Willi Weber

Portrait
zuerst erschienen im Juli 2000 in brand eins
Der Mann, der 20 Prozent von Michael Schumachers Einkünften bekommt, sein Manager. Bekannt aus den Klatschspalten, immer gut für ein deftiges Zitat. Wie er hinter einem riesigen Konferenztisch sitzt, neben ihm ein echter roter Ferrari. Wie er vom Krieg erzählt, von Schumi, vom Leben. Und wie er dabei Willi Weber ist: ein Mann, der verschwindet, wenn man zu genau hinsieht.

Drei Wochen zuvor hatte ich einen Termin bei einem Zuhälter. Wir trafen uns zum Frühstück bei ihm, ich brachte eine Ananas mit, die wir aber nicht anschnitten. Er erzählte, wie steil es abwärts geht in der Branche. Die Kundschaft bleibt fern wegen Swinger-Clubs, Kontaktheftchen, Videos, Aids, Internet und was weiß ich allem. Seine Mädels stehen nachts oft sinnlos auf dem Straßenstrich herum. Sein Leben ist Tragik: Hat er sich doch mehr als 20 Jahre hochgeackert, in den guten Zeiten, mit Knast und Schlägereien und Arger mit den Weibern und den Bullen und allem Drum und Dran. Jetzt ist er gerade oben angekommen in der Hierarchie, auf einem Weg, der, nach allem, was er mir erzählt hat, der Ochsentour aus einem SPD-Ortsverein hoch in den Bundestag gleicht. Da, endlich! Zielgerade. Und plötzlich sind die Koordinaten anders, für ihn völlig überraschend. Pech. Er führte seine dicken Autos vor, seine Knarren aller Arten und Größen, seine dicken Bi- und Trizeps, zwei seiner dicken Mädels, die seltsam schüchtern schienen. Und die Einschusslöcher in seinem aus Steuergründen gekauften Haus. Wir vereinbarten, nachts mal zusammen loszuziehen. Und jetzt bin ich bei Willi Weber und habe dieses Déjà-vu, so deutlich, dick und fest.

Das ist natürlich unfair gegenüber Willi Weber. Vor allem weil er wegen Beihilfe zur Förderung der Prostitution mal verurteilt wurde. Ich gehe also zu Willi Weber, davon wissend, beschließe aber, es zu ignorieren. Jeder darf Fehler machen und daraus lernen. Das Problem ist nur meine Glaubwürdigkeit, vor allem wenn ich mir meine Aufzeichnungen anschaue. Was hier steht, ist ein Unfall, kann nur ein Unfall sein. Er hat solche Klischees gesagt, jeder wird denken, ich habe ihm die in den Mund gelegt, um die gängigen Weber-Vorurteile zu bestätigen. Wie kann ich vermitteln, dass das Déjà-vu plötzlich kam? Jeder wird denken, das ist getürkt, dass ich Weber so wahrnehmen wollte. Aber es ging einfach nicht anders: Ich sitze mit ihm in einem komischen Raum, den ich gleich beschreiben werde. Beschreiben muss. Sitze da, und noch bei der Begrüßung, er ist keine zehn Sekunden im Raum, denke ich plötzlich: Schumis Zuhälter.

Eine schöne Uhr hat Willi Weber - von wem sie ist, sagt er nicht Weber, den Mann, der von Schumi ein Fünftel der Einnahmen bekommt, beschreibe ich jetzt mal: schimmernder Anzug, anthrazit, anthraziter geht es nicht mehr. Ein graues Hemd, dunkler als der Anzug, mit weißem Kragen. Ein Einstecktuch, schneeweiß, schmuck gefaltet, fast schon gerollt, in der Brusttasche. Schuhe: schwarz, glänzend, ledern. Die Krawatte, schräg gestreift von rechts oben nach links unten, jeder Streifen legt etwa, das ist eine Schätzung, einen Zentimeter Höhenunterschied zurück, vor allem Grautöne, ab und zu weiße und schwarze Streifen. Die Krawattennadel ist die, die immer in der „Bunten“ und in der „Bild“ beschrieben wird: Silber, Dollarzeichen. Seine Haare sind grau, nach hinten geföhnt. Kein Gel, aber viel Volumen. Wie macht er das nur? Sein Bart auch grau. Das Gesicht rund, mit Doppelkinnansatz. Er strahlt eine selbstgefällige Zufriedenheit aus.

