4.10.

Im Traum befinde ich mich inmitten dieser unendlich roten, am vorderen Bildrand ins Weiße überstrahlten Landschaft aus Bergen von Sand und einer Straße, die von Sainshand bis Urgun führt, im Traum und in Wirklichkeit ist die Wüste Gobi natürlich noch viel größer und dehnt sich weiter aus als auf jenem winzigen Abbild davon, das in meiner Küche hängt. In der letzten Nacht hat sie sich sozusagen ausgedehnt bis in meinen Traum hinein. Ich ging darin durch eine Ortschaft, die durchgängig im Tegernseer Stil errichtet worden war, sogar mit geteerten Straßen und mit Blumenkästen auf den Rändern der Balkons im von der Straße aus niedrig gelegenen ersten Stockwerk. Überhaupt gab es zwischen den Häusern, deren Putz blendete, wuchs zwischen den Balkons und den Dachfirsten aus dunklem Holz wüstenunübliches Grün in Form von aus ihren Waschbetonquadern überquellenden Bodendeckern, und dazu Fichten und Eiben zwischen den Dachrinnen zweier eng beieinander stehender Häuser, wobei dem nächsten schon wieder eine gelbe und bunt gestreifte Kodakfahne aus der Fassade ragte. Sogar an einen roten Verkaufskasten der Abendzeitung hatte ich gedacht.

Nun stand ich unter dem Baldachin im Schatten und durfte den Vorarbeiter so lange beobachten, wie ich wollte. Ich blieb ganz still, stellte keine Frage, da ich umso besser sehen konnte, je stiller es um uns herum blieb (so, als ob jede Lautäußerung mit ihrer mikroskopisch wahrnehmbaren Luftausströmung die linsenhafte Atmosphäre in meinem Traum verwirbeln könnte). Er, der eine violette Uniform anhatte, bediente einen Stempel an einem langen Handgriff. Das ganze Gestell war aus poliertem Messing gemacht. Der Stempel wurde in ein mit Sand gefülltes Becken gedrückt, das am Boden stand. Vielleicht diente es als ein Aschenbecher, vielleicht war es aber auch bloß zur Zierde gedacht. Das Einprägen des Stempelmotivs in die glatte Sandoberfläche hatte sanft zu geschehen und mit gleichmäßig über die Auflagefläche verteiltem Druck. Durch das Nichtatmen konnte ich noch genauer hinsehen, ich konnte dann exakt verfolgen, was unter der Einwirkung des Prägestocks mit den einzelnen Sandkörnern geschah. Sie waren eben nicht rund geformt, Sandkörner waren noch nicht einmal rundlich, es waren Polyeder!

Auf eine, tja: traumhafte Weise empfand ich mich selbst und meinen Traum nun als ekelhaft, und diese Empfindung hielt sich auch noch nach dem Erwachen. Ich wachte auf aus Empörung über meine mir zwanghaft erscheinende Originalität im Traum, es war noch dunkel um mich herum, egal, es wurde nur noch intensiver, dieses Gefühl, mein Wunsch, dass ich anders träumen wollte; gar nicht von anderen Dingen, aber in einer anderen Machart. Einfacher, weniger gewitzt oder witzig, am liebsten sogar langweilig, wie es mir früher manchmal gelungen war (oder zugefallen): vom Einsortieren der Belege stundenlang oder Einkaufen allein in einem Supermarkt mit ein paar anderen Menschen (die aber nichts von mir gewollt hatten und ich auch nichts von ihnen).

»When human brains decided to create prodigiously large files of recorded images but lacked space to store them, they borrowed the disposition strategy to solve this engineering problem. They had their cake and ate it«, schreibt Antonio Damasio: »They were able to fit numerous memories in a limited space but retained the ability to retrieve them rapidly and with considerable fidelity. We humans and our fellow mammals never had to microfilm various and sundry images and store them in hard-copy files; we simply stored a nimble formula for their reconstruction and used the existing perceptual machinery to reassemble them as best as we could. We were always postmodern