Damen, die ich kannte (VII) – Prinzessin Pattamandadda Yukol (Nui)
Keine Tiara, sondern ein verwaschenes T-Shirt, eine Herrenhose vom Flohmarkt und eine selbstgedrehte Zigarette im Mundwinkel. Barfuß sucht Nui den Boden vor der Produktionsfirma Big Blue nach ihren 1-Euro-Flip-Flops ab. „They used to be green, but that was a long time ago.“ Sie zieht ein Paar gelbe Adiletten von jemand anderem an und zündet sich ihre verbogene Selbstgedrehte an. Ihre Haare trägt sie jetzt kürzer, asymmetrisch wie ein 17-jähriger Skater.
Nui schneidet Filme: große Leinwandepen, sensible Kurzfilme und heute mir mir einen Werbefilm für Kosmetik. Als Nui vor 43 Jahren in Los Angeles geboren wird, studiert ihr Vater Prinz Chatricherm Yukol (Than Mui) – direkter Nachfahre von König Rama V – mit Francis Ford Coppola an der UCLA. Sie wächst in Thailand und Neuseeland auf. Nach der High School kommt sie wieder nach Bangkok und modelt, ihr kantiges Gesicht und ihr knabenhafter Körper passen gut in weite Herrenanzüge mit breiten Schulterpolstern und zur Musik von Grace Jones und Annie Lennox. Eine Freundin der Familie – ebenfalls eine Adlige – bringt ihr das Schneiden am Steenbeck bei, dem analogen Filmschneidetisch.
Dann lernt sie Pen-Ek (der Vorname lässt sich mit „Number One“ übersetzen) Ratanaruang, den Autorenfilmer Thailands, kennen. Die beiden werden für einige Jahre ein Paar, sie schneidet unzählige seiner Commercials und 1997 seinen ersten Spielfilm „Fun Bar Karaoke“, der auf der Berlinale Weltpremiere hat. „It was horrible, cold and grey. I’m not jeen on going back there. Pen-Ek loved it.“
Vater Than Mui entwickelt inzwischen – finanziert vom thailändischen Königshaus – den Historienstreifen „Suriyothai“, die Geschichte der siamesischen Kreigskönigin im 16. Jahrhundert. Die 15-jährige Thronfolgerin muss zwischen Liebe und Vaterland entscheiden: riesige Schlachten, barbusige Amazonen auf Elefanten reitend, die mit Pfeil und Bogen burmesische Aggressoren vertreiben. Viel Gold, viel Rot, viel slow-motion. Die teuerste thailändische Produktion aller Zeiten. Die Darstellerin (ebenfalls aus dem Königshaus) hat noch nie vor der Kamera gestanden und sieht im Film immer ein bisschen so aus, als warte sie darauf, dass der Regisseur endlich mal „Action!“ ruft. Endlose Dreharbeiten, Teamverschleiß. „Suriyothai“ wird Than Muis „Apocalypse Now“. Er wirft ganze Szenen nach monatelangem Dreh in den Müll, weil ihm eine Wolke am Himmel nicht gefällt. Keiner beschwert sich, denn es ist ein königliches Projekt.
Nui schneidet das Dreieinhalb-Stunden-Epos. Keiner versteht die Handlung. Schulklassen werden in die Matinee-Vorstellungen gekarrt, um die Zuschauerzahlen hochzubekommen. Der thailändische Markt ist zu klein, um den Film rentabel zu vermarkten.
Than Mui haut seinen alten Freund Coppola an. Nui geht also ins Napa Valley zu Zoetrope Studios, schneidet die vielen Nebenfiguren raus: „They all looked the same.“ Und dann kommt Michael Douglas und liest die ganze Geschichte mit sonorer Stimme als Voiceover drüber. Dort trifft Nui auch einmal Sofia Coppola. „She is like Hollywood Royalty. I felt she looked down on us, we were just these weird Third World people.“
Dieses Jahr läuft Pen-Eks fünfter Film „Invisible Waves“ in Berlin im Wettbewerb. „It’s a film noir, his darkest movie. Have a look and tell me what you think.“ Langsam schlurft sie in den gelben Adiletten zu ihrem Toyota Pick-Up und winkt über ihre eckige Schulter zurück.