»The Life Naija«

»The Life
Ghanatic«
Tagebuch

1.11.

Endlich die daumenlange tote Kakerlake weggekehrt, die seit drei Tagen vor dem Kleiderschrank lag und mich jedes Mal wieder erschreckt hat, wenn sie sich in mein Blickfeld schob.

Das zweite Biest, das unter dem Badregal verendet ist, räumt Esther mit ihren eiskalten vier Jahren weg, indem sie es am Fühler packt und in den Müll wirft. Dann fragt sie, ob sie das kleine Vogelei mit der marmornen Schale, das wir ohne eine Spur des dazugehörigen Nestes im Hof gefunden haben, kaputtmachen darf. Ich rufe »Non!«, sie holt mit geballter Faust aus und eine rotbraune Flüssigkeit rinnt ihr durch die Finger.

Seit kurzem ist klar, was der dreistöckige Rohbau gegenüber wird, durch den jetzt noch die untergehende Sonne auf den Hof fällt: eine Kirche. Eine Überraschung ist das nicht gerade. Geil aber auch nicht. Goil heißt übrigens das staatliche Ölunternehmen mit den hübsch modernistischen, orangefarbenen Tankstellen. Ich muss dabei immer an süddeutsche Teenager denken: »Goil, Oider!«

Dann fällt zum zweiten Mal am selben Tag der Strom aus. Vor zwei Jahren noch ging der Rhythmus, der sicherstellen sollte, dass die nicht in ausreichender Menge produzierte Energie länger reicht, so: 24 Stunden Strom, dann 12 Stunden kein Strom, dann 12 Stunden Strom, dann 24 Stunden kein Strom. Als das Licht nach einer halben Minute wieder angeht, kann man ein paar Kinder jubeln hören.

31.10.

Die Geschichte mit den Träumen also schon wieder. Sie scheint Schulstoff zu sein.

In der frühabendlichen Rushhour im vollbesetzen Trotro setzt sich einer mit Hemd und lederner Aktentasche neben mich, sagt: »Good Evening«, comme il faut. Nach kurzem Smalltalk über unsere jeweiligen Fahrziele und Berufe (er arbeitet in einer Firma für medizinischen Bedarf), fragt er mich, ob ich an Gott glaube. Ich antworte wahrheitsgemäß.

- Warum nicht?

- Weil ich nicht mit der Kirche aufgewachsen bin.

- Gehst du irgendwo anders hin, um zu beten?

- Nein. Er zuckt ganz leicht mit dem Kopf, wie um eine Fliege zu verscheuchen.

- Lass mich dich etwas fragen: Wenn du einen Apfel isst und den guten Geschmack der Frucht auf deinen Lippen spürst, wem hast du das zu verdanken? 

- Dem Apfelbauern. Und den Äpfeln, die ich früher schon mal gegessen habe. 

- Das ist nicht, was ich meine. Wer hat den Apfel gemacht? Wo kommen wir Menschen her?

- Den Apfel haben der Apfelbaum und die Bienen gemacht. Wir haben uns aus den Affen entwickelt. Wissenschaftler nennen das Evolution.

- Aber vorher stammen die Affen? Und woher kamen Adam und Eva?  fragt er und antwortet praktischerweise gleich selbst. Der Herr hat sie geschaffen. 

- Ah, du willst also ganz an den Anfang zurückgehen, na schön. Ich glaube nicht daran, dass es diesen Herrn gibt, von dem du sprichst. Wir haben uns aus den Affen entwickelt, die sich aus Tieren im Wasser entwickelt haben. Das Wasser kam wahrscheinlich durch eine Art großer Explosion in die Welt.

- Wenn du nachts schläfst: Wer gibt dir deine Träume, wohin geht deine Seele und wer bringt sie dir am Morgen zurück, sodass du wieder aufwachst?

- Es fängt damit an, dass ich nicht an eine Seele glaube. Sie kann also auch nirgends hinverschwinden. Meine Träume macht mir mein Gehirn.

Es ist so: Du kannst Christ sein, du kannst Moslem sein. Du kannst Christ sein und in die Moschee gehen, oder Muslima und in die Kirche. Du kannst Christin sein und einen Moslem heiraten, oder Muslima und einen Christen heiraten, und das passiert gar nicht selten (Hauptsache, du heiratest, insh’allah). Aber keinen Gott haben: Ist nicht vorgesehen, kommt schlicht nicht vor. Ist aber noch kein hinreichender Grund, um unfreundlich zu werden. Aber es ist auch gut möglich, dass er a) mich für komplett irre hält oder b) denkt, damit jetzt den Gedanken-Samen gepflanzt zu haben. Das kann ich bedauerlicherweise nicht mehr herausfinden.

