8.2.2019

Im Haus gegenüber bearbeitet ein Greis mit benbeckerhaft gefärbtem Haar den Fußboden seines Balkons mit dem Staubsauger. Seine Beine sind nackt, er arbeitet in dunkler Unterhose, aber aus dem Anglerparka, den er sich für die Arbeit im Freien übergestreift hat, lugen die Zipfel eines weißen Oberhemdes. Ich muß also annehmen, dass er die Tage in seiner Wohnung im Hemd unten ohne zu verbringen gedenkt. Schön wieder hier zu sein, auf meiner Parzelle.

In dem Hotel in Zürich, das in dem rings um die Europazentrale von Google erbauten Retortenquartier zwischen Hauptbahnhof, Bahnhofs- und Langsstrasse hochgezogen wurde in den vergangenen zwei Jahren, gab es kein Zimmermädchen, keine Rezeptionistin, keine Kellnerin, die nicht aus Deutschland angestellt ward. Teils kam es zu herzzerreissenden Szenen—Heidi in reverse—als die Rezeptionistin meiner Bankkarte ansichtig ausrief »Sie kommen aus Frankfurt? Grüßen Sie mir meine Heimat; bitte! Ich war zum letzten Mal an Weihnachten dort. Es ist die beste Stadt.«

»Ja, das ist schon so,« sagten die Schweizer. »Von uns will das keiner mehr machen.« Das war, als ich gerade mit Yves die bißchen lästige Aufgabe absolvierte, aus dem von mir geschriebenen Text, der für Österreichische Leser bestimmt war, die mir eigenen Schreibungen und diejenigen, die viel zu Schweizerisch waren, auf ein allgemein verständliches EU-Deutsch heraufzuvermitteln. Und währenddessen wurde es neben uns, wo bloß eine sehr dünne Türe uns vom benachbarten Bureau trennte, sehr laut. Eine Frau schrie zuerst, es hörte sich für mich an wie Fluchen, dann steigerte sich der Ton ihrer Stimme noch zu Gekreisch. 

»Jaja,« sagte Yves auf meine Nachfrage hin »Das ist die Nachbarin, ein wilder Mensch.« Aber keiner von den umstehenden zeigte sich dennoch bereit, mir, dem Deutschen, den Inhalt dieser Kreischworte zu übersetzen. Stattdessen wurde noch zweimal, dabei stets heiter wiederholt, unisono »Sie ist halt ein wilder Mensch.«