Grandezza - Versuch einer kleinen Ferrari-Oper

Reportage
unveröffentlicht, 2005
Fassung des Autors

Lasst uns eine Oper komponieren! Eine große. Es gab ja schon lange keine wirklich packende Oper mehr. Da herrscht Not. Was brauchen wir dafür? Liebe, Leidenschaft, Tragik, einen Helden, einen tiefen Bruch in seinem Leben. Italien muss rein. Die meisten guten Opern sind Italien-Opern. Selbst Mozart lies Papagaollo trällern. Sie soll nicht avantgardistisch sein, nichts atonales, keine Zwölftontechnik haben. Einfach gute alte Oper. Wir wollen große, einfache, für jedermann nachvollziehbare Gefühle. Ort der Handlung? Wie wär es mit Maranello? Klingt gut. Da baut Ferrari seine edlen Droschken. Ferrari, was gebe es, das italienischer sein könnte? Hat der Name nicht Klang? Fühlt nicht jeder dieses eine, dieses besondere Gefühl nur bei diesem Klang? Fe-rra-riiii. Also, eine Ferrari-Oper mit italienischem Libretto. Oh ja. Der Klang des Motors als durchgehendes Thema, ein perfektes Motto, schon zart angedeutet als Fanfare in der Ouvertüre. Ja, wir werden den Motorenklang als Rondo durch die Oper ziehen.

„Hier stehe ich und sage Euch: Ich beendete spät des Abends meine Reise in Maranello. Da begann es schon, dies sonderbare Italiengefühl. Signore mag vielleicht eine telefonische Reservierung haben für unser Hotel, aber wir haben die nicht. Scusi, möglicherweise ein Missverständnis. E Basta. Diese charmante, lächelnd vorgetragene Dreistigkeit.“

Der Held, Bariton, ach was, wir gehen in die Vollen, ein robuster schwarzer Bass, Brillenträger, von norddeutscher Blässe, groß, vielleicht schon etwas gebeugt vom Leben, kommt aus einem Alltag, aus irgend einem normalen Leben. Wir sehen und hören, während wir die couleur locale bekommen, Andeutungen seiner kleinen Probleme, sehen ihn in einem gemieteten Ford Mondeo, wie er an der Pagare-Station der Bezahlautobahn fast scheitert, weil er Sprachprobleme hat. Symbolhaft. Hören sinnlose Handytelefonate mit seiner Frau, die immer Ef vierhundertdreißig Spider sagt, obwohl er ihr dreimal erklärt, dass es Ef vier dreißig Spider heißt. Kurz: ein jämmerliches ich. Die eine oder andere Dissonanz ist zu hören. Zumindest zu Anfang. Sein Gesang ist noch fast flach, als hätt der Sänger nur ein schmales Spektrum, alles noch ohne Biss. Er kann, er soll ja auch niemanden erschrecken, sondern Zuhörer hier packen mit seinem Leben und ihre Gefühle durch die Oper tragen. Sein Potential muss erahnt werden können, aber noch ist da Erbärmlichkeit. Er soll Identifikationspotential bieten, das Publikum will sich von ihm mittragen lassen bei seinem Weg ins Neue, Unbekannte, Schöne, Große, hin zur italienischen Leidenschaft. Seine erste Arie ist noch mickrig, fast zart, eher Federn denn Fäuste. Wir vertrauen darauf, dass das Publikum um der Steigerungsmöglichkeiten weiß. Es ahnt ja schon: Ferrari.

„In der Frühe des nächsten Tages verlasse ich dieses, spät nachts gefundene, heruntergekommene Hotel der Not und schreite die Via Abetone inferiore entlang, weg vom Mondeo, hin zum Ferrari-Werk. Seltsame Gedanken schweben durch meinen Kopf: Bin ich passend angezogen für dieses Auto? Bin ich der Richtige dafür?“

Der Held zweifelt, das muss wiederholt werden, damit es jedem klar sei, an allem, seinem Leben, seiner Zukunft, der Welt, der motorisierten Fortbewegung allgemein, ja, am Leben. Der Zuhörer soll es spüren: dieser Mann ist bereit für den ganz großen Bruch. Unsicherheit und ungestümer Ehrgeiz ringen in ihm. Er wird einen Spider hetzen, jawohl, er wird ihn quälen.. Er hat Angst davor. Hier brauchen wir seine erste große Arie. Sie muss richtig groß sein, ein Erdbeben voll Zwiespalt. Aber es muss noch Platz nach oben sein für die nötigen Steigerungen. Wir sollten den Mut haben und sagen, es wird kein Largo geben in unserer Ferrari-Oper.