- Jetzt hast du vergessen an deiner Haltestelle auszusteigen. Aber wenn du ein Stück die Straße zurückläufst, fährt da das Trotro nach Osu.

- Oh, vielen Dank. Hab‘ einen schönen Abend.

30.10.

Auf Facebook auf einen südafrikanischen Diskussionsstrang gestoßen namens OK, White People: Ask Black People The One Question You Always Wanted To Ask.

»Warum geht ihr an den Strand, um Selfies zu machen - aber nie ins Wasser?«

»Wir können nicht schwimmen. Und wer zahlt mir den Friseur? Unsere Haare sind hinterher ruiniert.«

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»Warum fragt ihr jede Frau, die an euch vorbeiläuft, nach ihrer Nummer?«

»So wahr! Wir schwarzen Frauen sind damit aufgewachsen. Am Anfang haben wir uns falsche Namen ausgedacht, die zu kompliziert waren, um sie aufzuschreiben. Da sind sie dann lieber einfach weitergegangen. Aber bald reichte das nicht mehr. Also haben wir ihnen die Nummer vom Krankenhaus gegeben und behauptet, dass sei unsere Festnetznummer. Aber auch das haben sie irgendwann durchschaut und darauf bestanden, uns an Ort und Stelle anzurufen. Jetzt haben wir auch keine Ideen mehr!«

»Für uns ist das ein Glücksspiel. Eine von hundert Frauen sagt ja!«

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»Glaubt ihr wirklich, dass alle Weißen reich sind?«

»Ja, weil ihr euch beschwert, dass ihr kein Geld habt, selbst wenn ihr einen Job habt, fließend Wasser und Strom.«

»Schuldig im Sinne der Anklage! Ich hab den Schock meines Lebens erlitten, als ich das erste Mal einen weißen Bettler gesehen habe.«

»Hör bitte auf uns zu irritieren! Wir wissen einfach, dass alle Weißen reich sind!«

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»Warum lächelt ihr nicht zurück? Wenn ich lächle, bedeutet das, dass ich euch wahrgenommen habe (außerdem ist es Ausdruck meines guten Benehmens). Wir trainieren das jahrelang auf Schönheitswettbewerben. Bitte lächelt zurück!«

»So sehr wir ein Lächeln schätzen, verstehen wir es so einfach nur als Beleidigung. Man lächelt nicht einfach jemanden an, den man das erste Mal sieht oder trifft. Sag Hallo und lächle, wenn du grüßen willst.«

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»Warum altert ihr so gut? Wo steht dieser verdammte Jungbrunnen, aus dem ihr trinkt?«

»Melanin. Dicke Schichten Vaseline, jeden Tag. Und wir beten euren Sonnengott nicht an.«

»Gott wusste, dass wir uns keine teuren Pflegeprodukte würden leisten können, also hat er uns die pflegeleichte Haut gegeben.«

»Ihr habt uns unseren Grundbesitz weggenommen, jetzt wollt ihr auch noch den Jungbrunnen?!«

29.10.

Auf halber Strecke fällt mir ein, dass ich zwar die Passfotos und den Gelbfieber-Ausweis bei mir habe, aber den Pass vergaß. Aha, so weichgekocht ist mein Gehirn also schon. Aussteigen aus dem Trotro, kurz im Koala-Markt vorbei, denn wo ich schon mal hier bin, kann ich gleich einen Liter Milch kaufen, so etwas gibt es nur in den großen Supermärkten. Das nächste Trotro zurück (die Benzinpreise sind gestiegen. Statt 1,80 kostet die Fahrt jetzt auf einmal 2,80 Cedis, deutlich mehr als eine Ananas am Straßenrand, aber nur ein Fünftel so viel wie ein Liter europäische Milch), die zehn Minuten Fußweg zurück zum Haus. Nach einer Stunde bin ich wieder auf dem Weg. Zwei Liter Wasser leichter.

Christian schickt einen Wetterbericht aus Los Angeles, wo kurzzeitig 38 Grad sind. Das sticht meine gefühlten 39 Grad, er gewinnt. Ich weiß nur nicht genau, ob das Spiel Wer hat’s besser? oder Wer leidet mehr? heißt.

