Nachtcafé

Feuilleton
zitiert nach: Hans Bender [Hrsg]: Klassiker des Feuilletons, Stuttgart 1967. S. 107-108.

Was ist ein Nachtcafé?! Etwas Unverlogenes. Die Mädchen wollen leben, und nicht Frondienste leisten, nicht Schaffel reiben und Nachttöpfe fremder Menschen reinigen, solange sie noch entzückende Leiber haben. Sie wollen sich andererseits betrinken, um zu vergessen, daß das alles nicht so weitergeht ad infinitum. Sie stehen vor stündlichen Gefahren, müssen sich berauschen an irgend etwas, um sich Mut zu machen für die Schlacht des Lebens! Niemand behandelt sie nach ihres jungen Herzens Wünschen! Infolgedessen rächen sie sich, wie sie es können, bald so, bald anders! Heimtückische, feige Marodeure sind nur die Männer! Eine, der ich in Briefen meine tiefste Sympathie, mein gerechtestes Verständnis bewiesen hatte, sagte dennoch: „Du mußt mir die zwanzig Kronen im vorhinein bezahlen - - -! Wir haben es leider gelernt, selbst romantisch veranlagten Dichtern nicht mehr zu trauen —!“

Die Damenkapelle ist eine Oase. Sie sind verheiratet, Bräute, oder sonst treu irgend jemandem. Sie haben ein konsolidiertes Schicksal. Sie haben irgend etwas gelernt, wodurch man sich weiterbringt. Sie haben sich der Lebensordnung eingefügt. Ob sie glücklicher sind, nicht anderen Enttäuschungen, Gefahren ausgeliefert?!? Zwei Welten, hart aneinander, einander gleich in ihren schweren Kämpfen. Keine Damenkapelle ohne diese Hetären, keine Hetären ohne diese Damenkapelle! Nur die Männer sind das perfide Element. Sie möchten alle zusammen unglücklich machen, ihre ewig hungrigen Eitelkeiten mästen mit den unglückseligen Blicken verliebter Frauen! Damenkapelle oder Hetäre gilt ihnen gleich, ihre innere rohe Leere mit einem liebevollen dummen Frauenherzen auszufüllen —!

Nachtcafé, du kleine miserable Welt, du Abbild der großen, noch viel miserableren!