Die Schweiz

Erzählung
zuerst erschienen 2002 in der Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag

Den Cisalpino nach Zürich besteige ich nach Sonnenaufgang in Mailand, außer mir sitzt nur noch ein weiterer Passagier im Abteil. Der italienische Schaffner hat ihm zu seiner Fahrkarte ein Zusatzbillet verkauft, das sich aber hinter der Grenze zur Schweiz als nicht ausreichend herausstellt. „Sie können nicht so ohne weiteres durch die Schweiz fahren“ erklärt ihm der Schweizer Kontrolleur, ein sportlich wirkender Mann mit goldenem Ohrkettchen. „Die Situation ist unangenehm für mich und unangenehm für sie, aber ich bekomme jetzt dreiunddreißig Franken von ihnen – soweit verstehen Sie mich schon?“ Es wird dann etwas unangenehmer, denn meinem Mitreisenden fehlt das nötige Bargeld; auch kennt er sich mit Kreditkarten nicht so gut aus wie unser Kontrolleur, der ihm dann, um mit seiner Arbeit voranzukommen, den Reisepass einbehält bis Zürich, um dort mit ihm „zusammen zum Bankomat“ zu gehen, und die 33 Franken abzuheben.

Aus meinem Fenster sehe ich in die Schweiz. Haufen dampfenden Rindenmulls auf glänzenden Wiesen, Zaunpfähle aus Feldstein, rostigen Draht dazwischen gespannt. Erstfeld, das Hotel „Frohsinnn“ und die aus Felsbrocken gebaute Halle nach Arth-Goldau, deren hohe Fenster, den von dahinter durchleuchtenden Hang, das frische Grün.

Ich denke an das Dahinwürmeln (nicht -schlängeln!) des Zuges auf seiner Strecke durchs Gebirge. Das ständige sich Hin- und Herneigen des Zuges und wie mir spürbar wurde, wie hier jeder Meter Strecke, jeder Quadratmeter Grund dem Fels der Berge abgetrotzt werden musste. Die mir im Augenblick gerade wieder unverständliche Trotzigkeit der Schweizer – lässt sie sich von diesem Abtrotzen her erklären?

Immer wieder gab es während meiner Reise diese erhellten Momente. Dass mir alles klar schien, von einem Bild her, einem Geschmack oder Satz. Und dann aber – mit dem nächsten Moment: Alles wieder wie weggehauen, oder mit neuen Farben überschüttet… Auch diese Jähheit, so dachte ich mir meine Reise über, ist die Schweiz.

Und genauso oft gab es diese Momente oder Phasen der Reise, in denen sich nichts Erzählenswertes ereignete. Und oft waren das die Besten, diese Phasen des reinen Schauens. So weiß ich nahezu nichts mehr von meinem Aufenthalt in Olten. Ich suchte da ein Lokal, um eine Bratwurst mit Zwiebelsauce zu essen, eine Passantin empfahl mir das „Kolping“ an der Ringstraße. Doch dort hatten sie bloß Kalbsleber mit Rösti, dabei lag eine Rispe gartenfrischer Johannisbeeren. Es regnete stark und ausdauernd.

Auf dem Schild an der Tür zur Bahnhofstoilette Olten: „Wegen unerlaubtem Aufenthalt, Nächtigungen, starker Verschmutzung und Vandalismus bleiben die Damen- und Herrentoiletten von 23 Uhr bis 5 Uhr geschlossen. Bei dringender Benutzung wenden Sie sich bitte an…“ Die seltsame Atmosphäre dann auf der mit blauem Licht beleuchteten Toilette. Wie sich einer kämmt.

Die Kioskfrau, die ich nach Schokolade frage, und die präzisierend zurückfragt „Tafelschokolade?“ trägt einen feinen Nasenring zum schwarzen T-Shirt. Meine Erinnerung, wie ich im Urlaub dem Kind erklären musste, warum den Weidebullen ihr Ring an der Nase baumelt: fFlls die einmal wild werden.