„Roberto Casolari von der Marketing-Abteilung erklärt mir die Manettino-Schaltung links und rechts des Lenkrads. Links schalte ich runter, rechts hoch. Sechs Gänge. Der Rückwärtsgang wird durch Druck eines großen Knopfes auf der Mittelkonsole geschaltet. Keine Kupplung. Was mich irritiert. Mir scheint dieses leichte tippen mit dem langen Finger eher feminin. Eine harte Knüppelschaltung mit brutaler Kupplung dagegen italienisch macho. Es ist eng im Auto, riecht nach neuem Leder. Manettino bedeutet Hebelchen, diese Art der Schaltung hat Ferrari seiner Formel Eins Autos entnommen, wie vieles andere auch im F430 Spider erklärt Roberto Casolari in seinem italienisch schicken Anzug. Die Farbe des Lacks ist nicht, kaum zu glauben, sie ist nicht rot, bricht das Klischee. Der Wagen ist silbern, von einem besonderen recht dunklen Silber. Das wirkt. Doch, die Farbe dieses flachen Autos ist schön. Um es zu starten, genügt es nicht, einfach den Zündschlüssel zu drehen. Danach muss ich einen Knopf auf dem Lenkrad drücken.“

Spannung baut sich auf, die Bläsersätze werden lauter, wiederholen ihr Stakkato. Am besten singen Ferrari-Mitarbeiter in den Werkshallen einen schweren Chor à la Nabucco. Unheil schwant uns. Im Vordergrund sieht und hört man: der Mann von Ferrari hat, trotz seiner Routine, ein bisschen Angst um das edle Gefährt. Er traut unserem Helden nicht zu, das silberne Biest zu bändigen. Er bittet ihn, nicht auf die Autobahn zu fahren, nicht aus der Emilia Romagna hinaus, empfiehlt die Berge, die flachen Ausläufer des Apennin. Immer wieder: das ist ein schnelles Auto, es hat 490 PS. Bitte, die Höchstgeschwindigkeit ist 310 Kilometer die Stunde, aber bitte, das geht hier nicht, ich hoffe, Sie verstehen. Seien Sie vorsichtig, sagt er bangen Blickes. Er fleht geradezu um Vorsicht. Jedes Mal, wenn wir denken, genug jetzt, junger Mann, es reicht, kommt noch eine Warnung. Das baut einerseits Spannung auf, wir bekommen Angst um den Helden. Gleichzeitig ist Roberto Casolari auch unser Buffo, unser Humorträger, sein Vortrag allegro, wie es in einem ersten Akt einfach sein sollte. Ja, warum nicht? Der erste Akt gehört ihm. Unser Held ist noch nicht so weit. Seine Stunde wird noch kommen. Die Zuhörer müssen, wenn das Thema erstmals laut erklingt, erkennen, was in unserem Helden stecken könnte. Sie müssen hoffen, dass es herauskommt. Und seine zweite große Arie muss klar machen, wo es hingeht. Und nun hören wir gleich zum ersten Mal ganz deutlich ausgemalt das Thema, den Motor. Zuvor haben wir nur Andeutungen bekommen im Prolog. Doch jetzt, Mitte des ersten Aktes, ertönt der alles dominierende Klang. Wir werden diesen in allen folgenden Akten wieder hören, in Variationen, anders arrangiert, mit variierten Tempi, aber immer wieder. Jetzt, vehement vorgetragen, ist es der Höhe- und Schlusspunkt des ersten Aktes. Nun müssen wir die Zuhörer unbedingt gepackt haben.

„Ich zünde. Obwohl ich ahnte, was denn da kommen werde, traf mich dieser Klang dennoch unvorbereitet. So kann sich nur ein Biest, drohend, hart, gefährlich, anhören, ein schlimmer Ork aus dem Herrn der Ringe. Alles, was ich vorher dachte, überlegte, plante, alles ist weg. Ich sitze etwas eng, gerade hat es mich noch gestört, aber die nächsten sechs Stunden wird das nicht mehr von Bedeutung sein. Denn nun spüre ich den Motor direkt hinter mir. Meine Wirbelsäule vibriert, ich spüre Druck. Aber das wirklich Besondere ist das Geräusch. Es gibt diesen Spruch „entweder Du fühlst es im ersten Moment oder Du fühlst es gar nicht.“ Falsch: im Ferrari hast Du keine Wahl, Du, jeder, keine Ausnahme, fühlst es, sobald der Motor an ist. Da ist dann vergessen das Image, dieser Ferrari-Mythos. Nichts spielt mehr eine Rolle, wenn dieser V8-Motor mit 4300 Kubikzentimeter Hubraum losgelassen wurde. Es geht nicht mal um Geschwindigkeit, noch stehe ich ja im Werkshof. Selbst im Stand ist das Geräusch im Rücken des Fahrers das Erlebnis, ein Schicksalsschlag. Es soll ja Sound-Design geben. Aber das hier, dieses Dröhnen, es ist echt, kann nur echt sein. Man spürt das. Es ist schön. Schrecklich doch gleichzeitig warm.“

