Hip

Essay
zuerst erschienen im Januar 1962 in Twen
Von Twen zur Diskussion gestellt: die neue Philosophie der „weißen Neger“

Auf einer Party, erzählt Norman Mailer, habe ein Neger ein weißes Mädchen getroffen. Eine hochintellektuelle Studentin. Der Neger konnte buchstäblich nicht lesen und schreiben. Trotzdem entwickelte sich ein langes Gespräch. Das Mädchen sprach über Psychologie, Philosophie und Soziologie. Der Neger verstand nichts von dem, was das Mädchen sagte. Aber er war an der Art interessiert, in der es zu ihm sprach. Deshalb verstand er am Ende des Gespräches einen guten Teil mehr als mancher, der den Wortsinn ihrer Probleme verstanden hätte. „Er fühlte ihren Charakter, indem er mit den Nuancen ihrer Stimme mitschwang.“ Und im amerikanischen Original entspricht das Wort „schwingen“ bewußt dem Jazzausdruck „swing“. Denn im nächsten Satz sagt Mailer: „Das heißt also: zu swingen bedeutet die Fähigkeit zu lernen, und indem man lernt, einen Schritt vorwärts zu tun, um etwas zu erreichen, etwas zu schaffen.“

Norman Mailer hat in den Jahren, seit er „Die Nackten und die Toten“ schrieb, als erster und einziger eilte Philosophie des Hip entwickelt. Der Hipster befindet sich im innersten und geheimsten Zirkel der Jazz-Kennerschaft. Aber die Kennerschaft braucht nicht Wissen zu bedeuten. Sie bedeutet unbewußtes, intuitives Verstehen. „Hip“, sagt Mailer, „ist die Kultur des weisen Primitiven in einem gigantischen Dschungel. Deshalb entzieht sich das Verständnis des Hip dem zivilisierten Bürger.“ Mailer meint, die braven Bürger würden „ihre Republik lieber an die Russen als an die Hipsters fallen“ lassen, denn „der sowjetische Sinn für Wissenschaft und rationale Prozeduren muß ihnen doch viel attraktiver erscheinen“ als die „ungenauen und geheimnisvollen Mysterien des Hip“ in einer Welt, „wo Sex Sünde und gleichzeitig Paradies ist“.

Viele Jazzmusiker sind Hipsters, manche Hipsters sind Maler; Schriftsteller gibt es nur wenige unter ihnen  Freilich die meisten Hipsters haben keinen Beruf. Darin ähneln sie den Beatniks. Wo es die bärtigen Typen der Beat-Generation und ihre Mädchen gibt, da gibt es meist auch Hipsters: im New Yorker Village, an der North Beach beim Chinesenviertel von San Francisco und in den kleinen Badeorten Venice und Hermosa bei Hollywood. Vor allem aber gibt es Hipsters in New Yorks schwarzem Harlem. Dort wiederum gibt es keine Beatniks.

Weil der Hipster in einer eigenen Welt lebt, hat er auch eine eigene Sprache. „Hip“ ist die Sprache der Jazzmusiker. Es ist die „Sprache der Energie und der Frage, wo Energie gefunden und verloren werden kann“. Man kann in der Hip-Sprache „niemanden beschreiben, der sich überhaupt nicht bewegt“. Die Worte, die am meisten gebraucht werden, sind: go, put down, make, beat, cool, swing, with it, crazy, dig, flip – also alles Worte, die eine Aktion oder eine Bewegung und eine Spannung bezeichnen.

Es sind Aktionen, Bewegungen und Spannungen einzelner Menschen. Denn, so sagt Norman Mailer in seiner geistvollen Apologie der „Beat-Typen“: „Fast immer, wo es in unserer Zeit eine Gemeinschaft von Menschen gegeben hat, hat diese Gemeinschaft versagt. Wir leiden an einer kollektiven Nervenschwäche. Der einzige Mut, mit seltenen Ausnahmen, den wir in dieser Zeit sehen können, war der isolierte Mut von isolierten Leuten.“