Die Botschaft von Burkina Faso liegt in meinem neuen Lieblingsviertel, Asylum Down. Ich war hier noch nie, aber der brutale Name! Es ist nach der Nervenklinik darin benannt. Das teuerste Viertel der Stadt mit den 6000-Dollar-Monatsmieten heißt Airport Hills und liegt in unmittelbarer Nähe derselben. Nimm das, Pankow! Ich treffe eine halbe Stunde vor Feierabend in der Botschaft ein; das Besucherbuch, in das ich meinen Namen und Telefonnummer krakele, weist mich als zwölfte Besucherin des Tages aus. Ich könnte direkt reingehen, sagt der Sicherheitsmann. Die beiden Damen von der Visa-Abteilung sitzen in einem in seiner Gesamtheit windschief anmutenden Raum, in dessen Rückwand ein koffergroßes Radio eingemauert wurde, arabisches Fabrikat, circa 1959. Das Kabel baumelt lose neben der vergilbten Steckdose. An der Decke lärmt der Ventilator. Diejenige, die mein Anliegen bearbeitet, stoppt meine Fragen mit einem Lächeln, sagt: »My Englisch is small-small«. Während ich den Wisch ausfülle und das Geld zusammenzähle, unterhält sie sich mit ihrer Kollegin auf Französisch über Haushälterinnen. Morgen früh ab acht Uhr könne ich meinen Pass abholen. Nimm das, Bezirksamt von Berlin-Mitte. Erst als ich wieder auf der Straße stehe, fällt mir auf, dass ich vergessen habe, die Botschaft darüber zu informieren, dass ihre Website offline ist.

Als es dunkel geworden ist in Asylum Down, nehme ich ein Taxi zurück. Der Fahrer, er sieht aus wie höchstens 19, kennt Teshie nicht. Auf meine Frage nach dem Preis kann er mir deshalb auch nichts antworten. Ich sage, ich könne ihm zeigen, wo es langgeht. Mein Handy ist zwar tot, aber ich weiß den Weg. Er biegt jedoch falsch ab. Statt nach Osten aus der Stadt heraus, fahren wir in die entgegengesetzte Richtung immer weiter ins Zentrum. Was ich anmerke. Er beharrt auf seinem blöden Nichtwissen und versucht, Autorität durch Draufgängertum zu simulieren, hupend mit Tempo 80 auf der Schlaglochstraße. Wobei ich die Geschwindigkeit schätze, der Tacho ist kaputt. Als wir das dritte Mal den großen Kreisverkehr am Stadium nehmen, immer noch zehn Kilometer vom Ziel entfernt, brülle ich. Irgendwann sagt er: »Ich weiß den Weg jetzt, Ma’am«. Jetzt ma’amt er mich auch noch. Am Ende werden wir eine Stunde herumgekurvt sein, verdient hat er wohl nichts an mir. Aber so weiß ich jetzt, dass von Nescafé gebrandete Fahrräder im nächtlichen Usshertown Instant-Espresso in kleinen Pappbechern verkaufen und dass sich die Prostituierten von Osu vor der Filiale der Societé Generale aufreihen.

27.10.

Als die Damen-Gang dem Chief ihr Tänzchen darbringt, beglückwünsche ich mich selbst für mein zufällig mal sehr gutes Timing.

Aburi liegt auf 450 Metern im Hochland. Sein Botanischer Garten mit den handgeschriebenen blauen Hinweisschildern wird von Schulkindern, Pärchen, Ziegen und Hühnern als öffentlicher Park genutzt. Er steht voller enormer Palmen und Kakaopflanzen, zwischen denen Libellen und daumennagelgroße Schmetterlinge umhersirren. Der zerbeulte, ausgeweidete Hubschrauber, der kommentarlos auf dem zentralen Rasenstück hockt, verleiht dem Ganzen einen Hauch von Platoon.

Als ich gerade die Lianen beschaue, hält einer, der sich als Kofi vorstellt, mit seinem Motorrad neben mir. Er ist schon der dritte Kofi, den ich kennenlerne. Alle an einem Freitag geborenen Männer heißen Kofi, unter anderem. Statt sich wie üblich nach meinem Beziehungsstatus zu erkundigen, fragt er, ob ich wegen des jährlichen Odwira-Festivals hier sei. Er sei Mitglied der königlichen Familie der Stadt und könne mir bei der Begrüßungszeremonie, dem durbar, unten beim chiefs palace einen Platz im Publikum verschaffen, kein Problem. Er müsse in der Zeit nur leider ein paar Straßenlaternen reparieren. Ich steige auf – nicht sicher, wie schicklich das nun wieder ist. Egal. Als wir die Hauptstraße hinunterpeitschen, wird Kofi von Passanten mehrmals mit »Honorable!« gegrüßt. Er ist, erklärt er, einer von drei gewählten Bürgermeistern, zuständig für den Norden Aburis.