Um die Beschreibungen aufzulockern, denn gleich kommt der Raum und eine von Willi Webers Mitarbeiterinnen, einige Seiten Gespräch pur. Und zwar ziemlich weit hinten, kurz bevor er nicht tschüss gesagt hat. Ausschnitt aus einem Gespräch mit Wilhelm F. Weber, Jahrgang 1942, Geschäftsführer Weber Management GmbH. Ein Dialog. Er in Anführungszeichen, die Fragen ohne: Ihre Uhr, was ist das für eine Marke? Eine Rolex?

„Eine Lange Nummer 1.“ Sieht teuer aus, was hat sie gekostet?

„Weiß nicht, sie war ein Geschenk.“ Sagen Sie mir von wem?

„Nein.“ Eine schöne Uhr.

„Ja.“ Bisschen groß vielleicht. (Er zieht die Mundwinkel hoch.) Ihr Anzug, ist der maßgeschneidert? (Weber nickt.) Teuer?

(Er zieht die Schultern hoch.) „Schon.“ Die Schultern sind ziemlich gepolstert.

„Nein.“ Da ist eindeutig etwas in den Schultern.

„Ich hab breite Schultern, ich mach jeden Tag 10 bis 15 Minuten Kraftsport, gerade für die Schultern.“ Das sind Polster.

„Ganz normale.“ (Er zupft am rechten Schulterpolster.) Merken Sie das? Wir bekommen irgendwie keine Nähe hin. obwohl wir das doch beide wollen. (Er schaut leicht erstaunt.) Ich will ja etwas über Sie erfahren. Möglichst viel.

„Es gibt bestimmte Türen, die ich nie öffne für andere.“ Was für Türen?

„Drei Türen.“ Drei? Was für welche?

„Die Tür zu meinem Schlafzimmer, die zu meiner Unterhose, die zu meiner Seele.“ Unterhose und Schlafzimmer, ist das nicht eine Tür?

(Er zuckt mit den Schultern.) Das ist doch eine?

(Er zuckt mit den Schultern. Mit den gepolsterten Schultern verdammt noch mal. In meinem Kopf schwirren hundert Fragen die gestellt werden müssen, nachher, zu besseren Gelegenheiten.

Auch nicht für ihn?

Dazu ein Einschub: Er, das ist Schumi, der schwebt die ganze Zeit durch das Gespräch. Später mehr, seltsame Dinge Weber antwortet nicht. Er sagt: „So, das war es, ich habe zu tun.“ Auffallend während des Gesprächs: seine einstudierte Fingerhaltung. Fast die ganze Zeit legt er die Fingerspitzen vor der Brust aufeinander, sorgfältig, die Kuppe des großen Fingers links auf die des großen Fingers rechts. Und so fort. Die Daumen auch, aber näher am Bauch. Als wäre er Pfarrer, Professor oder Philosoph. Passt nicht zu ihm. „Das reicht, was Sie da aufgeschrieben haben, da wären viele Ihrer Kollegen froh drum. Sie haben so viel. Das ist doch ein richtiger Schatz für einen Journalisten.“ Er steht auf und geht. Was ich jetzt beschreibe, empfinde ich als demütigend. Ich rufe ihm hinterher: Ich brauche einen zweiten Termin. Er sagt: „Nein, ich habe viel zu tun.“ Doch, unbedingt. Wie war’s? Ich hänge mich einen Tag an Sie dran, falle nicht zur Last, laufe nebenher, sitze auf dem Beifahrersitz, warte bei Verhandlungen draußen, ab und zu ein paar Fragen. „Das würde ich nicht aushalten, da würde ich explodieren.“ Liegt’s an mir ?, frage ich. „Nein, das kann ich prinzipiell nicht.“ Er geht weiter.