Nicht zuletzt wegen dieses „isolierten Mutes von isolierten Leuten“ ist die Welt des Hipsters vom Neger geprägt. Auch dort, wo der Hipster weißer Hautfarbe ist. Das Phänomen des Hipsters ist das Phänomen des weißen Negers. (Eine der Studien, die Norman Mailer über den Hipster geschrieben hat, erschien unter dem Titel „The White Negro“.) „Jeder Neger nämlich, der leben will, lebt von seinem ersten Tage an mit der Gefahr. Kein Neger kann eine Straße mit der selbstverständlichen Sicherheit herunterschlendern, daß nicht irgendwo Gewalt ihm begegnen wird. Die Chamäleons der Sicherheit für den weißen Bürger – die Mutter und das Heim, der Job und die Familie – sind für die Millionen von Negern nicht einmal eine Illusion. Sie sind einfach unmöglich.“

Woran sich der Mensch des 20sten Jahrhunderts jetzt erst langsam zu gewöhnen beginnt, daß er nämlich in der ständigen Gefahr des völligen Ausgelöschtwerdens lebt – von seiner Geburt bis zum AIter –, daran hat sich der Neger, seit es Neger in Amerika gibt, so sehr gewöhnt, daß es gar nichts besonderes mehr für ihn ist: „zu leben mit dem Tod als ständiger Gegenwärtigkeit, von der Gesellschaft getrennt zu sein, ohne Wurzeln zu existieren, ständig auf der ziellosen Reise in die rebellischen Forderungen des eigenen Ichs unterwegs zu sein … jenes Land zu erforschen, wo Sicherheit Langeweile und Krankheit bedeutet … “ Norman Mailer läßt durchblicken, daß nicht zuletzt deshalb der Hipster eine immer größere Überlegenheit in unserer modernen Welt gewinnen wird. Andererseits: Überlegenheit ist dem Hipster gleichgültig.

Der Hipster wird in der Haßliebe zwischen dem Neger und dem Weißen geboren. Auch deshalb ist der Jazz seine Musik. Denn die Musik der Neger ist der „Rhythm and Blues“, die Musik der Weißen ist, je nach Stand und Geschmack, entweder die symphonische Musik oder die Schlagermusik. Der Jazz aber ist die Musik der so sehr mit Haß wie mit Liebe geladenen Spannung zwischen Schwarz und Weiß.

Das Hauptproblem der Neger in Amerika ist nicht ihre ständige Unterdrückung, sondern der Wunsch von Millionen von Negern, wie Weiße werden zu wollen. Deshalb das große Geschäft mit Mitteln, die die Haut heller färben oder die Haare glatter machen sollen – eine der größten Industrien, die es in Harlem und in den Negerstädten Amerikas gibt. Nicht nur dem Weißen gegenüber, auch sich selbst gegenüber sagt die Mehrheit der amerikanischen Neger ständig: „Wir sind gar nicht anders, wir sind genauso wie ihr. Unsere dunklere Hautfärbung ist nur äußerlich.“ – Ganze Familien sind ein für allemal und unheilbar dadurch zerrissen, daß der Sohn vielleicht eine hellere Hautfärbung besitzt als die Tochter und deshalb mit Hochmut auf seine „schwarze“ Schwester herabsieht. Das Überlegenheitsgefühl, das jeder besitzt, dessen Haut nur ein klein wenig heller als die eines anderen ist, existiert in so zahllosen Formen , wie es Hauttönungen gibt. Man findet es in den ärmsten Negergemeinden der Südstaaten ebenso wie bei der gebildeten Oberschicht Harlems.

Der Neger also will wie weiß werden. Alles an dieser weißen Welt fasziniert ihn. Und der Hipster antwortet nun auf diese Faszination, indem er vielleicht nicht wie schwarz werden will, aber doch aufs stärkste von allem bewegt wird, was schwarz ist: der „Coolness“, der Lässigkeit, der Tendenz, seine Umwelt eher unbewußt zu verstehen als sie intellektuell zu begreifen, dem modernen Mystizismus an Stelle des schon nicht mehr so ganz modernen Rationalismus, der rhythmischen Sicherheit und natürlich auch dem Verhältnis zum Sex.