Auf dem Hof des chiefs palace sitzt sich das festlich gekleidete Publikum schon seit ein paar Stunden unter Sonnendächern gegenüber, auf einer Bühne döst die blau uniformierte Polizei-Band biertrinkend zwischen E-Gitarre, Buschtrommel und Trompete. Das Zentrum der Aufmerksamkeit gilt denen, die am Kopfende des Platzes ein paar Stufen erhöht unter einem anderen Sonnendach sitzen: ein Dutzend Chiefs, Queen Mothers und andere Royals die hier geehrt werden. Die Frauen tragen ausladende Waxprint-Kleider und Kopftücher in jeweils demselben Muster, die Männer bunte Togen aus Stoffbahnen so groß wie Vorhänge, die rechte Schulter nackt, dazu Lagen von Perlenketten und Goldringe, die Harald Glööckler lieeeben würde. Rita Marley, die Witwe von, lebt seit vielen Jahren in Aburi, betreibt ein Aufnahmestudio und wurde mittlerweile zur Queen of Development ernannt, ich kann sie allerdings nicht entdecken. Hinter den Chiefs und Queen Mothers steht eine Viererreihe von Windzufächlern und Schweißabtupfern und tut ihren Job. Drei Trommler fabrizieren mit eispickelförmigen Stöcken drei Rhythmen gleichzeitig, der Moderator macht Scherze, mehrere Kameramänner filmen, einige Handys, sogar der obligatorische betrunkene Volksfest-Querulant ist gekommen.

Der dicke, glatzköpfige Ober-Chief in seiner schweren blau-weißen Toga hält eine Rede, abwechselnd auf Englisch und Akan, in der es um die Ahnen und die Bedeutung von Bildung in der Community geht. Als er fertig ist, klatschen die Leute beherzt und es wird mit Gewehren in die Luft geschossen. Dann ist der jugendlich wirkende Pastor mit der Malcolm-X-Brille dran, der bis eben an seinem Smartphone herumspielte. Er trägt einen scharf geschnittenen dunkelblauen Anzug, einen Kollar und darüber eine dicke, fette Goldkette mit Kreuz. Halleluja und Amen, dann spielt die Polizei-Band flott auf. Einzelne Frau erheben sich, um heiter ein wenig zu tanzen, jede mit sich selbst. Man könnte die Tonspur problemlos durch I Will Survive ersetzen.

Irgendwann betritt eine Fünfergruppe Frauen in ihren Sechzigern und Siebzigern die Szenerie. Wie eine Gang in Meerjungfrauen-Kleidern reiten sie ein, gehen erst händeschüttelnd die linke, dann die rechte erste Publikumsreihe ab, bevor sie sich auf eilig herbeigebrachte Stühle setzen. Eine von ihnen erhebt sich wieder, tritt auf den Platz vor der Chief-Tribüne und tanzt. Hüpft von einem auf den anderen Fuß, dreht sich, macht mit den Armen die John-Travolta-Rolle, dabei den Ober-Chief immer im Blick. Der kuckt zurück, lächelt gütig, macht mit zwei Fingern, mit denen er in Richtung seiner Augen zeigt, die »Ich sehe dich«-Geste, schlägt sich da auf die Brust, wo das Herz sitzt und nickt zufrieden. Im Publikum wird Gefallen mit den in die Luft gestreckten Zeige- und Ringfingern der rechten Hand signalisiert, nur zwei ältere Damen winken ärgerlich mit ihren weißen Taschentüchern ab und schauen demonstrativ in die andere Richtung. Als die Tänzerin zu den anderen zurückkehrt, umarmen die sie und die nächste ist dran.

Nach Einbruch der Dunkelheit geht das Fest zu Highlife auf den Straßen und in den in Neonfarben beleuchteten Spots weiter, an jeder Ecke steht ein anderer Lautsprecher-Berg und übertönt den nächsten. Ich mache mir etwas Sorgen um die Säuglinge, die sich wie immer fest in Tücher verschnürt an die Rücken ihrer Mütter schmiegen und gut durchgeschüttelt werden, wenn die tanzen. Aber da bin ich offenkundig die einzige. Die Babys schlafen oder kucken in der Welt herum.

