Tiergartenquelle

Restaurantkritik
zuerst erschienen 1998 in der BZ

Dieses Lokal besuchten wir aufgrund einer dringenden Empfehlung von Holm von Czettritz. Der mit weit über zwei Meter Körpermaß völlig Rechtens als hühnenhaft beschriebene, weltbeste Illustrator Deutschlands ißt immer hier, wenn er sich in Berlin aufhält. Schon gleich nachdem wir uns an einem Tisch dieses in die Kasematten unter den Gleisen hineingebauten Restaurants niedergelassen hatten, verstanden wir auch warum. Hier muß sich Graf Czettritz nämlich nicht wie sonst üblich ärgern, daß seine Hände größer sind als die Teller, auf denen ihm serviert wird.

   Sämtliche auf der Karte angebotene Speisen werden von der dunkelhaarigen, nicht nur wegen ihrer Tätowierungen an die junge Uma Thurman erinnernden Kellnerin in randvollen, nachttopfähnlichen Schüsseln serviert. Das von uns bestellte Schweinesteak mit Bratkartoffeln ragte dann bald vor uns wie ein Zerrbild einer kindlichen Gebirgsfantasie aus einer dieser Schüsseln heraus.

   Eine rosige Nordwand streifig gebratenen Steaks türmte sich dort neben einem golden schimmernden Gebirgszug aus Kartoffeln; die Schluchten zwischen den knusprig gebratenen Kartoffeltalern waren mit sahnig angemachtem Salat zugestopft. Wir schätzten das Gewicht unserer Teller auf jeweils circa zweieinhalb Kilogramm.

    Am Nebentisch teilten sich zwei der hier häufig verkehrenden Lederrocker ein einzelnes Gericht. Beide luden sich die Gabeln immer sehr voll, um sich danach mit hastig gefülltem Mund laut anzuschreien. Auf jeden Fall waren diese Beiden wohl die einzigen - von Czettritz war diesmal ausnahmsweise nicht anwesend - die, wenn auch zu zweit, ihren Teller leergegessen haben.

  Von einer abschließenden Nachspeisenbestellung müssen wir allerdings abraten. Erstens kann kein normal gewachsener Mensch nach einer der hier servierten Mahlzeiten noch irgendetwas essen, und zweitens erinnerte der von uns versehentlich bestellte Kaiserschmarrn - man servierte ihn uns mit kindskopfgroßen Sahnehaufen verziert - in Form, Konsistenz und Wirkung an einen Ostpreußischen Mühlstein.

 Oder wie würde Herr von Czettritz gleich sagen: „Hier schmeckt´s wie im tiefsten Frieden.“