Aber zurück zu Norman Mailer. Er sagt – und die Logik dieser Feststellung versteht sich nach dem Vorausgegangenen von selbst – : „Das zentrale Problem für die Zukunft des Hipsters ist es, ob der Neger zu einer dominierenden Kraft des amenkanischen Lebens werden wird. Weil der Neger mehr über die Häßlichkeit und die Gefahren des Lebens weiß als der Weiße, ist es wahrscheinlich, daß der Neger, wenn er Gleichheit gewinnt, automatisch eine potentielle Überlegenheit besitzt.“ Diese Überlegenheit wird das Leben jedes einzelnen Weißen in Amerika betreffen. Sie betrifft schon jetzt den Hipster. Sie hat schon immer das sexuelle Problem betroffen. Selbst die finstersten Sklavenhalter des Südens waren von schwarzen Frauen fasziniert, wie es überhaupt ohne den sexuellen Reiz den die beiden Rassen aufeinander ausüben, niemals zu einem menschlichen Gespräch zwischen ihnen gekommen ware. Wie jeder Weiße glaubt, der Neger sei in sexueller Hinsicht überlegen, so glaubt jeder Neger, der Weiße ist es.

Aber nicht nur in dieser Hinsicht muß die Welt des Hipsters den „Square”, den Non-Hipster, den Bürger schockieren. Mailer hat eine Liste von Begriffen aufgestellt, die für die beiden Welten charakteristisch sind.

Hipster                            Square

Instinkt                            Logik

romantisch                       klassisch

gefühlsmäßig                    programmatisch

spontan                            ordentlich

pervers                             fromm

der Heilige                       der Klerus

der Körper                       der Verstand

Mitternacht                     Mittag

nihilistisch                       autoritär

eine Frage                        eine Antwort

das Selbst                        die Gesellschaft

der Rebell                        der Regulator

Thelonius Monk              Dave Brubeck

Trotzki                            Lenin

Callgirls                           Psychoanalytiker

das Kind                          der Richter

Barbaren                         Bohemiens

Illegitimität                     Abtreibung

Picasso                            Mondrian

Zweifel                            Glaube

Gnade                             Gewalt

psychopathisch                schizophren

Marihuana                      Alkohol

Nuance                           Tatsache

Die Iiterarischen Ahnherren des Hip sind H.D. Lawrence, Henry Miller und Heminway, obwohl die meisten Hipster gewiß keinen dieser Autoren gelesen haben. Hemingways „Philosophie”, daß einem Mann das entspricht, was ihn sich gut und männlich fühlen läßt, und daß deshalb das, was einen sich gut fühlen Iäßt, das Gute schlechthin sei, könnte auch die Philosophie eines Hipsters sein, wenn er daran interessiert ware, eine Philosophie zu haben. Das ist dem Square besonders unheimlich am Hipster, daß er nur das tut, „was er fühlt, wann immer und immer es möglich ist”. Der rationale Verstand des Square nennt das Egoismus. „Indem man die Arena des Möglichen für sich selbst weitet“, sagt Mailer, „weitet man sie genauso für andere. Deshalb enthält die nihilistische Erfüllung des eigenen Wunsches als unlösliches Element die Antithese menschlichen Zusammenwirkens.”

„Der Hipster tut gewisse Dinge, die sehr mutig sind. Er setzt seine Seele ein, obwohl er weiß, daß er sich furchtbar und tragisch irren kann und daß er dafür verdammt werden kann, verdammt bis zu Hölle. Die Leute, die zur Kirche gehen, setzen nichts ein. Sie denken an nichts als ihre eigenen schmutzigen, kleinen Seelen, die sorgfältig konserviert werden müssen für irgend etwas, was später geschieht. Der Hipster spielt mit dem Tod, und er spielt mit dem Später; und er kann sich irren.”

Der Hipster ist ein Mystiker, der gleichzeitig moderner Mensch ist. In dem, was er sagt, und noch mehr, in dem, was er fühlt, gibt es die gleiche Verbindung des Irrationalen und des Transzendentalen mit dem Sinnlichen und Körperlichen, wie in den Schriften der alten Mystiker. Um es „hip“ auszudrücken: wenn jemals ein Hipster den alten Meister Ekkehard lesen würde – was natürlich ein unvorstellbarer Gedanke ist – dann würde er sagen: ich steh auf ihn, er war hip.

Der Hipster ist auch Romantiker. Im Hip kommt die Romantik, die in sechzig Jahren moderner Kunst und modernen Denkens zur Hölle geschimpft wurde, zur Hintertür wieder herein. Die Hintertüren führen „in die Keller des Village und der North Beach. Nur dort kann sich abspielen, was für Mailer zum ironiegeladenen und trotzdem bedeutungsschwangeren Symbol geworden ist: Die Hochzeit des Callgirls mit dem Psychoanalytiker - „wenn man sich überhaupt eine solche Möglichkeit vorstellen kann“.