26.10.

Was nicht fehlt:

Fensterscheiben

herbeigesendete Vorweihnachtsstimmung

Trinken, überraschenderweise. Club, das einheimische Bier, ist gut, macht aber einen irren Kater. Ist wohl normal bei Bier, aber woher soll ich das wissen. Wein gibt es nur in sehr wenigen, sehr fancy Restaurants, Schaumi habe ich noch nie gesehen.

Was fehlt:

F.

Fahrradfahren

Ein kleiner, aber kraftvoller Ventilator mit USB-Anschluss, für eine Gesichtsbrise aus Richtung des Rechnerbildschirmes

Ein Spray mit LSF 70 für tagsüber und Moskito-Schutz für die Morgen- und Abenddämmerung, das sich weder so anfühlt noch so riecht wie Sprühkleber, den man mit zwei bis drei Schichten Schweiß und Staub vermengt hat (Take note, Entwicklungsabteilung von Nivea: Das wäre mal eine gute Idee für ein Produkt, wenn auch mit zugegeben sehr spitzer Zielgruppe. Vielleicht trotzdem besser als eure neue Hautbleichcreme für den westafrikanischen Markt, die seit vergangener Woche mit der ehemaligen Miss Nigeria als Testimonial beworben wird und in den hiesigen intellektuellen Kreisen, sagen wir mal: nicht so richtig gut ankam.)

25.10.

Ich liebe den Laden schräg gegenüber meines Zimmers, aus ziemlich durchsichtigen Motiven: Er hat eine offene Front, drei lindgrüne Wände und ein auf voller Breite der Ladenrückseite eingebautes Holzregal in derselben Farbe. Darin lagern Eiern in quadratischen, flachen Eierkartons, wie sie früher zum Dämmen von Bandproberäumen benutzt wurden. Viele Dutzend Eier, braun und weiß, und nichts weiter. Dazwischen Luft. Es handelt sich um einen angenehm übersichtlichen Laden. Ein Eierfachgeschäft. Vor dem Regal hockt die Ladenbesitzerin auf einem Schemel und sortiert neue Eier in Kartons, die sie dann ins Regal stellt. Das zweite Produkt, das sie im Angebot hat, sind Waxprints. Sie hängen auf der gefliesten Terrasse auf einer Wäscheleine, über einem bis auf ein Bündel Bananen leeren Warentisch. Als ich meine Hand über die gefalteten Bahnen gleiten lasse, fragt sie von drinnen: »Soll ich herauskommen?« Der Ansatz gefällt mir gut. Es ist sonst häufig Brauch, sehr nah beim Kunden zu bleiben – um nicht den hübsch bildlichen Ausdruck breathing down someone’s neck zu benutzen. »Ja, irgendwann schon. Aber ich schaue erst mal.«

Ich schaue erst mal, sie kommt irgendwann heraus, nimmt Stoffe von der Leine, faltet sie auf dem Tisch auf. Ruft etwas in Richtung des Hofs hinter dem Laden. Eine jüngere Frau erscheint, bringt mehr Stoffe. Die Ladenbesitzerin erwähnt, dass sie Näharbeiten in Auftrag geben kann, sie arbeite mit einer guten Schneiderin zusammen. Wie durch Zufall biegt die Gemeinte um die Ecke. »Sie sollte schon um 12 Uhr hier sein«, sagt die Eierfrau. »Jetzt ist es vier, Zufall, na ja.« Aus Richtung des Hofs materialisieren sich ein paar Beispielhemden. Als es um Größen geht und ich die Dimensionen des zukünftigen Hemdenträgers beschreibe, ruft sie wieder etwas in den Hof. Ein junger Mann erscheint, praktischerweise mit nacktem Oberkörper, als hätte er sich schon mal freigemacht. Ich schaue ihn an, kneife die Augen zusammen, sage: »Etwas größer und breiter«. Entscheide mich für je sechs Yards von einem geometrischen türkis-senfgelben Muster und rote Blüten auf Dunkellila, und für zwei Yards von dem Yves-Klein-Blau mit den stilisierten gelben Wappentier-Pferden. Das Hemd, sagt sie, sei morgen fertig.

Als wir noch zusammenarbeiteten, sagte Max mal, nachdem wir eines Tages von Sprüth Magers zu einem Dinner in der Galerie eingeladen worden waren: »Damit haben wir genug geschafft für heute«. Das ist genau, was ich auf dem Weg zurück ins Haus denke.

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