Mainau auf mexikanisch

von 
Reportage
zuerst erschienen am 21. Juni 2015 in Welt am Sonntag, S. 11
Fassung des Autors
Tief in Mexikos Sierra Madre hat ein riesiger Park eröffnet. Er nennt sich „größter Garten der Welt“, hat aber fast keine Besucher

Die Mautstelle von Alpuyeca war sowas wie der letzte Vorposten der Zivilisation. Neben dem Kassenhäuschen stand ein vermummter Polizist, vor dem Bauch eine Pumpgun, am Revers seiner kugelsicheren Weste fünf klobige Patronen. Als sich die Schranke öffnete, grinste er, ließ hinter dem Schlitz seiner schwarzen Skimaske einen Goldzahn blitzen und reckte einen Daumen nach oben. „Gute Fahrt, Weißer“, sollte das wohl heißen. „Und viel Glück. Ab hier bist du allein.“ Ich ließ die Kupplung kommen und gab Gas, der Maverick bäumte sich auf und stürzte sich auf die schnurgerade Straße, die mitten ins Herzen der mexikanischen Hoffnungslosigkeit führte.

Es war ein sengender Dienstag Ende März, der Höhepunkt der Dürreperiode, und irgendwo dort unten, tief drinnen in der Sierra Madre, lagen die „Jardines de México“. Ich zündete mir eine Delicados an und versuchte, mir die Details des Auftrags in Erinnerung zu rufen. Irgendwo in diese Staubwüste hatte ein obskures Konsortium von Investoren einen Park gesetzt. Nicht irgendeinen Park… Es war der größte Blumengarten der Welt, die Insel Mainau Mexikos, und ich sollte mir die Sache ansehen und eine Reportage darüber schreiben. Seit drei Wochen versuchte ich, irgendjemanden dort für ein Interview zu erreichen, aber das einzige, was ich bis jetzt bekommen hatte, war die dünne Email eines Typens namens Ricardo Gonzalez, der mir versicherte, dass meine Anfrage demnächst einem „Presserat“ zur Entscheidung vorgelegt werden würde. Ricardo war der einzige Ansprechpartner, den ich zu greifen bekam, und bis jetzt hatte er alle erdenklichen Einwände vorgeschoben, um mich nicht zu empfangen. Rief man unter seiner Nummer an, kam man bei einer Hotline raus: „Wählen Sie die 1 für Events, die 2 für das Restaurant…“ Der Typ im Restaurant brummelte unverständliches Zeug, dann knackte es, und die Leitung war tot. Also hatte ich beschlossen, auf eigene Faust runter nach Morelos zu fahren, den Garten zu suchen und persönlich mit dem Burschen zu reden.

Die Gegend, in der der Garten liegen sollte, war ein heißes Pflaster und seit Jahren fest in der Hand des organisierten Verbrechens. Der Narco hatte das Land ausgeblutet. Seit die Drogenkrieger von Presidente Calderon fünf Jahre zuvor ein paar Panzergranaten in das Luxusapartment des lokalen Drogenbarons Arturo Beltrán Leyva gejagt hatten, war dort unten das Chaos ausgebrochen. Marodierende Banden hatten die Provinz in ein Chaos aus Erpressung, Blutgeld und Mord geworfen, skrupellose Gangs, die sich alle paar Wochen neu formierten aus korrupten Polizisten, übergelaufenen Marinesoldaten, den Überbleibseln des Leyva-Kartells und jeder Art von Schwerverbrechern, Gelegenheitsdieben und gewöhnlichen Sadisten, die sich für ein paar hundert Pesos anheuern ließen – menschlicher Brennstoff, der den Drogenkrieg weiter am Laufen hielt. Auf dem Beifahrersitz lag die neueste Ausgabe des „Diario de Morelos“, einer billigen Gazette, die davon lebte, die fotogenste Leiche des Vortags auf ihrer Titelseite zu präsentieren. Der Rest waren abgeschriebene Pressemitteilungen, Klatsch, ein ausgiebiger Sportteil und eine Kleinanzeigensparte, die vor allem von Nutten genutzt wurde. „Geschält wie eine Ananas“, stand dort in großen Buchstaben unter dem Bild eines blutigen Schädels, von dem jemand die Haut abgepellt hatte. Und jeder wusste, dass die Kartelle dergleichen taten, bevor sie einem den Gnadenschuss gaben.