Bei einem Streitgespräch, das Norman Mailer mit einem Journalisten hatte, sagte Mailer, daß es im Hip auf die Sinne ankomme, und der Journalist meinte dann: „Aber das ist doch alles nur Aktion und Geschäftigkeit. Es ist nur alles Gefühl und Geschmack, Berührung und Geruch. Deshalb ist es doch so schwierig, nicht wahr?“ Und Mailer antwortet: „Es ist ja auch wirklich ungeheuer schwierig, zu den Sinnen zurückzukehren. Wir sind alle zivilisierte Menschen, und zu den Sinnen zurückzukehren und trotzdem die besten Teile unserer zivilisierten Existenz zu bewahren, ist doppelt schwierig. Es gibt eine große Gefahr, daß der Nihilismus des Hip die Zivilisation zerstören kann. Aber ich glaube, daß die noch viel bösartigere Gefahr – jene Gefahr, in der Hip entstanden ist – darin liegt, daß die Zivilisation in sich selbst so stark ist, so sehr von den Sinnen getrennt, daß wir zu einem Punkt gekommen sind, wo wir Millionen von Menschen sauber und ordentlich in Konzentrationslagern liquidieren können.“

Der Journalist fragte danach, ob diese Trennung von den Sinnen, über die Mailer spreche, es rechtfertige, daß man dafür zwei- oder dreitausend Jahre einer beständigen Kultur hingebe. Und nun antwortet Mailer mit aller Vorsicht: „Aber vielleicht darf ich es so sagen: wenn die Trennung von den Sinnen eine menschliche Grundbedingung wird, dann kann gar kein Zweifel bestehen, daß wir dafür mit unserer Zivilisation bezahlen müssen – oder wir werden uns selbst in der kalten und empfindungslosen Automatik gesetzlicher Abläufe und atomarer Radiation zerstören.“

In solchen Gedanken begegnet sich der Hipster wieder mit den Anhängern der Beat-Generation. Aber die Beatniks bleiben im zornigen. Protest stecken – im Protest gegen unsere moderne Zivilisation, den „Alptraum mit Klimaanlage“, wie Henry Miller gesagt hat. Der Hipster besitzt ein realistischeres Verhältnis zum Leben. Mailer sagt: „Das harte Wissen des Hipsters, daß man für das, was man bekommt, zu bezahlen hat, ist normalerweise zu bitter für den Beatnik.“

Und wenn auch beide – Hipster und Beatnik – Jazz hören, Marihuana rauchen, kein Geld haben und die Gesellschaft ablehnen, der Beatnik tut es schmutzig und unrasiert und in ungepflegten Kleidern, der Hipster aber ist nach der neuesten Mode gekleidet, die Mode ironisierend, indem er sie übertreibt, gepflegt bis zum Geht-nicht-Mehr. Miles Davis beispielsweise stand auf der jährlichen Liste der zehn bestgekleideten Männer Amerikas. Miles macht Mode. Wie er sich heute kleidet, kleidet sich morgen die Hip-Welt. Wie man sich kleidet, so verhält man sich zur Gesellschaft. Sowohl die Kleidung des Beatnik wie die des Hipsters bedeuten Distanz gegenüber der Gesell$chaft. Aber wenn der Hipster die Mode übertreibt, drückt er die Distanz auf viel geistvollere und lebendigere Art aus als der Beatnik, wenn er ungepflegt und zerlumpt ist. In solchen gefühlsmäßigen Dingen ist der Hipster dem Beatnik überlegen. Der Hipster hat ein gesunderes Verhältnis zum Lebendigen als der Beatnik. „Und wenn es beim Beatnik wahrscheinlicher ist, daß sein Verstand besser ist als sein Körper, dann ist es beim Hipster wahrscheinlich, daß sein „Körper besser ist als sein Verstand.“

Sartre ist ein Ideal für den Beatnik. Aber für den Hipster ist Sartre nur einer dieser Square-Philosophen, von denen es ohnehin schon genug gibt. Sein Ideal ist Charlie Parker – das große und einsame Genie der Hip-Welt. Die Welt des Hip ist die erste undbisher die einzige Welt, die man nicht verstehen kann, wenn man nicht Jazz versteht. Norman Mailer erzählt, daß sein Interesse am Hip damit begann, daß er mit einem Male anfing, sich für Jazz zu interessieren.