Später, in Langenthal frage ich in der Metzgerei Stettler nach dem besten Lokal für eine Bratwurst. Es wird leise. Die Tresenleute versammeln sich und beraten einander flüsternd, fassen einen gemeinschaftlichen Entschluss, den mir dann ihr Metzgermeister so verkündet: „Also! Drüben, das rote Fahrzeug. Dort sehen sie auch Lichter, die brennen - dort!“

Und das Lokal dort, das „Fankhauser“ in der Marktgasse, erteilt mir eine weitere Lehre, nämlich die vom Zusammenhalten, vom Zusammensein und vom Zusammen gegrüßt sein und vom Zusammensein gegrüßt werden. So treten die Gäste, Kellner und der Wirt des „Fankhauser“ mir gegenüber auf. So sitzen sie an den Tischen und servieren mir die köstliche Schweinsbratwurst mit Zwiebelsauce. Und mir, als einzelnem Esser, wird dazu von ihnen ein „Guten (Appetit) zusammen!“ gewünscht.

Während wir essen, höre ich vom Nachbartisch die Erzählung über das Verschwundensein eines Rasensprengers von einem fremden Grundstück hinten am Wald. Stilles Zuhören, zufriedenes Saugen an der Pfeife und jähes Brüllen wechseln einander ab  - in ein und demselben Menschen, einem Schweizer Mann! Und danach sein (mir) übergangslos erscheinendes Aufstehen und Nachhausegehen.

Doch sehr viele Stubenfliegen!

Meine kurze Phantasie über die Schweiz als eine Gemeinschaft von am Tisch Sitzenden, denen nach und nach der Grund um sie herum wegkracht - was sie aber nicht bedroht, sondern ihnen nur neuen Gesprächsstoff gibt.

Im Volkshaus nebenan bietet das Restaurant „Winn Faz“ chinesische Spezialitäten. Daneben, im Felsenschacht, der aufgewühlte, rasch ziehende Bach. Wo sich nach Ladenschluss das Parlament der Gefehlten einfindet: Am Lieferanteneingang des Coop sitzen sie auf Brotkisten; der jeweils Redende steht auf, dreht auch einmal seine Runde über die jetzt leeren, regennassen Parkbuchten, durchs niedere Gebüsch zur Wand gegenüber und danach zurück zu den anderen, die ganze Zeit über mit ihnen redend oder ihnen bloß vortragend.

Beim Verlassen Langenthals: Meine Suche nach Produkten, eigentlich Schokoladen, die gerade an den Bewohnern dieser angeblich durchschnittlichsten aller Schweizer Städte getestet werden. Aber nur der Saft aus Ramsei, die Toggenburger von Käggi, Schokobananen von Munz, Ovomaltine…

Im Zug nach Bern arbeite ich an meiner Theorie zur Ästhetik der Schweiz, dem Verbund. Schon im Wappen, dem weißen Kreuz auf rotem Grund: Verbund aus zwei weißen Balken. Dann: Rüttlischwur, Eidgenossenschaft, Zusammensein („Hoi!“ oder „Salü“ zusammen…) et cetera. Aber auch in der Architektur, dem Bau der Städte: Verbund, Verbund, Verbund… Beton/Asphalt – Pflanze – Stein (Und davor: Der Schweizer Mensch)

Und weil offenbar einer dieser erhellten Momente angebrochen ist, schließe ich über das zivile Leben in der Schweiz (als Schweizer): Das Gegenteil des Ideals vom Leben in der Untertunnelung. Daraus folgend: Im Freien wie in Tunneln leben! Von allen Seiten von beschützenden Mauern umgeben (zum Beispiel Fußgängerunterführungen, Panorama- oder überhaupt Züge.

Und von dort aus sehe ich dann manchmal ein solches Schild: Melior Gourmet Nährmittel. Und im Schatten des Waldrandes zieht eine Herde Kühe, an den Kirschbäumen stehen die Leitern, wilde Gemüse- und Blumengärten um einzelne Häuser. Das schwarze Holz der Stämme liegt in Haufen auf den Wiesen. Ein Feld Sonnenblumen, eines mit Mais. Drei Haufen Kies. Gelände einer Wohnwagenfabrik.

Ausgerechnet in Bern ist es mir unmöglich, eine Bratwurst zu finden. Das „sehr gute“ Restaurant „beinahe auf der Mitte der Schauplatzgasse“, an das sich der Alte von der Bushaltestelle zu erinnern glaubt, gibt es nicht mehr.

Dort, so berichten es mir später die jausenden Postmänner, sei „eine Hacienda eingezogen“. Aus ihrer Beratung wird zweimal laut: „auch nicht mehr bodenständig“.

Der Dicke, nach Wurstfreund Aussehende, empfiehlt mir das „irgendwo im Bahnhof“. Er selbst esse oft und viel Wurst, aber „immer nur zuhause“. Auf meine Erklärung, welche Bratwurst ich gerne äße („mit einer Zwiebelsauce“) sein absurderweise mich belehrender Einwurf „Das wäre ja dann typisch Bernerisch!“ (Um darauf aber wie „erst recht“ kein solches Wurstlokal zu kennen!)