Aber davon war nun nichts zu spüren. Es war fast Mittag und über zwanzig Kilometer lagen noch vor mir. Der Wagen rauschte über die schnurgerade Teerstraße, die alte Landstraße nach Acapulco, die durch eine öde Landschaft aus Brachland und Zuckerrohrfeldern führte. Der ausgetrocknete Boden war von breiten Rissen durchzogen, die die nahende Regenzeit herbeiflehten wie der klaffende Mund eines in der Wüste verdursteten Chicanos. Eine Woche mehr ohne Regen, dachte ich, und die Kartelle werden noch anfangen, dem Regengott Opfer zu bringen. Ich nahm noch einen Schluck aus der Flasche, die ich im letzten Dorf gekauft hatte, eine durchsichtige Glasflasche ohne Label, in der Mezcal schwappte, das Feuer der Sierra Madre. Nur ein Schluck davon und dein ganzer Körper stand in Flammen, ein wildes Brennen, das sich im Mund entfachte und dann in heißen Wellen durch den ganzen Körper fraß, bis es dir in sengenden Schweißperlen übers Gesicht lief. Aber dann stellte sich die Ruhe ein, eine amphibienhafte Konzentration auf das nächste Ziel, die nächste Hürde, die nächste Bodenschwelle, die genommen werden musste, immer einen Fuß auf der Kupplung und eine Kippe in der Rechten, bereit, beim kleinsten Anzeichen auf die Bremsen zu steigen und in den Ersten runter zu schalten.

Die Landstraße führte durch eine endlose Reihe von Dörfern, die einander glichen wie die Perlen einer Kette. Es begann mit einer Bodenschwelle kurz vor dem Ortseingang, die immer im Schatten des einzigen Baumes weit und breit lag, sodass man sie erst dann erkannte, wenn man fünf Meter vor ihr mit Vollgas auf sie zuraste – und dann blieb nur, mit beiden Füßen in die Eisen zu steigen, um einen Achsenbruch zu verhindern. Dahinter lag die Reifenwerkstatt, der Autofriedhof mit den Skeletten der ausgenommenen Unfallwagen, aus denen mannshoch das Unkraut wucherte, dann lange Mauern mit aufgemalten Anzeigen, die für Konzerte warben – in Städten, die zwanzig Kilometer weiter nördlich lagen. Dann die ersten Menschen vor der die Tortilleria, dickwanstige Frauen mit dunkler Haut und zu viel Schminke nur mühsam die strengen Züge und die tiefen Falten verbergend, die das harte Leben der Hochebene in ihre Gesichter gegraben hatte. Ein Dorfladen, vor dem Männer im besten Alter hockten und eine ewige Siesta hielten, in Unterhemd und mit Silberkettchen. Dann die Metzgerei, vor der die Schweinehälften in der prallen Sonne hingen, die Cocina Economica, die Estetica Unisex, der Salón de Belleza, die Dorfboutique mit knallbunter Plastikmode, wo sich die eindeckten, denen nichts anderes blieb, als der Hoffnungslosigkeit etwas Farbe entgegenzuhalten. Das beste Geschäft am Ort war meist das Pfandleihhaus einer der großen Ketten, und davor standen dicke Boxen und dröhnten die Sonderangebote in die Mittagshitze. An die Hauswände waren die Anzeigen der Parteien gemalt, Werbung für die bevorstehenden Wahlen zum Landtag von Morelos, deren Star der ehemalige Fußballprofi Cuauhtemoc Blanco war, der für eine Millionenablöse vom Zweitligisten CD Veracruz zum Partido Social Democrata gewechselt war und neuer Gouverneur werden sollte.

Am Ortsausgang standen düstere Cantinas, speckige Salons, hinter deren Schwingtüren das letzte Stück Hoffnung zu Grabe gesoffen wurde und an der Hauswand daneben der blaue Kreis mit dem doppelten A der Anonymen Alkoholiker. Dahinter standen nur noch die Kasernen der Mormonen und Zeugen Jehovas, neben windschiefen Bordellen, verlotterte Puffs, vor denen schmerbäuchige Madrinas im Schatten saßen und rauchten und sich müde Luft zufächelten.

