30.3.2019

In seiner Laudatio auf die Opernsängerin Edita Gruberovà schreibt Jürgen Kesting: »Alles Vollkommene in seiner Art muss über seine Art hinausgehen, es muss etwas anderes, Unvergleichbares werden. In manchen Tönen ist die Nachtigall noch Vogel; dann steigt sie über ihre Klasse hinaus und scheint jedem Gefiederten andeuten zu wollen, was eigentlich Singen heiße.« Das Zitat ist wohl von Goethe. Ich nehme an, er hat den Vogel Nachtigall als Topos verwendet—es bleibt doch Geschmacksache, ob man die Tonfolgen der Nachtigall als besonders kunstvoll empfindet. Bei Hermann Lenz gibt es die schöne Episode, wo er seine Frau nachts an ein Gebüsch in Stuttgarter Hanglage führt, weil ihm sein Vater zuvor erzählt hatte, dort hocke eine Nachtigall. Tut sie auch, aber auf dem Heimweg vom Konzert beklagt sich Hanne Lenz (Treutlein im Buch), dass sie vom Gesang der Nachtigall enttäuscht war. Sie hatte etwas noch ganz anderes erwartet. So gefallen mir die Lieder der Amselhähne besser, aber der Gesang der Nachtigall hat allein dadurch etwas Magisches, weil sie halt dann singt, wenn alle anderen, vor allem die menschlichen Zuhörer und Autos den Schnabel halten.

Mit den Vergleichen ist es ja merkwürdig. Vorsicht ist geboten, wenn beispielsweise ein Mann den halb übrig gelassenen Teller seiner Frau leer ißt mit den Worten, er sei halt der Mülleimer in der Beziehung (weil seine Frau esse wie ein Spatz.) Da ist etwas schiefgelaufen in der gegenseitigen Selbstwahrnehmung. Neulich aber hörte ich das allertraurigste von einer Frau in den besten Jahren, die sagte »Ich bin wie das letzte Stück Pizza. Alle wollen, keiner traut sich.«

Wer bekommt Karl Lagerfelds Büchersammlung?