Partnerlook

Essay
zuerst erschienen 2006 in All Season Fashion Paper

In der aktuellen Herbst/Winter-Kollektion „complices“ von Veronique Branquinho und sehr viel früher bereits in einer von Wendy&Jim gab es einen stilistischen – sagen wir: Einfall zu bestaunen, der selbst ganz junge Japaner zur Heiterkeit zwingt: Partnerlook. Die letzte No-Go-Area der Mode; ein, man muß es leider so hart beurteilen: schlechter Witz.

Partnerlook wirkt immer humorig, dabei auch noch unfreiwillig - egal wie gekonnt er entworfen, wie elegant er gestylt werden wird. Den Partnerlook in den Kanon der Modegeschichte einzuführen zu wollen wird ein ausichtsloses Unterfangen bleiben. Noch eher schafft es der Rollmops in die Haute Cuisine.

Diese beiden Elemente seiner Aura: Das Humorige und das Unfreiwillige sind allein schon recht Anti-Mode. Das Sperrigste am Partnerlook an sich aber ist sein Grundprinzip: Das Anti-Indiviualistische, was wiederum den Kern der Mode an sich torpediert. Poststrukturalistische, postfeministische ModeDenker mögen nun triumphierend und zugleich rechthaberisch fläzen: „Genau darum geht es uns doch“ Aber vielleicht ist das angesichts des Sujets „Mode“ auch zu verzwirbelt gedacht, vielleicht ist es zu ironisch gemeint, vielleicht auch tatsächlich zu Anti-Mode an sich, als daß es dabei noch um Mode geht?

Mag ja sein, daß es witzig ist, im Branquinho-Partnerlook umherzugehen, oder als Paar in einem Ensemble von Wendy&Jim. Aber ich bin konservativ genug um prognostizieren zu können, daß dies ein Witz ist, den keiner außer den Partnerlooktragenden verstehen wird. Der Grund dafür ist einfach: Der Partnerlook war nie fort. Nur haben die Bevölkerungsgruppen, in denen er heute noch getragen wird, ansonsten mit Mode kaum noch etwas zu tun.   

Auf dem Foto „Zwei Mädchen in gleichen Badeanzügen“ von Diane Arbus sind zwei Frauen zu sehen – in  gleichen Badeanzügen. Beide schauen den Betrachter recht verdrossen an. Und trotzdem bekommt man gute Laune. Das Foto ist witzig. Wieso eigentlich?

Der Anblick zweier schlechtgelaunter Frauen in gleichen Badeanzügen ist witzig, weil Schadenfreude gute Laune macht. Und wo liegt hierbei der Schaden? Freud sagt in etwa, daß ein Witz die Nichtigkeit zum Vorschein bringt. In diesem Fall ist es das vergebliche Bemühen einer Frau jenseits ihrer Mädchenblüte, sich für den Strandbesuch mit einem gestreiften Bikini herauszuputzen. Schade! - daß es ausgerechnet an diesem Strand noch eine andere Frau jenseits ihrer Mädchenblüte gibt, die einen gleichen Bikini trägt. Die Schadenfreude des Betrachters entsteht tatsächlich deswegen: Der gleiche Bikini / Das gleiche, verdrossene Gesicht. Der unbeabsichtigte Partnerlook bedeutet für seine Träger eine Katastrophe. Er hat sich angestrengt, um besonders zu sein. Er hielt sich für einzigartig und wird nun mit der Wahrheit konfrontiert.

Der beabsichtigte Partnerlook hingegen wird eingesetzt, um Gegenteiliges zu bewirken: Der Partnerlook beabsichtigt die Apokatastase, die große Zusammenführung der Versprengten, die Heilung einer – wenn auch sehr kleinen – Welt. Trotz des ernsthaften Hintergrundes wirkt Partnerlook, bei einer gegebenen Empfindsamkeit für Mode, komisch. Wieso eigentlich?

