Der Duke, der Whiskey, die Würde

Portrait
2006
Eine Woche im Gefolge des Duke of Argyll, eines Mannes, der zur Queen von England nicht „Your Majesty“ sagen muss. Eine Woche zuschauen, wie er Würde bewahrt, obwohl das als Repräsentant einer Whiskey-Marke bei einem Elefanten-Polo-Turnier in der Hitze, in Alkoholschwaden, in der Umgebung von unsicheren Menschen, sehr schwer ist

Der 13. Duke of Argyll wirkt entspannt. Erstmals seit Tagen kann man ihn beobachten, wie er nicht seine Umgebung beobachtet, nicht aufpasst, nicht versucht, Erwartungen zu erfüllen. Er sitzt auf einer Tribüne in Hua Hin, Thailand, am Rande eines Sportplatzes und es sind keine Leute um ihn herum. Was ihm wohl guttut. Der Duke setzt die Sonnenbrille ab. Was wirklich ein besonderer Moment ist. Seine Augen hält er eigentlich gern bedeckt. Zündet sich nun eine Marlboro an. Macht das wie immer ganz langsam, extrem langsam, für Beobachter anstrengend langsam. Mit Streichhölzern. Das wirkt wie ein Ritual, wie ein Abschalten. Seine Chance, eine Minute wegzukommen. Sich den einen Moment ohne Probleme zu schaffen. Er raucht viel.

Der Mann, fast 1,90 Meter groß, 37 Jahre alt, rotbraunes Haar, rundes, bubenhaftes Gesicht, gutaussehend, wie die Frauen hier beim Elefantenpoloturnier so sagen, hat am Vortag auf derselben Tribüne sitzend, gesagt ja, stimmt, er müsse die Queen of England nicht mit „Your Majesty“ ansprechen wie alle anderen. „Ich nenn’ sie Madame“. Doch, sei formal korrekt so. Er war mal drei Jahre ihr Ehrenpage. Gehörte zu seiner Ausbildung. Seine Antworten sind routiniert, er weiß, was normalerweise so gefragt wird und er liefert die Antworten, die von ihm erwartet werden. Immer sehr diplomatisch, etwas floskelhaft. Dafür wird er gut bezahlt. Er ist Global Ambassador von Chivas Regal, der schottischen Whiskymarke.

Der Duke schafft es, dass alles hier in Thailand, dieses Elefantenpoloturnier, das eigentlich eine Whisky- und Hotel-Promotion ist, mit einer Art von Würde zu erledigen. Nicht mit wirklicher Würde, aber immerhin mit einer Annäherung. Für einen Frühstücksdirektor ist das schon etwas. Ab und an sind seine Lippen schmal, das ist dann immer ein Zeichen. Der Duke of Argyll sitzt auf der Holztribüne in der Sonne. Flipflops an den Füßen. Knallrotes Gesicht. Haut blättert ab wegen des Sonnenbrands. Er schwitzt. Seine Stirn glänzt. Auf seinem orange-schwarzen Polohemd sind Schweißflecken. Auf dem Kopf ein Käppi mit dem Schriftzug der Marke. Er hält einen Plastikbecher mit Chivas Green Tea in die Sonne, lässt den Inhalt herumschwappen, drückt ihn, erschrickt nicht bei dem gefährlichen Knirschen des am Rand kaputten Bechers.

Er könne mit der Situation umgehen. Sagt, er genieße sie. Doch, das sagt er und lächelt dabei. „This is the Chivas life.“ Sitzt in der Sonne und antwortet auf jede Frage. Wie spreche ich Sie korrekt an? „Your Grace.“ Wenn man über ihn spricht, sich also nicht direkt an ihn wendet, heißt er His Grace. Kann ich Duke sagen? „Nennen Sie mich Torquhil.“ Zur Sicherheit buchstabiert er seinen Vornamen. Das englische „You“ entspricht ja dem deutschen „Sie“ und dem „Du“. Des Dukes „You“ ist natürlich ein „Sie“.

Doch wirklich, kein Problem, sagt er, Torquhil sei in Ordnung. Dem Duke gehören 55.000 Acres Land in Argyllshire, Schottland, das sind knapp 250 Quadratkilometer, also eine Fläche hundertzwanzigmal größer als Monaco oder ein Drittel größer als Lichtenstein. Er wiederholt, er sei „Global Ambassador for Chivas Regal“. In dieser Funktion sagt er Sachen wie: “True spirit is unprofessional” oder „Sie sollten mal Chivas Breezer probieren, sehr gut“. Und er sei Farmer. Sei er gern. Es gefalle ihm. Er fühle sich wohl an der frischen Luft. Besitzt viele Windkrafträder, bietet Touristen Ferienhäuschen und Horse Riding, einen Caravanplatz. In seinem Inveraray Castle gibt es einen Geschenke-Shop, ein Café mit Selbstbedienung, ein Restaurant. Erwachsene zahlen 5,90 Pfund Eintritt für eine Besichtigung des Schlosses, 40 Minuten Busfahrt von Glasgow entfernt, an der Atlantikküste Schottlands. Studenten 4,90 Pfund. Kinder unter 16 Jahren 3,90 Pfund. Man kann Festsäle buchen für Veranstaltungen, Schulfeiern beispielsweise. Pro Jahr kämen 80.000 bis 90.000 Gäste.

Inveraray Castle in Schuss zu halten, ist teuer. Der Familiensitz, erbaut von 1746 bis 1789, völlig abgebrannt 1975 und originalgetreu wiederaufgebaut von seinem Vater, ist eine Belastung. Er braucht Geld dafür. Also arbeitet er für Chivas Regal als Werbeträger – „whisky salesman“ steht in einigen englischen Artikeln. Ohne zu klagen. Fleißig. Im Schnitt ist er zwei Wochen im Monat auf Inveraray, eine Woche im Büro in London, eine Woche unterwegs.

