3.2.

Begeistert von dieser Idee, einem Foto vielmehr, das die Muse mir nächtens als Direktnachricht über Twitter gesandt, riss ich mir das Hemd weit auf über der Brust, um all das Licht einzulassen, empfing dann auch weisungsgemäß die göttliche Strahlung in Form einer Segnung durch ultraviolette Frequenzen, um mich dergestalt gestärkt endelijk, endelijk wieder selbst einzuliefern: bei Penny an der Prenzlauer Allee.

Seit mir die Muse beigebracht hat, wie ich noch reicher würde, kaufe ich sämtliche Waren des täglichen Bedarfs nur noch dort. Ich bin ein Fan der italienischen Handelsmarke, ich liebe die Frankfurter Würstchen und die Hochzeitssuppe (von Maggi); der Blutorangensaft aus dem Penny-to-go-Schrank ist equally spitze, Milch, klar, Kellogg’s, die Rotweine allesamt erstklassig (dem Penny-Sommelier darf ich blind vertrauen) und an der Kasse gibt es, verglichen mit sogenannten Bio-Supermärkten zum Beispiel: null Stress.

Hakelig finde ich einzig das Rubbel-Bingo, aber das liegt vermutlich nur daran, dass ich bis dato noch nichts gewonnen habe. Obzwar die Muse behauptet, die Gewinnchancen stünden supergut (Anne sagt: waahr-Sprachregelung: Sämtliche Fremdsprachen müssen kursiv, weil: LEIDER GEIL (gegen Doppelpunkte hat sie aber nichts einzuwenden)). Wohl aber fällt es mir schwer, überhaupt auf die für den Erhalt eines Loses erforderliche Kaufsumme von mehr als zehn Euro zu kommen; es ist dort, bei Penny, halt alles so preiswert – absichtlich schreibe ich eben nicht: billig. Penny ist nicht nur eine Supermarktkette, sondern insgesamt, systemisch betrachtet: super. Auch und vor allem vielleicht sogar, weil ich weiß, dass die Muse es dort ebenfalls schön findet. Wobei sie ja bekanntlich derzeit in so ganz anderen Gefilden weilt (beziehungsweise ihre gefährlichen Zehen badet in Gewässern so ganz andrer Wesensart, sogar Natur).

Ach ja –

(dann lange nichts)

Aber gestern passierte dann Folgendes: Im Nachhinein finde ich es nicht einmal mehr bizarr, dass dort auf der Bank vor dem Planetarium diese Frau mit der rosafarbenen Gitarre saß – oder vielmehr hockte, jedenfalls von ihrer Körperhaltung her, extrem zusammengesunken, im Vergleich zu meinem Erinnerungsbild also: geschrumpft. Stacheliges Haar, wie eh und je von einem Schal in der Art eines Turbans in die Höhe gezwängt (Methode Kaktus), und ich sagte: »Ina?«

Und Ina Deter sagte: »Ja, ich bin’s.«

– Ach, Mensch, sagte ich, Scheiße. Was ist denn passiert?

– Du, sagte Ina Deter, gar nichts eigentlich.

– Klar, sagte ich, das sehe ich. Aber wie, beziehungsweise warum denn bloß – einst warst du ein Star! Ich meine: Neue Männer braucht das Land war doch ein Superhit!

– Tja, sagte Ina Deter und fing an, mit ihrer Zigarettenstopfmaschine herumzumachen, so eilfertig und geschickt, wie das nur die ganz hart von der Sozialhilfe abhängigen Ex-Superstars können. »Neue Deutsche Welle – NDW, du kennst ja die Verträge. Du hast ja die allermeisten davon selbst ausgehandelt, wenn nicht gar gemacht. Ich meine: Nena?«

– Stimmt, sagte ich. Ja, und: Tut mir leid!

– Braucht es nicht, sagte Ina Deter, beäugte die Kippe, die da von ihrem innerlichen Band rollte, fluchte, und warf den selbst verpfuschten Kram in den Dreck.

– Ina?

– Ja, was ist denn?

– Nichts eigentlich, und ich muss jetzt eigentlich sogar sogar weiter, aber: Frauen kommen langsam, aber gewaltig – bereust du das manchmal eigentlich? Also zum Beispiel in einem Traum?

– Voll. Und das auch noch ständig. Man könnte es sogar so sagen: Eigentlich bin ich so wie mein Song.

– Also hast du Eingang gefunden in ihn selbst. Deine Dichtung ist Wahrheit geworden. Sie hat dich eingelassen in dich?

– Eigentlich ja. Stimmt so. Korrekt.

– Und wie ist deine Seele so? Wie fühlt es sich an?

– Eigentlich schön. Ich meine: Du siehst ja – finanziell schaut es schnöd‘ aus. Aber eigentlich bin ich zufrieden.

– Ja.

(dann lange nichts)

– Ich habe jetzt auch konkret keinen Bock, meine Fehler aufzulisten, –

– Ich schon! Stichwort: Eisbär, –

(Eine Pause. Ina Deter schaute mich lange an)

– Nee, lass mal. Bitte.

– Ina, bitte!

Fuck, nö. Keinen Bock, ernsthaft. Ich hör das sowieso und den ganzen Tag nonstop: Hätt’st Du dies nicht, hätt’st du das undsoweiter.

– Ina, ich garantiere dir beinahe schriftlich, dass ich dir nagelneue Argumente liefern kann! Damit kannst du dich dann wie mit Goldbarren verprügeln.

– Aha? So so. Na ja – und trotzdem: null Interesse. Der Zug ist durch.

– Ina, ey!!! Du hast mal von Goldschrift auf Altären gesungen!!!

– Stimmt. Aber das ist lange her.

– Na gut. Tut mir leid wegen der zwei eigentlich in Folge.

– Da nicht für.

– Ich würd dir gern was geben.

– Ich brauch nix.

– Mein Rubbellos? Ist noch null aufgerubbelt.

– Nö.

– Auch okay.

– Na dann –

– Ja, ey. Bis bald.