„I pass the word“ ist eine stehende Redewendung, wenn man einen Hipster fragt, was er tut – selbst wenn der betreffende Hipster eine geregelte Beschäftigung hat. Auch für diejenigen, die sie haben, ist die eigentliche Hauptbeschäftigung: to pass the word; das heißt wörtlich übersetzt: das Wort weiterzugeben. Aber natürlich würde es allem, was man vom Hipster weiß, widersprechen, wenn damit wirklich ein Wort, ein aussprechbarer Begriff gemeint wäre. In Wirklichkeit ist mit dem „Wort“ die Jazzmusik gemeint. Man gibt die Botschaft des Jazz weiter, die Botschaft dessen, der jeweils am gültigsten sagt, was der Hipster fühlt: die „Message“. Nicht umsonst heißt eine der erfolgreichsten Combos des modernen Jazz „Messengers“, und nicht umsonst hat das Wort „message“ in der Hip-Sprache einen fast mystischen Sinn – wie geheimnisvolle Botschaften in vorzeitlichen Kulturen.

Es kommt darauf an, die message immer noch konzentriertet und intensiver zu fassen. Deshalb wechseln diejenigen, die die Botschaft fassen so schnell.Eben noch war es Miles Davis, dann wurden es Monk und Mingus, jetzt sind es Ornette Coleman, John Coltrane und Eric Dolphy. Diese Namen sind Code-Worte. Und deshalb stimmt der Ausdruck „word“ letztlich doch (wie alles an der Hipster-Sprache im genausten Sinne „stimmt“): Das „Wort“ ist der Musikername. Man nennt ihn, und wenn der Gesprächspartner hip ist, versteht sich alles andere von selbst.

Daß die „Botschafter“ so schnell wechseln – in drei Jahren von Miles über Mingus zu Coltrane -, hat nichts mit modischer Unbeständigkeit zu tun. Es ist erforderlich – dringend notwendig. Fast alles nämlich, was Jazz bedeutet, ist verdrängt worden – und zwar im Zeichen der wachsenden Akzeptierung des Jazz. Es ist verdrängt worden von denen, die ihn akzeptieren: von der Toleranz und Großzügigkeit über die Direktheit und Ehrlichkeit bis zur Freizügigkeit und Freiheit. Deshalb muß das, worauf es ankommt, immer noch konzentrierter und noch intensiver gesagt werden. Die Intensität von gestern wird heute schon von den Squares verharmlost. Miles-Davis-Phrasen tauchten zwei Jahre nach Beginn seines Hip-Erfolges in der Schlagermusik auf.

Hiermit im Zusammenhang steht die Antithese Monk/Brubeck auf Mailers „schwarzer Liste“ der Hip-Square-Spannung. Auch in den USA glauben viele Jazz- und Musikfreunde nur deshalb, weil sie Brubeck gern hören (oder vor ein paar Jahren das Modern Jazz Quartet), sie seien schon wer-weiß-wie-hip. Dadurch, dass Mailer Brubeck und seine Anhänger bewusst draußen lässt, wird die Welt des Hip noch kleiner, als sie selbst denjenigen scheint, die sie ohnehin für klein halten.
Hip ist nicht denkbar ohne diese Atmosphäre des kleinsten, engsten, innersten Zirkels der Eingeweihten. Deshalb auch ist das Vokabular der Hip-Sprache so begrenzt. Es kommt auf die Schattierungen und Untertöne an, mit denen man die Worte gebraucht. Dasselbe Wort kann das Verschiedenste bedeuten. Es muß das Verschiedenste bedeuten, denn wenn es nur eine klare Sache bedeutete, wäre es ein Begriff. Und Begriffe gehören in die Welt des Square.

Weil Begriffe „square“ sind, ist es so schwer über den Hipster zu schreiben. Der Hipster ist im Protest gegen die rationale Begriffswelt entstanden. Was also über ihn geschrieben wird, ist automatisch „square“ – selbst wenn man den Hipster so gut versteht wie Norman Mailer. Vielleicht ist das einzig „Hippe“ an diesem Beitrag Mailers „Liste“. Da steht die „message“ in jeder Zeile: im leeren Raum zwischen den Begriffen.