Die Gärten sollten irgendwo in der Nähe des Tequesquitengo-Sees liegen, einem Ausflugsziel, das in den 80ern mal zu einiger lokaler Berühmtheit gelangt war, als jemand auf die Idee kam, dort Wasserski anzubieten. Die Seite der Tourismusbehörde wusste über den Ort nicht viel mehr zu berichten, als dass es der einzige Urlaubsort in Morelos sei, der nicht ans Linienbusnetz angeschlossen war. Ich nahm noch einen Schluck Feuerwasser und rollte raus auf die Abfahrt zum See. Weiter unten konnte man das Wasser erkennen, eine Träne in der Landschaft, und obwohl ich mittlerweile nah dran sein musste, war nirgendwo ein Hinweis, dass hier irgendwo der größte Garten der Welt auf Besucher wartete. Nur Bauruinen, Land zu verkaufen. Es sah nicht so aus, als blühe hier der Tourismus oder irgendwas sonst, außer dem verzweifelten Verlangen, wegzuziehen. Ein abgerissenes Motel warb mit dem Angebot, für hundert Pesos drei Stunden in seinem Inneren zu verbringen, davor pennte ein Gärtner in seiner Schubkarre. Nach einer halben Stunde hatte ich den See umrundet und stand wieder an der Auffahrt zur Landstraße nach Acapulco. Die Sonne stand mittlerweile senkrecht. Ich beschloss, noch eine Runde zu drehen und an einem der Tante-Emma-Läden nach dem Weg zu fragen. Zum zweiten Mal kam ich in die Siedlung mit dem Bumshotel. Hinter einer Kurve lag der Laden „Los Tres Hermanos“, ich fuhr auf den Seitenstreifen und bremste, wartete bis sich der Staub etwas verzogen hatte und sprang aus dem Auto. Auf dem Fahrersitz konnte ich eine detailgenaue Kopie meines Rückens erkennen, gemalt mit meinem eigenen Schweiß. Mir war noch nicht klar, wie, aber ich wusste, dass Ricardo mir das büßen würde. Die Straße lag ausgestreckt in der Mittagshitze, nur ein paar haarlose Straßenköter, die müde den Kopf hoben und halbherzig die Zähne fletschten, als sie mich kommen sahen. Und auch wenn weit und breit niemand zu sehen war, spürte ich die misstrauischen Blicke in meinem Rücken, die meinen Schritten folgten, den Schritten des einzigen Gringos im Dorf.

Vor der Ausfahrt stand ein Schild, das den „Aqua Ski Wake Shop“ und das Restaurant „Sol y Sombra“ ankündigte, die Abfahrt zu einem Kaff namens Xoxocotla sowie die Rufnummer für Notfälle. Nichts verriet, dass sich dahinter auch der größte Garten der Welt verbergen sollte. Ich bog in die Straße ein, folgte einer scharfen Rechtskurve und war überwältigt: Auf einer Anhöhe blühten Palmen und bunte Obstbäume, Pinien wiegten sich sanft im Wind über dem sattgrünen Meer eines perfekt gepflegten Rasens. So musste sich ein Schiffbrüchiger beim ersten Anblick von Land fühlen, ein Verdurstender, der hinter der letzten Sanddüne die blühende Oase erblickt. Die Aussicht war überwältigend und hatte in ihrer Fülle und ihrem plötzlich aufbrechenden Reichtum etwas Paradiesisches: Das hier war der Garten Eden. Ich lenkte den Maverick in die Auffahrt und gelangte auf einen Parkplatz, der so groß war wie ein Fußballfeld und menschenleer. Ich stellte den Wagen in der Nähe des Eingangs ab, zündete mir noch eine Delicados an und war bereit für mein Treffen mit Ricardo.

„275 Pesos.“, flötete das Mädchen hinter der Glasscheibe, das waren knapp zwanzig Euro und das Doppelte von dem, was ein gelernter Arbeiter an einem Tag verdiente. „Ich möchte mit Ricardo Gonzalez sprechen.“, antwortete ich. „Erwartet er Sie?“ – „Er weiß, dass ich komme.“ Die Frau trippelte zu einem Telefon, sprach leise hinein und kam dann wieder zu mir zurück. „Wer möchte ihn sprechen?“, fragte sie schon weniger freundlich. „Airen. Für die „Welt“ aus Deutschland“.