Allgemein war das sich Umschauen meiner Berner Berater eines, so als sähen sie in diesem Augenblick diese uns umgebende Stadt zum ersten Mal. So als tauchten sie auf meine Frage hin aus unterirdischem Leben auf, und müssten sich „erst einmal ein Bild machen“. Als wüssten sie so wenig, nein, weniger Bescheid als ich.

„Aber blitzartig!“ fordert der Polizist vom verirrten Autofahrer dessen Verschwinden aus dem System der  Fußgängerzonen.

Kurzer Aufenthalt in Fribourg vor dem Büffet am Place de la Gare, die breite Straße, Avenue de la Gare, führt hinunter, an einer goldenen Kuppel vorbei auf dunstige Wälder, auf Berghänge zu.

Die Sprache hier ist fast unverständlich, auch durch das hier häufig vorkommende Lispeln der Bewohner; es kann sich auch um ein Nuscheln handeln – nicht einmal das ist genau auszumachen! In schwarz oder silber gleiten die Blöcke – Range Rover mit Genfer Kennzeichen – vorbei. Man trinkt Bario – den Kaffee der Götter.

In Bulle. Die Umfriedung der Terrasse des Buffet de Gare dort: Verbund aus einem Waschbetontrog, darin Wacholder, Lavendel, Löwenzahn und Tanne – perfekt!

Greyerz. Oder das Unbegreifliche, warum ausgerechnet im Schloss hier das Museum das Hans Ruedi Giger Einzug halten konnte. (Verbund?)

Das Moitié-Moitié Fondue. Der Sahneklecks im Schokotöpfchen zum Kaffee.

Und überall, auf den Monitoren der Computer, den Bedienkästchen der Klimaanlagen, den Scheiben der Postbusse: die Fliegen. Stuben- aber eben auch oft die Stall- oder Viehfliegen. Mit behaarten Füßen – Fliegensuppentellergroß. Der Rezeptionsjunge in der Touristeninformation Greyerz zu einer Frau, die ihn für das Telefonat bezahlen will: „Na, Na! Wir sind hier immer noch in der Schweiz!“

Tatsächlich: Mit der Dämmerung und dem Untergehen der Sonne wird das Klappern der Kuhglocken laut vom Hang gegenüber. Sanftes Abendrot, eigentlich blassorange und fast nicht von der normalen Himmelsfarbe hier zu unterscheiden.

Wie ich am nächsten Morgen beobachten kann, wie nach ein, zwei Stunden Sonnenschein der Dunst aus den Wäldern gestiegen kommt und noch vor den Gipfeln zu den Wolken wird.

Und immer noch alles den Bergen abgetrotzt: Wie der Helikopter den ganzen Tag lang, Flug um Flug das Baumaterial heranschafft. Von der Rückseite des einen Gipfels – wo sich wahrscheinlich die Bergstation einer Seilbahn befindet – bis hinüber zur Hangwiese am Waldrand, wo er die Balken und Giebelteile absetzen kann. Freischwebender Kranhaken. Losgelöst.

Und warum „Nimmst du sie mal, Jürgen?“ deutsch ist; warum ich mich nicht einmal umschauen muss, um zu sehen, dass sie, die Leine ihres Berner Sennenhundes auffordernd von sich weggestreckt hinüber zu ihm, Jürgen, der gerade das Wohnmobil abschließt, warum ich auch so, aufgrund ihrer Frage „Nimmst du sie mal, Jürgen?“, weiß, dass dies Deutsche sind.

Dass die moderne Schweiz (leider!) das Nebeneinander kennt. Dass ich mir morgens noch oben, in den „Hostelleries des Chevaliers“ das frische Brot mit Sahne bestrichen habe und dann hier, zehn Gehminuten weiter im Tal, in der Bewirtschaftung der Käsefabrik einen Milchkaffee aus der Maschine kriege, so heiß und deshalb arm an Aroma und Genuss, dass ich ihn wegschiebe wie von ihm beleidigt… Dass sie hier ihren „Käsepflegeroboter“ stolz ausstellen hinter einer Panoramascheibe, als befinde man sich auf der Säuglingsstation!

Und nonstop rollen auf dem Parkplatz nebenan die Autobusse aus (Dritter Tag: Greyerz, Besuch einer Käsefabrik).