Zunächst liegt es an der mangelhaften Verbreitung. Ein chinesisches Straßenbild aus den sechziger Jahren wirkt nicht lustig. Eine Truppenparade, ein Gruppenbild von Ärzten oder Skinheads ebenfalls nicht. Füllt der Partnerlook das Bild aus, handelt es sich um eine Uniform. Die Uniform hat eine spezifische Bedeutung: Sie soll Antimode sein. Also nicht den persönlichen Geschmack ihres Trägers zum Ausdruck bringen, sondern ihm eine über ihn selbst hinausweisende Bedeutung verleihen „Oha, ein Halbgott in Weiß!“

Die Uniform hat eine lange Tradition. Jeder weiß, was eine Gruppe damit ausdrücken will, wenn sie wie ein Ei dem anderen ähnlich erscheint: Zusammengehörigkeit, Stärke auch – sie sind durch mehr als nur ihre persönlichen Ziele vereint, ihre Mission heißt Feuerlöschen, Gesetzehüten oder ein Sieg des örtlichen Fußballvereins.

Vor dem Hintergrund dieses Wissens erst kann der Partnerlook seinen Humor entfalten. Denn es segeln ja selten mehr unter gleicher Flagge als zwei. Entdeckt man im Gewühl auf dem Bahnsteig ein Paar komplett in rot-blauem GoreTex, dazu noch mit ähnlicher Kurzhaarfrisur, muß man schon unempfindlich für Mode sein, um den Anblick einfach so hinnehmen zu können. Als Leser dieser Zeitschrift starrt man wahrscheinlich hin und ist schlichtweg: fasziniert. Mode bedeutet nun einmal nichts anderes als daß ein paar Menschen ähnlich aussehende Kleidungsstücke zur Schau tragen. Wann immer das passierte, waren solche Kleidungsstücke „in Mode“. Allerdings eben nur stellenweise, beispielsweise zu erkennen in einer Hosenform, an einer Signalfarbe, in einem bestimmten Absatz an den Schuhen. Daß ein gesamter Look von Kopf bis Fuß und gesellschaftlich durchgehend in Mode kam, geschah jeweils im Zusammenhang mit politischen Ereignissen und war niemals zuvor und danach wieder derart absolut wie in Folge der Maoistischen Kulturrevolution. 

Der Partnerlook ist politisch, er signalisiert Zugehörigkeit, ist Mode in ihrer radikalsten Form – jedenfalls am einen Ende der Radikalitätsskala. Das andere würde markiert werden durch „Kleidung, die sonst niemand trägt“; aber wie könnte das heute noch möglich sein?

Und weshalb verhallt die politische Botschaft der Partnerlook-Träger? Wieso wirkt Partnerlook komisch, warum nimmt man seine Erscheinungsformen nicht ernst – weswegen Partnerlook ein Witz bleibt und nicht „in Mode kommt“.

Wichtiger noch als die Beschaffenheit und das Aussehens eines Partnerlooks sind seine Träger. Den Partnerlook sieht man hauptsächlich an den Mitgliedern dreier Volksgruppen: Kinder, Eltern, Pensionisten – keine davon gilt als besonders hip.

Kinder sind kindisch. Sie tragen liebend gern identische Kleidung um zu zeigen: „Ich sehe so aus wie Du, weil Du mein Freund bist“

Eltern sind nachlässig. Sie tragen identische Kleidung mit einem Achselzucken: „Ach, den schmutzabweisenden Anorak gab es im Sonderangebot. Die Kinder beschmieren uns nämlich andauernd von Kopf bis Fuß.“

Pensionisten sind resigniert: „Für uns gibt es nur noch crème, senf und schwarz.“

Was alle drei Gruppen vereint ist ihre stark, beinahe naturgemäß eingeschränkte Entscheidungsfreiheit: Die Kinder sind zu doof, die Eltern abgestumpft, die Pensionisten lebensmüde – in allen Fällen fällt es schwer, sich zu individuellem Stil durchzuringen. Der Partnerlook erscheint da plötzlich nicht nur radikal, sondern wie ein Naturgesetz. Wer nicht über Mode nachdenkt, wer nicht mehr oder noch nicht am Nachdenken über Mode teilnimmt, kleidet sich, diesem Gesetz zufolge, wie von selbst all denen ähnlich oder gleich, die er als ähnlich oder gleich empfindet – Freunde, Gesinnungsgenossen, Ehepartner, Altersgenossen.

