekom (hinter dem Datensicherheitsbeauftragten war die Skyline von Bonn (!) eingeblendet, für mich am sogenannten DHL-Tower zu erkennen, vermutlich war das Ministerium für Datensicherheit also noch in der ehemaligen Bundeshauptstadt ansässig), der ja vermutlich auch mein Tagebucheintrag vom 27. November 2016 zum Opfer anheim gefallen war.

Mit einem scharf gebellten »Das klingt jetzt aber nicht so gut, oder?«, unterbrach der ZDF-Ansager den rheinhaft breit dahinfließenden Vortrag des Ministers für Datensicherheit im Bundesamt für Sicherheit im Informationswesen, Arne Schönbohm. Der wiederum ließ sich von dieser Zwischenfrage nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Mich störte der Name des Ministers, beziehungsweise dass er eingeblendet worden war, denn gedanklich war ich noch immer mit der Bonner Skyline beschäftigt. Jetzt ging es, intern, um die Kombi aus Nach- und Vornamen beim Minister: Arne vor zu Schönbohm hinten – das passte doch hinten wie vorne nicht! Das hatten die doch aber schon vorher gewusst (die Eltern); die hatten doch da auch schon Schönbohm geheißen! Weshalb also Arne? Da er geschätzte zehn Jahre jünger war als ich (ansehen konnte man ihm das aber auf keinen Fall), schaute ich auf dem Splitscreen bei babyvornamen.de nach, ob 1981 der Vorname Arne – nichts. Na gut. Also ein Kind fühlloser Individualisten. Zudem noch Sohn. Kein Einzelkind (abgestoßene Schneidezähne – kriegt man vom hastigen Zu- und Abbeissen, da ständig von hungrigen Geschwistern angetrieben; da kann ich ein Lied von singen!), vermutlich schon früh in eine freakhafte Existenz desertiert. Nie gemalt. Dafür halt Computer. Parteieintritt aus Verzweiflung. Und immer schon gutmütig.

»Wie soll das bloß weitergehen? Das sieht nach düsteren Prognosen aus, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer«, rief der Terrierhafte. Was war bloß aus dem ZDF geworden? Einst ein selbst mir zu gemütliches Programm, erschien mir nun nach einer kurzen Zeit der Abstinenz schlagartig als geradezu tarantinohaft krass geschnitten und in unbotmäßiger Hektik vorgetragen. Was waren schon zehn, zwölf Jahre im Bezug auf die Evolution des öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramms? Offenbar eine ganz schöne Menge!
Das Top-Aufregerthema war nun endgültig abgefrühstückt, den Terrierhaften hatte das noch nicht einmal ein Lächeln gekostet. Mit einer von Kalle Schwensen abgeguckten Geste rückte er sich den Krawattenknoten zurecht und leckte sich beinahe schon über die Lippen, während die Kamera seine Einstellung konvulsivisch auf einen Schlitz zusammenzog, als er one for the ladies antrailerte »Ladies and gentlemen: Trump!«

Die Schalte ließ den Studioleiter des Zweiten Deutschen Fernsehens in Washington auftauchen, der angeblich Ulf Röller heißen sollte (mittlerweile schrieb ich die Namen mit und machte mir Notizen. Hinter »Ulf Röller, ZDF« steht »Ralf Röller, The Barn —> Café Krantzler-Übernahme?«) Man weiß bei diesen angeblich zugeschalteten Korrespondenten halt leider nie, also ich weiß das halt leider nie, ob die tatsächlich live vor Ort berichten oder kommentieren. Im Falle Ulf Röllers war das, von seinem auffällig konstruiert wirkenden Namen abgesehen, besonders fraglich, weil im Hintergrund das sogenannte Weiße Haus als Standbild insertiert worden war. Warum nicht Webcam, fragte ich mich. Nicht nur ich, da bin ich mir sicher. Kalauer hinsichtlich Sicherheitsgründe und Bonn hatten zu unterbleiben. Ulf Röller hatte ein Brillengestell von Tom Ford auf. Auch nicht gerade ein Ausweis seiner Seriösität. Seine Thesen hingegen: Trump, schwarzes Loch, es wird lustig bzw. kann heiter werden, schnallen sie sich besser mal an, meine Damen und Herren, blah blah blah — das wiegte mich wiederum in Sicherheit. Außer Spesen nichts gewesen, 0815 und im Westen nichts Neues. Das war das ZDF aus Mainz wie es leibte und lebte.

Dann sprach Gundula Gause die kurzen Nachrichten. Sie las sie, wie es in meiner Jugend über den Teleprompter noch geheißen hatte: vom virtuellen Blatt ab. Tolle Frisur auch. Modell Anna Wintour. Am Donnerstag, als Holm Friebe sich mir in seiner neuesten Figuration vorgestellt hatte, ging es unter anderem auch um eine Frisur in dieser Machart. Friebes Haupthaar ist ja von einer für mich beneidenswerten Fülle. Besonders beneidenswert voll erscheint es an seinem Bruder Jens, der ja, obwohl die Friebes aus dem Sauerland stammen, etwas Friesisches hat. Was nicht unbedingt bloß am Haar liegt, dass ja bei beiden Friebes noch heller ausfällt (sic!), vom Ton her, als das des Terrierhaften, sondern auch eben vom Blick. Der ja viel nachgiebiger ist. Und sozusagen darin mehr weilt und in der Landschaft ruht als direkt zustechen zu wollen, wie einer vom Schlage des T.

Wusstest du, Joachim, hatte Holm Friebe mich beispielsweise gefragt, dass Fidel Castro eine illegitimen Bruder hat, der Fiete Castrow heißt? Ja, ja, der lebt in Dithmarschen. Und das, ganz ähnlich wie bei Gerhard Schröder übrigens, eher schlecht als recht. Statt Havanna Club gibt’s bei dem Grog. Sein Trainingsanzug ist von Puma. Gummistiefel statt Salsagirls. Na ja.
Wusste ich nicht. Ergab aber freilich Sinn. Holm Friebe sah ja Gerhard Schröder ebenfalls recht ähnlich. Hieß aber unverwechselbar anders. Sein (Holms) Bruder Jens wiederum erinnerte an Gunter Sachs.
Stunden später, da schlief ich aber bereits, war Fidel Castro tot.