5.9.2019

Erntezeit in Württemberg. Mein Vater hat jetzt ein Smartphone. Aber er schaltet es nur wenig an, weil es für ihn, wie er sagt «eine Datenquelle» bleiben soll. Ausser Haus nimmt er vorwiegend sein altgedientes Klapp-Telefon mit, weil das ihm angenehm kompakt und praktisch erscheint. Das neue Smartphone hat den Status eines Geländewagens mit Vierradantrieb, den man früher für besondere Gelegenheiten in der Garage stehen hatte (und der Normalbenziner entspräche demnach dem Klapp-Handy). Dann kam die Fusion in Form der sogenannten SUV; aber mein Vater ist noch nicht so weit. Ich finde das gut!

Am Vormittag waren wir dann im Stückle. Obwohl die Ernte in diesen Jahr vergleichsweise bescheiden ausfällt, brachten wir dennoch zwei Kisten mit Äpfeln und Birnen zusammen. Vergleichsweise deshalb, weil der Laie doch angesichts des bombastischen Sommers die daraus hervorgehende Ernte sich gleichfalls vorstellen wird. Aber dem ist halt nicht so. Obstbäume brauchen noch einmal ganz andere Konditionen als die Pilzmyzele im Erdreich des Engadin. Gut, aber trotzdem kochten wir dann später noch fünf Gläser voll Birnenmus ein, das, wie meine Mutter es sich gewünscht hatte, so gut wie gar nicht mehr gezuckert war im Vergleich mit dem von mir überparfürmierten vom vergangenen Jahr.

Abends dann: Besuch des Weindorfes in Stuttgart. Ich finde es doch widerlich, dass sich dort mittlerweile das Tragen pseudobajuwarischer Trachten durchgesetzt hat. Besonders aufdringlich am Stand des sogenannten Stäffelesrutschers, wo Kellnerinnen als Xenia Seeberg verkleidet mit arrogantem Getue die ganze schöne Atmosphäre versauen wollen. Gut, dass wir gleich nebenan bei einem weniger auf identitärem Gehabe bedachten Betrieb Platz nehmen durften. Ass hervorragenden Gaisburger Marsch, F. mundete einen Gewürztraminer und auf der Gasse, wo einst Spielwaren Kurz sein Stammhaus hatte, und heute ist da bloss noch ein Flagship von Nespresso, trieb ein buntgestreifter Clown sein Unwesen, der sich mit uns durch Stösse in seine Trillerpfeife verständigte, und teils narrte er die Passanten mit einem grotesk grossen Kamm aus gelbem Plastic, teils wedelte er sich über die Wange mit einem regenbogenfarbigen Staubwisch, und bat dann die Passantinnen um einen einzigen Kuss (oder wie es in Schwaben heisst: Schmatz).

Mein Vater ass einen Sauerbraten aus Rinderherzen. Und später führte er uns noch Dias vor aus Kapadokien, wo die Menschen in Löchern im Kalkberg leben wie in einem Käs‘. Danach, auf vielfachen Wunsch, noch die von der Hochzeit meiner Eltern. Wie leer damals die Strassen waren. Ausser den Verkehrsschildern und ab und an Underberg war damals nichts.