4.4.

Die Seligkeit ist wie Sonnenschein an einem Sonntagnachmittag im April. Das fand ich gestern heraus, als ich im Gastgarten des kleinen Hotels gegenüber saß und mich von der Sonne bescheinen ließ.

Sonst nichts. Also: nichts sonst tat, als mich anleuchten und wärmen lassen von der ultravioletten Strahlung dieses lieben Himmelskörpers namens Sonne (und normalerweise sehe ich dann ein Drop-down-Menü vor mir mit all den anderen Namen, den die liebe Sonne in all den anderen Sprachen hat). Aber nun kam das nicht, und ich musste erst nachdenken, um auf die vage vertraute Wortfolge zu kommen: Sonne, sun, sol, la soleil, الشمس und immer so weiter und immer so fort.

War die Sonne ein Planet oder sind alle Sonnen Sonnen?

Auch das schien jetzt »mit einem Mal« schwer zu entscheiden.

Mein Wissen, zumindest doch mein Gedächtnis, so dachte ich frei von Angst und dafür erfüllt von einem Gefühl des innerlichen Sonnenscheins namens Tja, so ist das halt jetzt mit der Seligkeit, dafür hast du deine Manie eingetauscht und den Furor, immer alles womöglich noch ultraoriginell beschreiben zu wollen; aber von Anneliese Mackintosh weißt du inzwischen, dass es beim Schreiben halt auch nicht drauf ankommt, »immer und jederzeit drei Silvesterraketen gleichzeitig zünden zu wollen«.

Macht nix, so ging der echt ziemlich lange Name dieses Wohlgefühls weiter, weil, so, wie du dich jetzt fühlst, willst du dich immer weiter fühlen können. Deine Beine sind schwer, da registrierst du elektrische Impulse wie von einer 9-Volt-Blockbatterie an der Zungenspitze und allein die Idee, irgendwann wieder von diesem Sitzplatz hier aufstehen zu wollen, woanders hingehen zu wollen, und sei es auch bloß ins Bett, erscheint dir bereits derart lästig, dass er mir, dem im Lichte der Seligkeit sich Sonnenenden, bloß noch nichtig und mückenhaft erscheint.

Weiterhin waren da noch Empfindungen an den äußeren Rändern meiner Gefühle, die sich ausstrecken wollten wie Fingerspitzen; wie die Härchen rings um ein Pantoffeltier; die wollten auch rein in mein Bewusstsein, um dort verarbeitet zu werden, um Eingang gewährt zu bekommen in meinen Gefühlshaushalt, der ja, wie ich seit vorgestern früh wusste, in Wirklichkeit gar kein schnöder Haushalt war, sondern ein Reich. Und von dem Friederike einst vermutete, es handelte sich dabei nach ihrer Ansicht um eine Art von Wikipedia, aber nun empfand ich präzise seit vorgestern auch selbst Freude daran, in mir herumzuklicken.
In der Seligkeit braucht man, so scheint’s, vor allem doch eines: Zeit, auszuruhen. Schließlich war Sonntag.
Definitiv, so empfand ich es und dieses Gefühl ist hochaktuell, will ich mich meiner Seligkeit fortan unterwerfen. Und das radikal. Ich will, so empfand ich die Gegenwart der Seligkeit, als sie erneut in mich drang, um mir die Schönheit des Seligseins vor Augen zu führen, nichts weiter mehr tun oder lassen, das die Seligkeit von einer rückhaltlosen Herrschaft über mein innerlich gespürtes Gebiet verhindern könnte. Ich will, und das war zwar ein bei der Niederschrift seltsamer Gedanke, aber ich nahm ihn dennoch auf, wie diktiert von jemandem, den ich liebe: mich nonstop von meiner als selig empfundenen Seele ficken lassen.

Ich könnte jetzt endlos über den passiv-aggressiven Kellner schreiben, der seine Gäste mit »Wollen Sie essen?« begrüßt; über die Unsitte, zumindest ist es eine seltsame, die Teelichter in Windlichtergläsern auf Kaffeebohnen zu betten; oder über die Menschen, die sich dort drüben am Abhang noch immer so aufstellen, wie einst in den »Sommergästen« von Peter Stein.

Aber ich will es halt nicht mehr.