3.6.

Man kann sich, mit einem bisschen Phantasie, den Hauptbahnhof in Frankfurt als eine künftige Moschee vorstellen: dass dort endlich die Türmchen links und rechts des gewölbten Hauptgebäudes sich eines vom Spargelwachstum abgeschauten Speed in eine unerhörte Höhe zu sprießen erfreuen werden oder sollen, die höher noch wird sein denn jener der Commerzbank (sic!), die momentan dahinter noch die architektonische Rolle eines Platzhirschens erfüllen kann.

Gut, ich saß dort in diesem Bahnhofsviertel, da, und las die Zeitung, in der es, saisonbedingt, vor allem um die Vorbereitungen zum Wäldchestag ging, da sprach mich ein wahrer Wundergreis an.

Und zwar mitten vor dem Plank! Er hatte einen Hut auf, dessen Krempe oder Schirm extrem weit auskragend gestaltet war. Und er stellte sich mir dann auch gleich als ein Stammgast vor, denn er reiste, obwohl schon beinahe Siebzig, noch immer und, wie er betonte, »extra« aus Niederrad an, um hier, also dort vor dem Plank, eine Rhabarbersaftschorle zu trinken.

Man saß dort, anfänglich wie in einem riesengroßen Magen, es grummelte, derweil der Himmel über Frankfurt sich zuzog mit Wolken feistester Abart. Dann, mittlerweile hatte es angefang’ zu regnen, aber wie wir beide dann leiderweis’ feststellen mussten: ohne jeglichen Effekt des Petrichor. Der Greis unter seiner Mütz’ gab sich als ein Angestellter einer Luftfahrtsgesellschaft zu erkennen. Und das war mir ja bereits vorgestern beim Wiedersehen mit Dr. Nickel aufgefallen: Wenn man in einer Lufthafenstadt wie in Frankfurt wohnt, dann sollte man auch tunlichts am Lufthafen arbeiten wollen, denn so ist es nu’ mal unter Leichtmatrosen und Schriftstellern: man habe gehörigst ein abenteuerlich’ Herz.

Es regnete dann bald so, dass die Tauben ins Schleudern gekommen waren. Eine rutschte vom schwarzen Dach eines Smarts ab.

Ich, persönlich, mache mir manchmal Gedanken – nicht eben noch – wohin das alles, mich insbesondere, noch führen wird. Ganz anders, geradezu ausgeruht aber der Greis unter dem Schirm seines schattenspendenden Schirmes gesprochen: Er sagte: »Machen Sie sich bitte keinerlei Sorgen. Allein, was ich selbst verpasst haben werde im Leben—von heute aus gesehen: war alles ein Witz!«

Und danach, es hörte auch auf mit dem Regnen, sprachen wir über die Eigentümerverhältnisse auf der Münchner Straße. Er wusste sie alle. Und nannte die Hausnummern den Familiennamen zugeordnet, also beispielsweise: »Dem Ata gehört doch auch die 12«.