Die nette Frau Vogel, eine Frau im schamhaarkurzen Tigermini, dieses unglaubliche Konferenzzimmer Eine Frau kommt schnellen Schrittes. Ich denke, das ist bestimmt Frau Vogel, die am Telefon immer so nett war, sie kommt mir bekannt vor, habe die schon mal gesehen, und ich mache einen Fehler, höre auf, Willi Weber hinterherzueilen und sehe sie an. Sie sagt: „Herr Litz?“ Ich strecke ihr die Hand hin und sage: Hallo Frau Vogel, wir kennen uns. Sie schüttelt und sagt: „Ja.“ Ich haste wieder Weber nach und sage, nein, ich meine, wir haben uns schon mal gesehen, irgendwo. Sie: „Glaub ich nicht.“ Doch, lassen Sie mich überlegen. Sie stellt sich mir in den Weg.

Okay. Abends ist mir dann eingefallen, warum ich dachte, ich kenne Frau Vogel. Sie sieht genauso aus wie ein Mädchen, das bei meinem Sohn in der 3a ist. Genauso. Nur älter. Übrigens: Frau Vogel ist nicht, Achtung! Wiederholung!, sie ist nicht die Mitarbeiterin Willi Webers, die oben angedeutet wurde. Das ist eine andere: Die lief vor mir her, den dunklen Gang hinunter zu dem Zimmer, in dem ich Willi Weber sprechen sollte. Ihr Rock ist ein Tigermini, schamhaarkurz. Nicht Tiger, so was Ähnliches, gepunktet und gestreift, unregelmäßig, verschiedene Farben, keine bunten, sondern braune Töne, bedruckte Kunstseide. Gebatikt? Vielleicht. Aber es könnte auch der Slip sein, der sich abzeichnet. Ihre Schultern frei, weißes Top, gehäkelt oder gestrickt, große Maschen, wie Fenster, weißer BH, das Top mit langen Ärmeln, aber freien Schultern.

Wo anfangen? So viele Eindrücke von einer schlecht gefälschten Welt, wie für eine Fernseh-Soap hingestellt. Grüner Teppichboden, flauschig. Ein Ferrari mittendrin. Knallrot. Logisch. Ein echter Formel-Eins-Ferrari, ohne Motor aber. Sie geht hinaus. Ich klopfe auf Rot. Klingt fast wie Plastik. Ein Tritt gegen den rechten Hinterreifen. Das Ding wackelt nicht. Der Raum ist groß, 110, 120 Quadratmeter. Riecht nicht, na ja, er riecht, aber es ist ein seltsamer Geruch, gut geputzt, rein, geschmacklos. An den Wänden auf Platten aufgezogene Schumi-Poster, Ralf im gelben Overall, Michael im roten. Beide Poster 2,80 Meter hoch. Stehe davor, komme dem Ex-Weltmeister etwa unter den Bauchnabel. Mit der Stirn. Das sind Altare.

Fünf Grünpflanzen im Raum, echte, aber künstlich anmutend. Eine Glasvitrine mit Schumi-Merchandising, den Willi-Weber-Geldbringern. Etwa 100 Millionen Mark wird damit umgesetzt, jährlich, Großhandelspreis. Ein Stuhl, auf dem fünf, sechs rote T-Shirts liegen, ein Ferrari-F1-Motor in Brusthöhe, auf einem dunklen Quader, der Motor ist blitzeblank poliert. Die Zylinder fehlen, da sind nur Löcher. Und ein riesiger Tisch. Konferenzgröße. Schwarz, mit Stahlfüßen. Später, beim Gespräch, denke ich, ich kann die Geschichte nur retten, wenn ich ihn bis aufs Blut reize. Das ist ein Typ, der springt über den Tisch. Weil aber in der Mitte eine eingeschweißte Zeitschrift liegt, das „Michael Schumacher Magazin“: „10 Jahre Formel 1 - meine größten Erfolge“, und weil da ein großes Tablett mit Flaschen ist, denke ich, er wird herumrennen. Das Magazin, eher ein Katalog, wird hier gemacht und verkauft etwa 200000 Stück. Die meisten bestellen etwas.