Der Zuhörer soll Angst bekommen, soll mit dem Helden fühlen. Der zweite Akt, er weiß es schon jetzt, wird ein Ritt, ein Sturm, eine langgezogene Explosion. Er lenkt den Wagen aus dem Hof, auf die Via Abetone Inferiore, durch Maranello nach Süden, rein in den flachen Apennin, hoch in die Berge, über schmale, schlechte Straßen. Es ist ein Sog. Es gibt in dieser Oper keine Frauenrollen, aber es gibt, spürt der Zuhörer, dennoch Sex. Das Ferrari-Thema, dieses Gebrüll, ist immer zu hören, mal laut, mal leise, je nach Gang, je nach Steigung. Immer muss das Publikum Angst vor dem nächsten Ruck haben, als wär es unser Held. Ein Tipp mit dem rechten großen Finger, ein neuer Gang, das Auto springt wie eine Raubkatze. Wir ahnen erstmals dunkle Seiten bei unserem Helden. Wenn die Taube zwischen Pazzano und Monfestino so langsam flach von rechts nach links über die Straße fliegt, keinen halben Meter hoch, sehen wir, wie er hochschaltet, das Pedal tritt, und wir wissen, insgeheim hat er gehofft zu töten. Mit diesem Auto könnte er es. Nur ein bisschen härter auf das Gaspedal, es hätte gereicht. Archaisches drängt nach vorne, immer wieder beschleunigt er grundlos, immer wieder will er wissen, was das bedeutet: von null auf hundert in 4,1 Sekunden.

„Ich könnte jetzt was schreiben vom „nussigen Nachgeschmack“ und was vom „flach im Abgang“, um den Experten zu markieren, und irgendeinen kleinen Punkt finden, an dem man rumkritisieren kann, damit man als neutraler kritischer Tester rüberkommt. Über Kurvenlage schwadronieren oder über, das machen die Autotester ja gerne, über die Kupplung, die etwas so oder so sein sollte. Und so weiter. Ach was! Es macht Spaß. Es ist wunderbar. Weckt ungeahnte Leidenschaft. Sollte wo ein Fehler sein bei diesem Aluminiummonster, er wär mir egal. Ich presche vor und genieße die Schaltung. Die Gänge scheinen nahtlos ineinander überzugehen, es gibt kaum Pausen, das sorgt für ein völlig neues Schalten und damit Fahren. Ich überhole auf engen Straßen, gebe Gas, wo es sinnlos ist. Meine Risikobereitschaft steigt. Ja, ich will was riskieren. Schon lange bin ich nicht mehr auf den Straßen, die Roberto Casolari mir auf einer Karte markiert hat. Ich will auf die Autobahn, verdammt noch mal. Ich will, ich muss, ich kann.“

Das Intermezzo vor dem dritten Akt ist kurz, es ist der Entschluss, gegen das Roberto Casolari gegebene, wenn auch wortlos, so aber doch gegebene Versprechen, nicht auf die Autobahn zu fahren, zu verstoßen. Es gilt nicht mehr, wenn der Held in einem Ferrari sitzt. Nichts gilt mehr. Dieser Bruch hat Tragik, man ahnt den Untergang, aber die Streicher arbeiten dagegen, machen Hoffnung. Wird er als normaler Mensch aus diesem Abenteuer entkommen, der Getriebene? Wir sehen, vorhin hatte er Angst. Vorbei. Vorhin drückte ihn der Gedanken, dass das Fahrzeug in seinen Händen 161200 Euro Wert hat, dass der Lack edel, das Risiko groß ist. Nun ist das alles bedeutungslos. Es kümmert ihn nicht mehr. Ein letztes Mal bekommt der Zuhörer Humor geboten, danach zieht ihn das Schicksal des Helden in den Bann.