Keine Minute später ging eine Tür neben der Kasse auf. Da stand er, Ricardo, jünger als ich erwartet hatte, keine 30, braune, ledrige Haut, das Gesicht… Nein, es war kein freundliches Gesicht, das waren Haifischzähne, die nur darauf warteten, jeden Moment aufzuschnappen und zuzubeißen. Er gab mir die Hand und sah mich fragend an.

„Ricardo“, sagte ich, „Ich versuche seit drei Wochen, ein Interview mit dir zu bekommen. Und nun dachte ich, im Guten oder im Bösen, weisst du… also… hier bin ich!“ – „Ja, ich habe Sie erwartet.“ Der Kerl log, ohne mit der Wimper zu zucken.

Ricardo führte mich hinein, ein kühler Bau, ein langer Gang, an dessen Ende sein Büro lag. Wir klärten die Formalitäten, dann händigte er mir ein Besucherschild mit der Nummer 31 aus und führte mich hinaus. Wir bogen in einen weißen Kiesweg ein, der von dichten Palmen gesäumt war, unter denen ein künstlicher Bach plätscherte. „Wir sind hier im Tropengarten“, begann Ricardo und zeigte auf eine Gruppe von Mangobäumen. „Insgesamt stehen hier über 15.000 Bäume. Die Pflanzen werden alle drei Monate ausgetauscht und den Jahreszeiten angepasst. Zusammen macht das 193 Millionen Blumen im Jahr. Hier vorne“, sagte Ricardo und zeigte auf ein Marmorportal, „hier vorne beginnt der italienische Garten.“ Der Anblick war beeindruckend: Eine akkurat geschnittene Anlage, von weißen Marmorwegen durchzogen, dazwischen Brunnen, aus denen Skulpturen römischer Gottheiten ragten. „Der Marmor wurde extra aus Carrara in Italien importiert und in den USA poliert.“, erklärte Ricardo. „Die Kosten für den Garten müssen immens gewesen sein.“, stellte ich fest. „600 Millionen Pesos.“, antwortete Ricardo. „Der Besitzer der Anlage ist Victor Sánchez Ayala“, sagte ich. „Ein Pharmaunternehmer aus Michoacán, der mit einem riesigen Korruptionsskandal in Verbindung gebracht wird.“– „Der Besitzer der Anlage ist die Interlamex S.A.“, korrigierte Ricardo. Der Ton seiner Stimme war schlagartig schärfer geworden und ich konnte spüren, wie er mich hinter den Gläsern seiner Sonnenbrille fixierte. „S.A., eine Sociedad Anónima.“, sagte ich. „Woher kennen sich die Jungs? Wer steckt da dahinter?“ Ricardo setzte ein Lächeln auf, drehte die Hände zum Himmel und erklärte: „Es ist eine Sociedad Anónima.“ - „Es weiß also niemand, woher das Geld kommt?“, hakte ich nach. Ricardo nahm sein Lächeln nicht von mir, antwortete aber nicht. Mittlerweile waren wir am japanischen Garten angekommen. Die Luft hier war kühler, ein sorgfältig geharktes Kiesbett lag neben beschnittenen Nadelbäumen im Schatten meterhoher Bambushalme. Von weitem erkannte ich ein amerikanisches Ehepaar. Die ersten Gäste, die ich seit meiner Ankunft gesehen hatte. „600 Millionen Baukosten, dutzende Gärtner und ein Haufen Leute bei euch in der Administration. Bisher habe ich aber kaum Gäste gesehen. Seid ihr zufrieden mit dem Erfolg?“ Ricardo überlegte einen Moment. „Wir legen gerade eine neue Marketingstrategie auf.“ – „Eine neue Marketingstrategie?“, unterbrach ich ihn. „Ihr macht null Werbung, versteckt euch vor der Presse und auf dem Weg hierher war nicht ein einziges Schild zu sehen, das auf den Park hinweist. Was ist das für eine Strategie?“ -„Nun, wir legen ein verstärktes Augenmerk auf das Direktmarketing, zum Beispiel verteilen wir Coupons in Einkaufszentren in Cuernavaca. Unsere Zielgruppe sind letztlich alle.“ – „Alle, die sich 1000 Pesos für einen Wochenendspaziergang mit ihrer Familie leisten können.“, gab ich zu bedenken.