Habe ihn doch nicht provoziert. Nicht aus Feigheit. Nein! Taktik. Zugegeben, die falsche. Aber das konnte zu dem Zeitpunkt niemand wissen. Habe auf einen zweiten Termin hingearbeitet. Ich wollte Knack-den-Willi machen. Hatte ich ihm auch am Anfang des Gesprächs erklärt und ihm, weil Frau Vogel das erbeten hatte, alles in einem Fax angekündigt: Es geht nur um ihn, nicht um Schumi. Die Geschichte solle anders werden; wie er Geld macht, wie viel, ganz wichtig: Wie funktioniert Sportmanagement? Kleinigkeiten, nette Details, Atmosphäre, nicht Tratsch. Naomi Campbell und Chris DeBurgh sollen dennoch vorkommen, für die merchandized und managt er auch. Und für Verona Feldbusch. Aber er sitzt da. Mauert.

Geld. Das ist klar. Dagegen das Lieblingsessen, die Puffs in seinen Häusern. Das ist alles eher unklar Obwohl, kann man so nicht sagen. Er hat den Krieg gegeben, nur als Beispiel, das Wort Krieg, vier-, fünfmal, hat dabei deutlich geblickt, um es zu betonen, klarzumachen, dass er einen guten Knochen hinwirft. Human Touch. Männerfreundschaft, Liebe, geradezu kitschige Sätze, Religion, Abfälliges über die katholische Kirche, Sachen über den Buddhismus, die ich richtig frevelhaft fand. Und seine Kindheit und Jugend. Bonmots. Zitate, von denen er denkt, sie sind das, was die Welt von ihm will. Er hat immer wieder, nicht zufällig, sondern wissentlich, effektbedacht, emotionale Bindung und Geld gekoppelt. Und auch Loyalität und Geld. Freundschaft und Geld. Gefühle und Geld. Liebe und Geld. Erfolg gleich Geld. Schönheit gleich Geld. Geld. Er hat das so gemacht, dass der größte Idiot gemerkt hätte, dass er da etwas Gutes anbietet. Von ihm formulierte, potenzielle Überschriften. Aber sie scheinen nicht wirklich wahr. Es fehlt Atmosphäre. Die gab es nicht von Willi Weber. Nicht in diesen Räumen. Der eine ganz hell, wegen der vielen Fenster, die anderen mit Neonlicht am Vormittag. Nichts zu machen. Alles so kalt. Schreckliche Atmosphäre.

Er interessiert sich nur für Schumi und für Geld, wobei die Reihenfolge unklar ist. Das könnte die Message des Textes werden: Schumi vor Geld. Oder Geld vor Schumi. Nein, das geht nicht: Bei Willi Weber ist Schumi und Geld eins. Er kann da keinen Unterschied machen. Er sagt: Ich habe vor nichts Angst. Und er meint es. Lief es nicht, weil er irritiert war? Weil er merkte, da sucht jemand eine kleine Lücke in seiner Mauer, während er nur eine Abspielstation für seine Knallerzitate suchte? Das ist ein Riesenproblem mit ihm, weil er sich und seinem Ruf zwar immer treu bleibt, sich dabei aber oft widerspricht. Sein großes Zitat, inzwischen schon eine gängige Formulierung der deutschen Alltagssprache: „Ich golfe nicht, ich bumse noch“, hat er relativiert, man könne wohl beides, hat er angedeutet. Oder: Jahrelang wusste er nicht, dass in Häusern, die ihm gehörten, Puffs waren. Sagte er immer wieder, auch als er schon lange dafür verurteilt worden war. Dann ein Zitat von ihm in der „Bild“-Zeitung: „Ja, ich habe es gewusst.“ Mal sagt er, sein Lieblingsessen sei Schweinshaxe, mal ist es Schweinebraten mit Knödeln. Man kann dem, was er sagt, nicht trauen. Nicht seinen klischeehaften Zitaten. Also bringen wir es hinter uns, die Schlüsselsätze: „Fakt ist, Michael und Ralf sind für mich die Hauptpersonen. Das ist mein Job, meine Liebe, mein Hobby, mein Alles. Ist einfach alles. Der Rest ist nebenher.“ Doch! So steht es hier, eins zu eins mitgeschrieben. „Es ist wie in einer Ehe, man lernt sich kennen und lernt sich immer besser kennen“, damit meint er die Partnerschaft mit Michael Schumacher. ..Meine Aufgabe ist es, Erfolg zu vermarkten.“ Okay, klar. „Es gibt 300 bis 350 Michael-Schumacher-Merchandising-Produkte.“ Auf die Frage, gibt es nicht zu viele, inflationär, wahllos?, antwortet er: „Nein, nein, wo viel Rauch ist, ist viel Feuer. Als beispielsweise der Unfall war (Schumi hatte sich 1999 bei einem Autounfall in Silverstone ein Bein gebrochen), über den ich nichts mehr sagen will, das ist vorbei, da gab es einen 30-prozentigen Anstieg beim Verkauf von Fanartikeln. Das war ein Zeichen der Solidarität der Fans. Wir halten zu unserem Idol.“ Umsatz gleich Solidarität oder gar Zuneigung? ,Ja“, sagt er. Die Leute mögen Schumi, also machen sie ihn reich.