Die Schweizer Natur und dann wieder die Häuser dazwischen; auf dem Verbund aus Brocken, Teer und Wiese manchmal auch ein Baum.

Montreux dann an diesem Sommertag: Das Laub an den Bäumen dunkel, der Beton weiß, wie ausgeblendet, der See glatt, mit Segeln darauf… weg von hier und hinauf in die Berge, so einen Tag d o r t erleben!

Extrem eingedrängt zwischen den Hängen: Martigny. Die Mais- oder Grasfelder, zwischen denen, wie abgekoppelt, sechs Tankwagen stehen. Das vollkommen mit Spiegeln verkleidete E-Werk von Sierre. Auch darüber bin ich mir klar: dass ich in der französischen Schweiz zu weit von meinem eigenen Schweizgefühl entfernt war.

Dann die Berge mit den in Schneisen wie wegradierten Hangwäldern, die mir das Wallis und eben die Schweiz meiner Kindheit ankündigen. Vor allem aber das mit Kalkbrocken gefüllte Flussbett der milchgrünen Rhone. Und die hier von innen grob verputzten Felstunnel.

Hochsommriger Nachmittag in Brieg. Zwischen Bahnhof, Pension zur Post, „Café Sebastian“ und „Ursis Steinquelle“. Es ist die Zeit der Aprikosenernte. Von hier aus geht es direkt mit dem Postauto (Kennzeichen „P“) hinauf.

Aber gerade hier! Sie, die Britney Spears ähnlich sehen möchte, bis hinauf zur weißen Köhlersmütze und die sich dann von der Treppe am Sebastiansplatz abholen lässt von einem, der Mick Jagger ähnlich sieht – nur noch hier hat das einen Effekt (In der Stadt sind diese Gesichter von den Plakaten und Bildschirmen allgegenwärtig).

Im Heimatwerk frage ich aus Höflichkeit (oder auch nur, um mal wieder zu sprechen), ob der Absatz an Taschenmessern arg zurückgegangen sei, mit den Einschränkungen am Handgepäck der Flugtouristen.

Die Verkäuferin: „Ja, die Japaner greifen danach, sie wollen es, aber es geht nicht mehr seit dem Skandal.“

Aber – das ist ihr wichtig: keinen (Umsatz-) Einbruch! Denn „Die meisten Messer verkaufen wir an die Einheimischen. Ich habe auch eines. Zum Nägelschneiden. Auch die Pinzette ist wichtig.“

Und wie oft kauft sie sich ein neues Messer? Einmal im Jahr?

„So ungefähr. Ja!“

Die Frau neben mir liest „Spiderman“ (den Roman!).

Abendbrot mit den Würsten, gestohlen aus dem Rückeingang der Metzgerei MM und dann, zusammen mit in der Bäckerei „Schalbetter“ gekauftem Brot, aufgegessen im Hinterhof meiner Pension „Zur Post“, zwischen den Autos, von wo aus ich die Bergspitzen sehen kann.

Der Morgenkaffee dann im Frühstücksraum der Pension Post. Auf Stühlen eines chinesischen Restaurants; das Geschirr aus Langenthal, CH. Die Frühstückswaren selbst stehen in einer Ausschachtung der Wand, die mit Neonröhren aus der Fleischereitheke rosa ausgeleuchtet ist.

In der Bahn hinauf nach Zermatt: Der Disput (der beiden Ordensbrüder mit dem örtlichen Priester)

Der Priester - Ob das Markus-Evangelium 67 nach Christus geschrieben wurde und es „neuzeitlich interpretiert“ wurde. Über den Heiligen Geist.

Die Brüder – „Hoi! Hoi! Vorsichtig sein!“

Der Priester – Ob der Heilige Geist einen richtigen u n d einen falschen Moment kenne?

Die Brüder – Dass es aber leider auch einen menschlichen Geist gebe…

Auf einer Häuserwand vor dem Fenster lese ich: Fleischtrocknerei. Überall dort, wo der Zug nur vorbeifährt, aber nicht hält, dort will ich sein. Dort, wo sie das Gras um den steilen Kartoffelacker herum mähen, an der Baustelle am Abgrund, wo ein Nebengleis förmlich in die Luft hinein – oder durch die hindurch? – betoniert wird, dort bei den Häusern mit den steingedeckten Dächern, der steingedeckten Kirche… Hier will ich sein!