Mode scheint ein derart restriktives System zu sein, daß es sich besonders an jenen prägend auswirkt, die sich ihm verweigern oder entziehen wollen. Denn das ist eine phänotypische Antwort des Partnerlookträgers: „Ich trage das gleiche wie meine Frau, weil mich Mode nicht interessiert“ - und macht dennoch das radikalste Modestatement von allen! Mode dient doch zweifellos der Herausarbeitung und Zurschaustellung der Individualität. Mit Mode setzt man sich die Krone auf. Der Partnerlook-Träger aber verweist kritisch auf das eingeschriebene Paradoxon der Mode: „Erst wenn es viele Tragen ist es Mode“ versus „Individualität“

Die Behauptung, beim Partnerlook handele es sich um den Gipfel modischer Sophistication, nämlich der selbstreferentiellen Kritik am System der Mode an sich ist natürlich ein Witz. Woran es den Freunden des Partnerlooks nämlich gemeinhin fehlt ist solch selbstbewußte Ironie. Eben jenes selbstreferentielle Verständnis dafür was sie uns damit sagen, wenn sie das tragen. Kurz gesagt: Es fällt ihnen nicht einmal auf. Und das, nämlich das Machen von Mode ohne vorausgehende Analyse, gibt es nicht. Es ist dann etwas, wozu uns die Begriffe fehlen. Wahrscheinlich handelt es sich um „Anziehen“.

Hierin zeigt sich die eigentliche Radikalität der politischen Aussage des Partnerlooks: Die Vielfalt des modischen Angebots einerseits, die fehlenden gesellschaftlichen Zwänge andererseits haben in diesen Kleingruppen offenbar starke Müdigkeit verursacht. Der inhärente Zwang des modischen Systems, nämlich sich täglich von neuem Gedanken darüber zu machen, was man anziehen könnte, um die eigene Individualität hervorzuheben, der Persönlichkeit, auch Stimmung, den Ansprüchen einen Ausdruck zu verleihen, wird als Überforderung empfunden. Der Erschöpfte läßt sich treiben, er sinkt hinter seine Möglichkeiten zurück und fortan trägt er, was ihm der allernächste vorträgt: Er schaut ihn an wie einen Spiegel und es ist Okay. Wenigstens steht er noch nicht alleine da. Das ist ein beruhigendes Gefühl, er hat eine Menge Sorgen weniger. Die durch modische Sorglosigkeit freiwerdenden Kapazitäten sind gewaltig. Nun könnte er sich endlich den wichtigeren Dingen widmen.

Warum wird man angesichts von Partnerlook-Trägern den Eindruck nicht los, daß sie aber genau das trotzdem nicht tun – weshalb halten wir sie unwillkürlich für leicht beschränkt? Und weswegen schauen die unfreiwillig Partnerlook tragenden – jene zwei Frauen auf dem Foto von Arbus zum Beispiel – so verdattert, wenn es sie erwischt?

Es gilt als Zeichen von Geistlosigkeit, keinen individuellen Stil zu pflegen. Es könnte sogar gut sein, daß dem tatsächlich so ist. Und je unattraktiver die Träger - Kinder, Eltern, Pensionisten - desto unlustiger, ja zweckförmig das Resultat. Je verzweifelter aber die Anstrengung war, als attraktiv, gar hip herauszustechen (Zwei Mädchen im gleichen Badeanzug): Umso wuchtiger gerät des Partnerlooks Humorpotential. Was sogar dann noch funktionieren wird, wenn der Partnerlook von einer Firma als schicke Mode verkauft wird. Irgendwie wird es trotzdem ein Lacher. Zwei Mädchen im gleichen Badeanzug bleiben eben zwei Mädchen im gleichen Badeanzug.