Erfolgsgeheimnisse? „Einsatz, voller Einsatz, 24 Stunden am Tag, immer.“ Aber andere haben das sicher auch zu bieten, oder? „Vielleicht gehört Glück dazu, aber da sag ich dann, Glück gehört dem Tüchtigen.“ Vielleicht war es Instinkt. Weber engagierte Schumi für seinen Formel-3-Rennstall, obwohl der bei der Probefahrt einen Unfall in der dritten Runde hatte. Weber ließ reparieren und gab ihm sofort das Auto wieder. Normalerweise zahlen junge Fahrer mit Vatis Geld, damit sie rasen dürfen. Weber investierte in Schumi, gab ihm Autos und Gehalt, steckte Millionen in die Karriere, weil er an ihn glaubte. Als Schumi in die Formel 1 ging, mit wenigen, wackeligen Sponsoren, sagte Weber: Wenn die abspringen, schiebe ich mein Geld nach. Weber hat also seinen Erfolg mehr als verdient: Er hat wagemutig Geld riskiert. Schumi ist dankbar. Als der „Spiegel“ versuchte, Weber als Schumis Problem darzustellen: Rotlicht, Trottel, Stillosigkeit, Schrecken aller potenziellen Werbetreibenden, zeigte Schumi Loyalität in höchster Form.

Das Problem ist ausgestanden, Weber scheint, obwohl unorthodox und ungesittet, unangreifbar. Er hat andere Probleme. Solcher Art: Marlboro, also Philip Morris, ist Hauptsponsor von Ferrari. „Philip Morris, das ist ja ein Konzern, da ist alles drin, Miller, also Bier, Suchard, Investment Banking und so weiter. Weil die alles abdecken, machen sie mir die Arbeit schwer.“ Das heißt: Beim Schumi-Werbepartner-Finden muss er Rücksicht nehmen, viele mögliche Geldbringer sind tabu. Neben der Liebe zum Geld gibt es noch eine Webersche Konstante, den Satz über Schumi: „Er ist der beste Rennfahrer von allen.“ Das wiederholt er ständig. Aber vielleicht muss er das auch, weil die Weltmeister nach Michael Schumacher Damon Hill, Jacques Villeneuve, Mika Häkkinen und noch mal Mika Häkkinen hießen. Schumi beschreibt Weber so: „Es gibt keinen Menschen, der seine Emotionen so im Griff hat wie Michael Schumacher. Er ist total praktisch und analytisch veranlagt.“ Er meint das lobend.

Der Buddhist, der zu Hause nicht meditiert, hat eine Tochter, die nicht besonders glücklich wirkt Seine Absprachen mit Schumi fasst er so zusammen: „Er fährt besser Auto als ich. Ich bin hinter ihm so gut wie er im Auto. Das verlangt er von mir.“ Er redet vom Krieg: „Alles, wirklich alles, was wir hier machen, ist Krieg, ich bin im Krieg. Leben ist Krieg. Und den wollen wir gewinnen.“ Ich frag nach, er sagt: „Leben, Krieg, Kampf.“ Später noch mal: „Wir sind im Krieg.“ Thema Religion: „Ausgleich für den Kampf ist die Religion. Den ganzen Tag sich mit Problemen auseinander setzen, da wird man selbst zum Problem. Ich versuche zu verhindern, dass ich negativ denke. Ich denke positiv. Ich habe täglich Probleme, viele. Jeder Angestellte ist ein Problem.“ Er fährt meist Mercedes, hat aber zwei Ferrari. Ist vorbestraft wegen Steuerhinterziehung, hat einen Ferrari nach Japan verscheuert, den Gewinn aber verschwiegen. Besitzt einen Düsenjet und ein Propellerflugzeug, weil manch kleiner Flughafen nachts Landeverbot für Jets hat. Der Krisen-Junkie, der Hab-keine-Zeit-ler.

