5.3.

Ich sitze in einem Bademantel auf dem absurd hoch angebrachten Fensterbrett und wenn ich geradeaus schaue, geht dort die Sonne gleich hinter dem Hotel Fox auf. Schaue ich über die Schulter zur Seite, ist dort das Meer.

Am Flughafen parkten wir neben einer marineblau lackierten Maschine und aus meinem Fensterchen sah ich über die orangefarbene Flügelspitze hinweg auf rote Buchstaben: »Willkommen im Land von Tim & Struppi«. Im Terminal gab es einen Wegweiser zum Kiss & Fly, darunter war das Piktogramm eines Männchens, das in der einen Hand einen Koffer hielt und den anderen Arm steil in die Höhe reckte. Ich hatte ganz vergessen, dass hier noch immer der Ausnahmezustand verhängt ist. Überall Soldaten in Camouflage mit Sturmgewehren. Erst zwei, dann noch einer, an jeder Ecke mindestens ein weiterer - es war wie in einem Videospiel. Mitten in der großen Halle ragte, vier Meter hoch circa, in schönstem Rot und Papierweiß kariert, die nach den Zeichnungen von Hergé gebaute Mondrakete auf. Makellos und auf Hochglanz poliert. Dort sehr viele Soldaten.

Dann stundenlange Fahrt an die Küste. Dabei ist Belgien klein, aber es herrschte Dauerstau. Und der Mann am Empfang des Hotels sagte: »Ja, das ist hier jeden Abend so. Kleines Land, viele Leute«. Das Hotel ist vollkommen leer. Zumindest auf dem Stockwerk, auf dem sich mein Zimmer befindet. Es ist nicht nur ein Zimmer, wie ich herausfinden werde, es ist ein Labyrinth aus Räumen. Hätte ich eine Schar Kinder dabei, könnten die hinter den nächsten zwei Badezimmern in weißen Stockbetten schlafen. Habe ich aber nicht. Schon als ich das Bett sehe, werde ich unfassbar müde, dabei ist es gerade mal kurz nach neun. Aber ich habe viel vor in den nächsten zwei Tagen. Zum Beispiel schlafen. Noch viel mehr Fritten essen. Trappistenbier trinken. Und Muscheln sammeln. Außerdem will ich herausfinden, wie die hiesigen Fischer das machen, denn angeblich ist dieser Ort hier berühmt für seine Tradition einer Krabbenjagd zu Pferde. Ich bin sehr gespannt.

Irgendwann in der Nacht wachte ich noch einmal auf, weil das Telefon klingelte. Die Muse sagte, dass sie mich liebt. Und dass sie ganz nasse Haare hat, weil sie im Regen spazieren war. Und ich hatte bis zum Telefonklingeln geträumt, dass ich an einem Fenster sitze und hinausschaue, einfach bloß schaue und draußen regnet es ununterbrochen und das schaue ich mir an. Jetzt wusste ich, dass ich aus dem Fenster zu ihr hinübergeschaut hatte.

Und in dem Traum nach dem Telefongespräch ging es um einen kleinen Hasen, der war winzig klein und trug einen Wollpullover, der war rosa und gelb gestreift und ich sah ihn an einem Strand, wie er aus Löchern herausgehüpft kam und über Sandhügel kletterte. Der Hase trug einen Sonnenhut und hatte ein sehr langes Schwänzchen, weil es Mortimer aus den Bilderbüchern war, die ich früher extrem ausführlich studiert hatte, weil ich sie auswendig kennen wollte, um sie immer bei mir zu haben. Anders als in den Büchern, wo sich Mortimer, weil es sogenannte Wimmelbilder waren, durch eine vollgestopfte Welt im Dauerstau bewegte, war der Strand in meinem Traum menschenleer.