2.11.

Geträumt, das Titelblatt des New Yorker hätte, auf weißem Grund, ganz viele kleine Münder. Alle in gewissem Abstand zueinander, alle in demselben Rot ausgemalt und vom Stil her so, wie all die vielen hundert kleinen (schwarz-weißen) Symbole und Grafiken, die sich in dem sogenannten Schnibbelbuch befunden hatten, das meine Eltern, aus heute für mich unbegreiflichen Grund in ihrem Regal stehen hatten. Mit dem (aus dem Verlag Zweitausendeins) hatte ich mich über Jahre intensiv beschäftigt – wohl auch, weil ich daraus partout nichts hatte ausschneiden dürfen, sodass ich die für mich interessantesten Zeichnungen (zeigende Zeigefinger mit Hemdmanschetten hinten dran, Bomben, schnauzbärtige Gewichtheber in Badeanzügen, Verkehrs- und Verbotsschilder aller Art) in nachmittagelanger Arbeit als Kopist mit Filzstiften auf die quadratischen Abrisse einer Endlosdruckpapierschlange Marke IBM (aus Vaters »Geschäft«) zu zeichnen übte.

Die Münder auf der Titelseite des New Yorker in meinem Traum konnten aber alle Laute von sich geben (wie die gerahmten Ahnenbilder in Fellinis Stadt der Frauen), das Heft summte schon von weitem; ich ging dann mit der Ohrmuschel näher ran, wobei ich die einzelnen Münder weiterhin klar vor mir sehen konnte. Die Stimmen wurden lauter, allerdings habe ich vergessen, worum es ihnen ging.

Lustiger Traum nach einem lustigen Tag, an dem ich entdeckt hatte, dass im Briefkasten offenbar ein Zaunkönig eingezogen war. Jedenfalls flog er aus der Klappe vorn, als ich mich näherte und hüpfte durch den gegenübergelegenen Busch wie ein Jogger an der roten Ampel, solange ich mit dem Herausholen der Post beschäftigt war (die für ihn ja den Teppichboden seiner Behausung bedeutete). Danach, ich beobachtete den Kasten noch eine Weile aus einigen Metern Abstand, aber da tat sich nichts, schien er wieder dort eingezogen, denn als ich Stunden später wieder nachzusehen kam, flog er erneut aus der Klappe und pausierte sein Wohnen im Busch.

Eine neue Katze gibt es auch. Das heißt, vielleicht treibt sie sich auch schon seit längerem im Garten herum, aber ich hatte sie halt zuvor noch nie gesehen. Allerdings weist die Beschaffenheit ihres Fells schon daraufhin, dass es sich bei ihr um eine auf die Winterzeit spezialisierte Rasse handelt. Wenn ich Kreationist wäre, würde sie mir für einen Beweis herhalten müssen, dass Gott einen sadistischen Humor pflegt, denn diese Katze hat ein Maine-Coone-artiges Strubbelfell aus langen schmutzigbraunen Haaren, aber dafür papierweißes Fell rings um die Pfoten – dabei werden die doch bei dem Wetter eher noch schmutziger als der gesamte Katzenrest! Sie schien mir aber ganz zufrieden mit ihrer streunenden Existenz (hatte sie aber auch echt unwissenschaftlich und sozusagen aus dritter Hand, nämlich durchs geschlossene Fenster beobachtet; und das auch noch »von oben herab«).

Blässhuhn will man bei solchem Wetter auch nicht sein, Schwan schon eher. Bei dichtestem Nieselregen scheinen die gerade gute Laune zu bekommen, jedenfalls fuhren sie dann, es wurde gerade mal wieder dunkel, war also schon kurz vor 15 Uhr, en famille in den kleinen Hafen ein, um dort das Gründeln zu üben. Die Schwanenkinder sind ja inzwischen beinahe größer noch als ihre Elternexemplare und lediglich dadurch zu unterscheiden, dass ihre Gefiederdecke braun meliert ist. Der Vorgang des Köpfchen in das Wasser et cetera wird durch das Lied ja den Enten zugeschrieben, aber so richtig mit dem Bürzel in der Höhe treiben es meiner bescheidenen Beobachtung nach n u r die Schwäne. Und zwar extrem, sozusagen yogahaft. Wobei man, also ich mit meinem Fernrohr, die weiße Unterseite betrachten darf, die junge Schwäne nämlich zuerst entwickeln. Ist ja auch klar: Der Schwan wird deshalb von unten her weiß, weil dieser unsichtbare Teil im Wasser hängt, von daher wird dort das daunenhaltige Gefieder am ehesten gebraucht. Am Hals und zwischen den Flügeln zeigen sie sich immerhin schon weiß gestromert. Die Flügel sind dann wohl als nächstes dran. Und:

Im Frühjahr, wenn Menschen sehnsüchtig nach grünem Ausschau halten

Und jedes auch noch so kleine Spriessen

Mit liebevollem Blick begrüßen,

Präsentiert sich ganz in weiß auf Blau: der erwachsene Schwan

(und seine Frau).