7.8.

Das mit den Krähen hier nimmt, ich will nicht sagen: überhand, aber es nimmt eine gewisse Form an, die in manchen Situationen beängstigend wirkt. Als ich gestern nach Hause kam, saßen zwanzig oder noch mehr auf dem Rasen und gingen ihren Geschäften nach. Das wirkte schon herdenhaft. Weil sie so groß sind und ihr Schnabel so lang wie mein Zeigefinger, bloß aus hartem, wie eloxiert wirkenden Material, schaut allenfalls eine in meine Richtung, wenn ich vorübergehe. Gemächlich hüpfen sie einen Meter auf Abstand, aber deswegen gleich wegfliegen? Nö.

Meine Regenbekanntschaft hatte mir erklärt, dass es für solch große und auch dementsprechend schwere Vögel, auch Blässhühner zählen dazu, Enten, Schwäne und der Kormoran, ziemlich anstrengend ist, zu fliegen. Sie produzieren mit einem Flügelschlag einen Vorschub, in den sie sich dann sozusagen hineingleiten lassen. Die Flugbahn sieht von daher einer Wellenbewegung ähnlich: nach dem nächsten Flügelschlag geht es wieder etwas bergauf, dann gleitet der Flugkörper abwärts, dann wieder Flügelschlag und immer so fort.

Auf dem Boden spazieren die Krähen herum, so als sei das ihre bevorzugte Fortbewegungsmethode. Was sie aus dem Rasen picken, habe ich noch nie beobachten können. Vermutlich Würmer. Vielleicht aber hacken sie auch bloß Löcher hinein – aus Lust am Hacken. Neulich haben mehrere von ihnen eine mit Altglas gefüllte Tüte aus der Müllhütte hervorgezerrt und mehrere Meter abseits transportiert, dort alle Flaschen herausgezogen und herumgeworfen. Als ich dazustieß, war eine von ihnen damit beschäftigt, den Verschluss eines ausgekratzten Nutellaglases aufzumeißeln. Sie wollte davon auch kaum ablassen, als ich mich daran machte die Flaschen einzusammeln. Es muss also so sein, dass Krähen einen entwickelten Geruchssinn besitzen – wie könnte sie sonst wissen, dass sich nahrhafte Substanzen im Inneren des Schraubglases befinden? Aus Erfahrung? War das vielleicht nicht das erste Nutellaglas, das sie in ihrem Leben geschaut hatte? Und wenn dem so war: Erkannte sie dieses Glas an seiner charakteristischen Nutellaglasform? Am Etikett? Gar am Schriftzug auf dem Etikett?

Joggingschuhe sollte man besser auch nicht mehr vor der Wohnungstür deponieren. Die tragen sie bevorzugt im Morgengrauen weg und schleudern sie irgendwohin: ins Gebüsch. Verlässt man das Haus, ist es anzuraten, die Balkontüren zu schließen. Kürzlich äugte eine bereits um die Ecke herein, erblickte mich auf dem Sofa und spazierte dann mit Unschuldsmiene weiter. Fehlte bloß noch, dass sie ein Lied gepfiffen hätte. Sie wollte definitiv hereinspazieren. Wahrscheinlich roch es gut.

Soviel weiß ich mittlerweile schon über ihre Lebensgewohnheiten: Sie machen Pause von 8 Uhr 30 bis 14 Uhr. Was sie dann machen, entzieht sich meiner Beobachtung, vermutlich schlafen. Aber nach 14 Uhr kommen sie wie gerufen auf den Boden zurück.