Gerade hier, wo vor den Fenstern Felsbrocken liegen, so groß und schwer, dass sie dort seit wahrscheinlich einer Million von Jahren unverrückbar sind – gerade hier sprechen die Kirchenleute über ihre Zweifel (in Konsequenz auch am Hergang der Schöpfung). Und es gibt hier Leute, die haben einen solchen Fels im Garten liegen und daran haben sie angebaut ihren – vielleicht – Geräteschuppen oder auch nur den Hasenstall.

Im Vorbeifahren sehe ich einen Strommasten aus Holz und an dessen Basis oder unterem Ende einen Stein mittels verzinkter Manschette an ihn drangeschraubt - ich denke sofort: Verbund! und versuche das zu fotografieren, schaffe es aber nicht mehr und muss auch daran denken, wie ich heute Morgen schon wieder Blumenkübel aus Beton auf Asphalt stehend fotografiert habe. Und das Kiesbett mit dem gelben Gummischlauch darin. Und während ich das aufschreibe, verpasse ich beinahe ein Riesenloch in der nackten Felswand, aus dem nur sehr dünn das Wasser rinnt.

Zermatt. Die Chalets mit den Apartments rund um den Bahnhofsplatz sind so hoch, dass man das Matterhorn nicht mehr sehen kann. Das war’s.

Die konsequenteste Fußgängerunterführung dann in Oberwald: Ein Schacht, der oben, unten, links und rechts aus unverputztem Schal- oder Bunkerbeton gegossen ist. Nur die Ab- oder Aufstiegsstufen der Treppen sind nahtlos aus Granitplatten gelegt. Handläufe zu beiden Seiten mit dunkelbraunem Tauchlack überzogen. Vom zu beiden Seiten des rechtwinklig abknickenden Tunnels hereinfallenden Sonnenschein einmal abgesehen: Gab es dort überhaupt eine künstliche Lichtquelle?

Die Waschbetonterrasse über dem Postautohalteplatz. Die mit blauen Gummistrickdecken überhängten Tische aus rotem Plastik. Die dazugehörigen Stühle. Der Tunnel, zweispurig, mit Felsbrockenblende, als Aussicht. Und der sich darum herum biegende Schotterweg in dessen Kehre die abgelegte Schaufel eines Räumfahrzeugs liegt.

Grimsel, die Passhöhe. Mein unüberlegtes Aussteigen aus dem Postauto. Wie magnetisiert oder angesaugt vom Hotel „Hospiz“ dort, das ganz aus Steinbrocken ist und vom einsamen Haus gegenüber, in der Wand. Nichts als Stein und der See und etwas Grünes auf den Felsen, das nach Algen aussieht oder Moos. Vor diesem Panorama sitzen, wie sonst vor dem TV. Das Hotel hat keine Zimmer mehr frei. Das nächste Postauto kommt aber noch heute.

Wie Joseph Beuys, der überfällige Gäste durch demonstratives Ausfegen der Räume zum Aufbruch bewegt haben soll, so stapelt nach einer Stunde meines Sitzens die Kellnerin des „Hospiz Marit“ die zusammengefalteten Sonnenschirme auf meinem Tisch.

Und jeder stellt sich zumindest kurz, Hände in den Hüften, vor den verglasten Schacht, in dem das „Kristallwunder“ ausgestellt liegt.

Die Fliegen hier oben (1937 m) sind kleiner, aber um so viel hungriger. Sie sind kaum wieder abzuschütteln!

Die Bergführer, ganz in oliv, die sich ihren Schweizer Schützlingen annehmen, wie das sonst so fürsorglich und zugleich nachsichtig und unablässig geduldig nur Eltern tun können, die ihren eigenen Kindern etwas wie Essen oder Sprechen beibringen wollen.

Und dann eine Biene, hier oben, auf meinem Tisch! Ausgepumpt, mit leeren Beinsäcken. Blumen, hier oben? Kaum.

Nächtliche Ankunft in Luzern. Ein Jazzfest auf dem See, zum Nachtessen einen Wurstsalat in einem Café am Corso. Viele Maiskörner, Rotkohl, sowie Cremesauce – im Prinzip ungenießbar… Im Hotelzimmer: Begeisterung über das Telefon, das liebe Tritel ELM 2 (fast so schön wie das noch seltener gewordene ELM 5!) Nach ruhiger Nacht geweckt von ausparkenden Reisebussen.

Die Espressobar im Barbattihaus an der Töpferstraße ist am Abreisemorgen geschlossen.