Zu beiden Seiten des Weges erstreckten sich nun weitläufige Blumenrabatten. Die Pflanzen waren in geometrischen Formen angeordnet und glänzten in den unterschiedlichsten Farben. Das Feld war leicht abschüssig, am Horizont erhoben sich die Berge der Sierra Madre. Der Anblick war bizarr, das hier war eine gigantische Disneywelt hinter den sieben Bergen, und niemand war da, um sie zu bewundern. Es hatte etwas von dem Palast eines einsamen Kaisers, der zurückgezogen und nur von seinen Bediensteten umgeben in seinem Reichtum schwelgt.

Ricardo nahm eine Abzweigung und wir betraten eine gewaltige Glaskuppel. Hier standen mannshohe Kakteen, dahinter Kugelkakteen und knorrige Feigenbäume. Alles war trocken, staubig und lebensfeindlich. Das war der einsamste Garten der Welt, weit und breit keine Sau, der perfekte Ort, um ein Verbrechen zu begehen. „Vielleicht ist das nicht der größte Garten der Welt“, dachte ich laut, „sondern die größte Geldwaschanlage der Welt?“ Ricardo verzog gequält das Gesicht. „Ja“, dachte ich. „Ricardo, wo sind deine Zähne jetzt, wo bleibt dein Lächeln, mein Freund?“ – „Der Garten wurde erst vor einem Jahr eröffnet“, antwortete er. „Seien Sie sicher, dass wir im nächsten Jahr den Break Even erreichen werden. Letzten Monat hatten wir ein Konzert mit Pablo Montaner, dem berühmten Ranchero-Sänger. Es war ausgebucht, lieber Airen.“ Ein Elektrowagen surrte lautlos vorüber. Die Spannung war nun zum Greifen, und wenn sie auch von einer oberflächlichen Freundlichkeit verdeckt wurde, hatte der Rundgang etwas von einem James Bond-Film, in dem der Bösewicht den Agenten ins Herzen seiner Anlage führt und all das beiläufige Geplänkel nur den bevorstehenden Showdown einleitet. Jeden Moment konnte einer der Gärtner einen Wurfstern zücken und sich auf mich stürzen, um mich in einem der Fischteiche zu ertränken.

Ricardo nestelte nervös an seinem Funkgerät und bugsierte mich ins Konferenzzentrum. Eine imposante Holzpyramide, haushoch, mit Bambusstäben vertäfelt. Unsere Schritte hallten von der Decke wider, als wir das Parkett überquerten und Ricardo sich über die Vorzüge des Veranstaltungsangebots ausließ. Wer wollte, konnte hier heiraten, ohne dass es jemand mitbekam. Ich fragte mich, wie ich jemals wieder hier rauskommen sollte. Ich war zum falschen Zeitpunkt erschienen und hatte die falschen Fragen gestellt. Ich war vollkommen fehl am Platz mit meinem Versuch, eine Story über dieses Monstrum zu schreiben. Plötzlich wurde es dunkel in der Halle, aus allen Ecken kamen hastige Schritte, etwas fiel zu Boden und mir wurde schwarz vor Augen.

Ich kam im Maverick zu mir, nassgeschwitzt, an meinen Notizblock geklammert. Es war spät am Nachmittag, jemand hatte einen Haufen Broschüren auf meinem Schoß deponiert und die Flasche Mezcal ausgetrunken. Dann fiel mein Blick auf das Foto. Irgendwer hatte es auf dem Beifahrersitz hinterlassen: Ein Bild, auf dem ich im Schatten einer riesigen Blumenskulptur ein Eis am Stiel in die Kamera hielt. Wo war das? Wer hatte es aufgenommen? Ich muss weg hier, dachte ich, ließ den Motor an und fuhr los, vorbei an der Plastikkuppel und den Palmen und den Obstbäumen, die in der untergehenden Sonne glänzten. Ein letztes Mal ließ ich meinen Blick über diese bizarre Oase der Misswirtschaft schweifen. Ein fantastischer, wunderlicher Ort, dachte ich und bog auf die Landstraße nach Cuernavaca ein. Aber wo die Menschen noch Gärten bauten, gab es vielleicht noch Zuversicht, dass dereinst auch in Mexiko die Hoffnung wieder blühen könnte.