Zurück zur Religon, er wiederholt: „Ich bin Buddhist, seit vielen Jahren.“ Eine genaue Zeit nennt er auf Nachfrage nicht. „Religionen sollen Menschen helfen.“ Die katholische Kirche habe er immer als bedrängend empfunden, deshalb sei er ausgetreten, nicht wegen der Kirchensteuer. Buddhismus sei besser: „Buddhismus ist nicht nur Religion, das ist eine Lebenseinstellung.“ Er sieht keinen Widerspruch zwischen knallhartem Geldverdienen als Krieger im Alltag und Buddhismus. Er sei kein perfekter Buddhist, „keine Meditation zu Hause oder so was“. Der Buddhist zuckt die Schultern: „Es ist mir egal, was andere denken.“ Weber erzählt, wie er Geld mit Merchandising hereinholt, verhandelt, kämpft. Er bekommt 20 Prozent, also von den etwa 85 Millionen, die Schumi jährlich verdient, 17 Millionen Mark. Wobei die große Zahl strittig ist. Sie wird oft gedruckt, Schumi hat mal gesagt, sie sei falsch. Hat aber keine andere genannt. Bei Ferrari bekam und bekommt Schumi für vier Jahre 220 Millionen. Dazu Werbung, Sponsoren, Merchandising. Der Vertrag zwischen den beiden läuft bis 2002. Der mit Ralfi bis 2004. Weber erzählt, wie er verhandelt. „Krieg“ dauert lange, man beschnuppert sich, manchmal sitzt er mit sechs, sieben Feinden, also möglichen Vertragspartnern am Tisch. Er schreibt Verträge, der Feind ändert, er wieder. Irgendwann sein Okay. Dann Schumi, die Anwälte, die Steuerberater, dann ist es gut: Schumis Unterschrift. Legt er das Geld für ihn an? „Nein, nie. Wir tauschen uns aus, weil ich auch anlege. Wir reden nebenbei über Aktien. Aber nur im normalen Gespräch. Es wäre schlecht für unsere Beziehung, wenn ich ihn beraten würde. Stellen Sie sich mal vor, das ginge schief. Das wäre eine Belastung unseres Verhältnisses. Das Anlegen machen Banker und Anlageberater. Wir haben natürlich die teuersten und besten.“ Er ist mit seinen Angestellten, 26 auf 1000 Quadratmetern in Stuttgart-Degerloch, einige schon seit 25 Jahren bei ihm, nur per Sie und erklärt warum: „Sie Arschloch hört sich immer noch anders an als du Arschloch. Es gibt kein Du bei mir, die Respektgrenze wäre zu schmal.“ Er sei ein guter Chef, seine Mitarbeiter kämen mit ihm klar.

In Dierdorf bei Koblenz verpacken 120 Leute Schumi-Zeug. Das Erfolgsprodukt sind die Rotkäppchen: 400 000 rote Schirmmützen, auf die Michael Schumacher gestickt ist, hat Weber in einem Jahr an Großhändler verkauft. Die Mütze kostet knapp 40 Mark. Sie werden inzwischen mit einem Hologramm als Echtheitszertifikat vertrieben, denn für jedes echte Rotkäppchen wird auch ein gefälschtes verkauft, an dem Weber und Schumacher nichts verdienen. Weber ist der Kappenkrösus, fast alle anderen F-1-Rennställe beschäftigen seine Firma beim Merchandising.

Ein motivierter Mann: „Ich bin damals ausgezogen, habe die Freude gesucht und festgestellt, die Arbeit ist meine Freude.“ Klingt aber … ich zögere, und er springt ein: „Kitschig?“ Genau, sehr kitschig. ,Ja, aber so ist es, das ist die Wahrheit.“ Willi Weber ist im Alter von 15 Jahren von zu Hause weg. “ Schwieriges Verhältnis mit meinem Vater.“ Noch so ein Punkt: der Vater. Er hat ihn in Interviews als Bankier präsentiert, als Bierbrauer, als Business-Mann. Er habe Armee-Uniformen aufgekauft, die Knöpfe abgetrennt und einzeln verscheuert. Er sei mit dem Kettenkarussell über die Dörfer gezogen. Man kann sich nicht auf das verlassen, was Schumis Manager erzählt.

