3.10.2019

Es gibt nichts Schöneres, als ein Glas Quittengelee anzubrechen. Am offenen Fenster sitzend fiel mir das heute früh ein. Von draussen her roch es feucht, kühl, aus dem Glas in meinen Händen zitrisch und rosenhaft zugleich, wie halt nur Quitten duften können. Eben nicht der Duft eines Sommers, es ist der Duft genau dieser Zeit jetzt — im Falle jenes Gelees in meinem Glas allerdings der zu diesen Zeiten des vergangenen Jahres.

Gleich hinaus zu den Pilzen, zur Myrte wäre da die ideale Ergänzung gewesen, aber ich hielt mich zurück. Kenne ich den Park doch inzwischen in drei Formen, ja, eigentlich sind es sogar drei verschiedene Parks an ein und demselben Ort: Erstens der Park vor der zu erledigenden Arbeit — nicht optimal, ich bin dann nicht ganz bei der Sache; weder ganz im Hier, noch ganz dort. Aber immerhin besser als nichts. Oder, zweitens: Der Park anstelle der zu erledigenden Arbeit. Eine jämmerliche Erfahrung. Zwar lässt er mich ein, nimmt mich auf, verbirgt aber seine Schätze, sodass ich ihn gerade noch als Trimm-Dich-Pfad benutzen kann wie so viele dort um mich herum (ich eher angeblich mich trimmend, ich bin auf der Flucht; es atmet sich ja auch so verklemmt, wenn man der Arbeit aus dem Weg zu gehen versucht).

So hatte ich kaum auf «Senden» gedrückt, zogen sich mir auch schon die Stiefel an. Es regnete noch nicht einmal mehr. Und ich entdeckte, wie durch Zauberhand geführt, eine mir bis dato unbekannte Wiese, an deren Rand dort einen mir gänzlich unbekannten Baum. Auf den ersten Blick eine Art Flieder, dann wieder hatte der aber zwischen den fliederhaften Blättern kurze Dornen. Bizarr geradezu waren seine Früchte, die lindgrün waren, zwei Fäuste gross, hart, dabei in sich gefurcht wie ein Gehirn. Eine schob ich mir zu Forschungszwecken ein (ich komme meistens zwei Pfund schwerer aus dem Park zurück).

Stellt sich heraus, der Baum trägt sogenannte Milchorangen. Essen kann man die wohl leider nicht. Und das letzte Tier auf Erden, das sich noch um diese Früchte kümmert, ist wohl das amerikanische A-Hörnchen. In der Frucht gibt es angeblich einen Kern, der von Tieren weitergetragen werden soll. Nun sind die meisten Arten, die die Milchorange noch zu schätzen wussten, längst ausgestorben. Blöd für den Baum. Aber dies Wort fasziniert mich: Megafauna. So nennt man wohl die Vegetation, die in Nordamerika mit der letzten Kaltzeit ausgestorben ist. Der Milchorangenbaum hat überlebt. Ob tragischerweise, weiss kein Mensch. Er steht jetzt halt da, fern der Heimat, jenseits seiner Megafauna im Schlosspark von Charlottenburg und produziert ungerührt davon seine Milchorangen, die nicht einmal das Eichhörnchen mehr aufknacken will.