„Baustelle. Stau. So eine improvisierte Ampel. Von vorne kommen sie mir entgegen, auf meiner Seite ist rot. Noch gestern hätte ich gesagt, auf unserer Seite, weil noch andere Autofahrer mein Schicksal teilen. Aber jetzt sage ich, meine Seite, es geht nur noch um mich. Die erste Grünphase reicht mir nicht, als die Ampel wieder auf rot springt, stehe ich ganz vorne. Die Bauarbeiter gucken. Der Baggerfahrer sorgt dafür, dass, beim nächsten Grün, er auf seinem Riesen sitzend, mitten auf der Straße steht. Es ist ganz klar, er macht das absichtlich. Ich kann nicht fahren. Alle schauen, drei kommen herbei, gehen um das Auto, einer deutet auf das Fenster. Ich lass es herunter, er sagt nur, „Ahhh, F430 Spider“ und geht weg. Er hat es auf Italienisch gesagt, centrotrentirgendwas hat er gesagt, mehr gesungen eigentlich, Spider hab ich deutlich gehört. Aber ich habe alles verstanden. Was hätte er sonst anderes sagen können. Zwischen ihm und mir ist wortloses Verständnis. Ich kann fahren.“

Der dritte Akt beginnt mit einem völlig veränderten Helden. Seine Stimme ist lauter, voller Selbstbewusstsein. Schließlich hat er die Bestie im Griff, hat sie auf Bergstraßen auf 120 Kilometer die Stunde hochgejagt zwischen den Kurven, die wie Perlen an einer Kette glänzen, hat den Drehzahlmesser tanzen lassen. Er verachtet nun Fahrradfahrer und davon gibt es viele, die in bunten Trikots den Giro imitieren. Er verachtet gar die kleinen Autos, die seinen Ritt verlangsamen. Er hasst die Schafe, als sie bei Castello di Serravalle auf der Straße stehen. Er fährt in Vignola bei rot über eine Ampel. Ampeln? Meine Güte, Ampeln. Gelten die auch für ihn? Hält die Luft an, zuckt zurück, denkt nach, will sich beruhigen und kann es nicht mehr. Er ist im Sog. Die Tragik wird durch eine andere Tonlage klar gemacht. Jeder soll es hören, hier verändert sich wer. Das macht uns Angst und Hoffnung zugleich. Wieder drückt der Held auf den Knopf, der das Verdeck in ein paar Sekunden, viel zu langen Sekunden herabnimmt. Vorhin hat er gefroren, als das Verdeck unten war. Frieren? Egal. Er will den Wind nun spüren. Wo wird das enden? Große Gefühle, große Oper. Der Höhepunkt, der Zuhörer ahnt es, wird die Fahrt auf der Autobahn. Doch die muss verzögert werden, wir alle sollen ihr entgegenfiebern. Wir brauchen eine Pause mit Adagio, vielleicht ein Chor, eine letzte Ruhe vor der ekstatischen, der ganz großen Arie, zum letzten Mal Harmonie, warme Holzbläser.

„Ich kann fast nicht anhalten, muss mich wirklich zwingen. Aber auch das gehört doch zum Ferrarifahren: ein italienisches Restaurant, viel Grün drumrum, Pinien davor, Tische im Freien. Ich stelle das Auto nah und bewundere es. Esse vier Gänge. Spüre die Blicke. Auch meine schwelgen über die Karosserie. Sie wirkt neu, nicht mehr so aggressiv wie die Vorgänger. Designer Frank Stephenson hat tief an der Front eine ovale Öffnung gegeben, die für Bodenhaftung und für Anmut sorgt. Schön ist der Blick aus den Seitenspiegeln nach hinten: über den Radkästen, die man so nur ahnen kann, sind ebenfalls Lüftungsöffnungen, die Eindruck schinden. Die Karosserie hat Eleganz, trotz oder wegen ihrer neun Kühlöffnungen. Que bella figurina. Von hinten betrachtet wirkt die Auspuffanlage, vier Rohre, wie eine Raketenabschussbasis. Von hinten wirkt der F430 anders, gefährlich. Die Spagetti Mare e Monte sind gigantisch, zuvor der Salat mit viel Fenchel und guten Tomaten sehr gut, auch der Meeresfrüchtesalat als Primo Plati strahlt, die Fischplatte scheint als Traum, so etwas wie ein Ferrari. Eigentlich würde ich jetzt gerne weiteressen, aber ich nehme keine Dolci, ich will fahren. Ich esse zwar gerne gut, aber meine Sinne brauchen anderes. Ich muss los.“

Jede Verzögerung macht das Publikum nervös. Wir haben Angst um il conductore de machina divina. Er könnte übertreiben, Größenwahn könnte ihn unvorsichtig machen, ihn zu Fehlern verleiten. Gleichzeitig sehen wir: Er ist dem Sumpf entkommen. Alltagsprobleme? Weg. Ärger? Nein. Er fühlt sich gut, er genießt, er weiß um seine Macht. Ein anderer Moment: vielleicht haben Zuhörer keine Angst um den Helden. Doch bei einer Ferrarioper ist das kein sonderlich großes Problem. Denn diese haben Angst um den F430 Spider. Lassen wir noch ein retardierender Moment für die Zuhörer zu:

„Meine Güte, schluckt der. Der Tank ist halbleer, ich bin gerade 190 Kilometer gefahren. Tja, kein Diesel, ein Ferrari. Wer Ferrari fährt, fährt Ferrari, schaut nicht auf die Tankuhr, das sind kleinliche Alltagsprobleme. An der Tankstelle am Rande von Mondena ist eine Familie mit zwei kleinen Jungs. Vater betankt den Uno. Die Jungs kommen her. Sie reden, schnell, hektisch, ekstatisch. Ich ahne, was sie wollen und lass sie beide kurz reinsitzen. Der Vater kommt hinzu, will eigentlich auch rein, ist aber um Würde bemüht, sagt irgendwas, nimmt die Jungs, ich schätze sie sechs und acht, wieder mit. Hier in der Gegend werden die Ferraris produziert, aber das sind Autos, die sich wenige leisten können. Den ganzen Tag sehe ich keinen einzigen. Mit einem Ferrari erregt man noch im Herzen des Ferrarilandes Aufsehen.“

Endlich: die Autostrada. Höhepunkt des dritten Aktes. Eine Adrenalinschlacht steht bevor. Wir sehen, die Straße hat Schlaglöcher, ist in schlechtem Zustand, sie ist eng, sie ist voll in Richtung Mailand. Es droht eine Enttäuschung. Doch es ist, zum Glück, nur das letzte retardierende Moment vor dem absoluten Höhepunkt. Mehr könnten wir als Zuhörer auch nicht ertragen. Wir alle wissen: jetzt wird es passieren, das Gute oder das Schlechte, auf jeden Fall das Grande Finale. Streicher und Bläser arbeiten hart, lieber handfest als kunstvoll. Dirigenten werden in Zukunft daran gemessen werden, wie sie diese zehn Minuten meistern. Tempo. Capriccio. Bestes Concertato. Vom Sänger wird perfektes Belcanto gefordert. Er hat, ich wiederhole, er hat legato zu singen. Hier wird alles von ihm gefordert.

„Die Autobahn ist zu voll. So wird das nichts. Ich wechsle auf die Gegenseite, fahre Richtung Bologna. Kaum Autos auf den zwei Spuren. Freiheit. Größe. Jaaaaaaaaaaa. Was soll ich mehr berichten. Träumt es Euch.“

Laute Fanfaren kündigen das stürmische Finale an. Ab jetzt nur noch Fortefortissimo. 160 km/h. 180. Es ginge beliebig weiter. Nun geht es nur noch darum, ist unser Held Mensch geblieben, besiegt als solcher den Dämon Tempo. Oder schluckt ihn die machina ferrari? Wir werden mitgerissen, warten sehnsuchtsvoll sehnsuchtstoll auf die Kadenz, denn mehr, ja, mehr können wir nicht erdulden. Hier muss uns der Sänger möglichst viel Tremolo geben.

„Der Wagen beschleunigt so ungeheuer schnell. Es ist nicht zu glauben. Ich peitsche ihn hoch, werde in den Sitz gedrängt, bremse ihn ab, trete wieder darauf. Einmal bin ich bei 200. Und bekomme plötzlich Angst. Obwohl, was soll es? Das wär ein schöner Tod, ein schneller. Nur kurz ist der Gedanke da, er fasziniert. Er erschreckt. Ich drossele den Motor. Nehme die nächste Ausfahrt und fahre durch grüne Landschaft, unterbrochen von Gewerbegebieten zurück. In den Orten fahre ich 50. Halte mich an alle Verkehrsregeln.“

Der Epilog soll uns erfreuen: der Held fährt auf den Vorhof des Ferrari-Werkes in Maranello. Roberto Casolari steht schon da. Er meckert nicht, dass die Zeit überschritten wurde. Er scheint zu ahnen, dass der Wagen Auslauf auf der Autostrada hatte. Aber alles egal, Roberto Casolari freut sich, dass der Schatz unbeschädigt wieder heimgekehrt ist. Der Held verabschiedet sich, geht zu seinem Ford Mondeo. Welch plumpes Gefährt. Doch es stört ihn nicht. Sein Leben geht anders weiter. Erhobenen Hauptes steigt der Sieger in Bologna in das Flugzeug, das ihn in den Alltag bringen wird.