Weber machte früh Geld, war mit 24 Millionär, Schnapshandel, Gebrauchtwagen, verkaufte in US-Kasernen billige Uhren von Tapeziertischen. Gab das Geld einem Mann, der damit in München das „Schwabylon“ baute und bankrott ging. Er fing wieder von vorn an, ein Stehaufmännchen. Zeitweise hatte er 30 Gaststätten. Er war schon älter und wieder reich, als er in Rennautos stieg und Jungs hinterherfuhr, die besser waren, in der Formel 3. Ohne Erfolg, aber er gründete einen Rennstall, viele Siege, Meisterschaften, Entdeckung Schumis. Durchstarten. Noch mehr Geld.

Ach ja, ich kenne übrigens Willi Webers Tochter, sein einziges Kind, habe mal länger mit ihr gesprochen. Hoffe für sie, sie kann ihn jederzeit erreichen. Sie traf mich an der BP-Tankstelle in Stuttgart-Degerloch, war sehr nett. Trug weißen Pelz und weiße Lederstiefel. Mit Fransen, glaube ich. Dazu gutes Parfüm und eine Wolke Kummer. Später kam noch ein Mann dazu, ihr Freund. Ein Vorgänger war wegen Drogenhandels verurteilt worden. Die Klatschspalten hatten gemeldet, er, Papi Weber, habe sie verstoßen. Zuvor hatte sie Schumi-Mützen bei Rennen verkauft. Das hier war ihre Bewährungschance.

Webers Tochter blieb mir als freundlich, hilfsbedürftig, traurig in Erinnerung. Sie erklärte einen Frittenautomaten, sie war die Geschäftsführerin der Firma und Besitzerin. Ihr Vater stiller Teilhaber. Es schwang deutlich mit, er ist der große Mann im Hintergrund. Ketchup oder Mayo?, fragte sie. Ich aß. Und schrieb. Bundesweit wurde über den Weberschen Frittenautomat berichtet. Die Idee war, an möglichst vielen Tankstellen Automaten aufzustellen, die in zwei Minuten Pommes frittieren und in eine essbare Pappschale ausspucken, für fünf Mark. Alle tanken, während sie Pommes essen. Aber bald war der Automat wieder weg, der Tankstellenkassierer sagte, es lief nicht, zwar wollten alle Benzin, aber kaum jemand Fritten. Okay. Abgeschweift. Passt aber doch irgendwie zum Thema. Seine Tochter arbeitet daran, Zuwendung von Papi zu holen. Von Papi, der für die Jungs, Ralf und Michael, 24 Stunden am Tag da ist. Zuwendung über den Umweg finanzieller Erfolg mit Frittenautomaten. Wie ging es Willi Webers Tochter, als die Automaten nicht liefen?

Ich las meine Aufzeichnungen: Er hatte zum raschen Schluss gedrängt nach den Fragen zur Loyalität. Was übrigens witzig war: Er und ich haben das Wort dreimal verwendet, aber es kam nicht korrekt heraus. Loyaaali… Loyatät, Lo, oh je, Loyalität. Es war lustig, aber er verzog keine Miene. Was er nicht mochte, war: Bei Boris Becker und Ion Tiriac, die nehme ich so ähnlich wahr wie Sie und Michael Schumacher, da war irgendwann mal Schluss. Pause. Er: „Das Verhältnis von Michael und mir ist ganz anders.“ Pause. „Außerdem hat der Tiriac ja nur Verträge ausgehandelt. Das mit dem Merchandising hat der total verpennt.“ Einige Tage später, Frau Vogel am Telefon, nett wie immer: Herr Weber habe keine Zeit für einen zweiten Termin, auch nicht nebenbei. So viel Arbeit. Nein, sie hat keine Tochter in der 3. Schulklasse. Frau Vogel am Telefon, sehr nett: Nein, geht wirklich nicht, nichts zu machen. Frau Vogel am Telefon, immer noch nett: Er hat wirklich keine Zeit, da ist nichts zu machen.