So weit, so gut. Scheint nachvollziehbar. Gerade war er in Shanghai, hat dort einen Business Leader Award überreicht. „Das war interessant.“ Er sieht den fragenden Blick. „Doch, eine interessante Sache, ein interessanter Mann.“ Im Thai Tatler, einem Klatschblatt, ist ein Foto von ihm, Smokingjacke, Schottenrock, rotes Gesicht, Lächeln, aufgenommen ein paar Tage zuvor in Bangkok bei einer Promotionparty für einen neuen, nicht nur 12, sondern gar 18 Jahre alten Whisky. Er rammt das Glas dem Fotografen vor die Linse und versucht, die Werbebotschaft zu vermitteln. Wirkt wie eine Karikatur, wie Tim ohne Struppi, vielleicht angetrunken oder gestresst, nicht entspannt.

Kein Problem mit dem Foto, sagt er. Sei sein Job. Er ist Profi, nett und freundlich und unverbindlich. Vielleicht etwas langweilig an sich. Was wirklich spannend ist am Duke, das kommt nicht von ihm. Es wird von außen auf ihn projiziert. Es sind die Erwartungen an ihn. His Grace ist so etwas wie ein Medium. Es kommt nur darauf an, was du aus ihm machst. Nicht er hat das Problem. Er verdient hier, ganz einfach, sein Geld für sein Familienschloss.

Du hast das Problem. Dieses, darf der das? Noch einen Becher von diesem harten Zeug nehmen, in aller Öffentlichkeit? Ist es normal, wenn man eine Woche lang jeden Tag mindestens zwei Leute trifft, die sagen, „Gestern war ich mit dem Duke an der Bar. Er war ganz nett, gar nicht von oben herab“. Oder: „Der Duke ist kein bisschen arrogant, richtig in Ordnung.“ Ist es eine Frechheit, wenn Tom Claytor, der Buschpilot, doch, das ist sein Job, dieser Parade-Ami scheinheilig ins Mikrofon fragt: „Der Duke of Argyll, der 13. oder 14.“? Kann der das machen?

Solche Fragen sagen mehr über His Grace, als er selbst je antwortet. Es ist nicht er, es ist die Art, wie Menschen mit ihm umgehen. Es ist die Unsicherheit der anderen neben der seinen, die man nicht versteht. His Grace grüßt zum Beispiel viel mit den Augen. Mit einem ganz kurzen Lächeln. Wohl weil die meisten am nächsten Tag nicht mehr genau wissen, wie sie ihn nun ansprechen sollen. Ob es schicklich ist, auf ihn zuzugehen. Sie gehen weiter, grüßen ihn aus ein paar Metern, und er hat dieses kurze Lächeln für sie.

„Oh ja, His Grace ist ein toller Typ. Sein Witz ist prima“, sagt Jim Long, der Pressemann von Chivas. Jim ist ein Kumpeltyp, und er sagt: „Wenn er zu dir sagt, du sollst Torquhil zu ihm sagen, dann solltest du das machen. Schließlich ist er His Grace.“ Kurzes Lachen. Er hat Torquhil Ian Campbell so vorgestellt: „May I introduce you to His Grace, the Duke of Argyll, quite a guy.“

Auf seinem Laptop führt Jim ein paar Tage später morgens um drei einen Spot vor, der bei einem anderen Elefantenpoloturnier, in Nepal, entstand. Er heißt „His Grace – His Vegemite“. Ein Insiderjoke, nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Vegemite ist eine Paste, die sich Australier aufs Brot schmieren. „Ekelerregend“, sagt Jim. Engländer schmieren sich Marmite aufs Brot. „Schmeckt genauso“, lacht Jim. Der Spot ist eine Minute lang und zeigt His Grace mit einem „Travel Pack“ Vegemite, den er in Sydney gekauft hat. Er hält ihn in die Kamera, lächelt kurz und spricht ab da ganz trocken. Er wirkt, als der die Tube hochhält, ehrlich stolz. Als würde er es so meinen.

Peter Prentice interviewt ihn. Your Grace, was essen Sie so zum Frühstück? His Grace: das hier. Er hält die Tube hoch. Danach „und Scrambled Eggs”. Schnitt. Der Duke beim Frühstück, er isst Rührei und sagt mit vollem Mund in die Kamera, dass man auch beides gleichzeitig essen könne, wenn man denn einen Travel Pack Vegemite dabei habe. Schnitt. His Grace mit Tropenhelm vor einem Elefanten. Er hält die Tube Vegemite in die Kamera, wie er es sonst nur mit Chivas-Gläsern macht. Schaut ernsthaft. Es ist witzig. Stellt aber, finde ich, alles in Frage, was er so ernsthaft als Whiskey-Markenbotschafter sagt.

„His Grace ist in Ordnung“, sagt Jim Long wieder mal. Er sagt es zu oft. Sie würden sich im Büro ab und an einen ablachen, wenn sie in Japan anrufen und er, Jim, dann sage, sie sollten dort aber wirklich dafür sorgen, dass für His Grace, den 13. Duke of Argyll, eine Limousine am Flughafen bereitstehe. „Das ist wirklich besser als Taxi fahren. Funktioniert immer. Die Asiaten stehen da drauf. Die erwarten es geradezu.“ Der Duke ist da dabei? Er lache zumindest darüber. Ja, so ein Duke helfe schon.

His Grace erzählt am nächsten Morgen nach dem Frühstück, ohne Vegemite, dass er viel Zeit in Asien verbringt: „Ich reise viel nach China, Korea, Malaysia, auf die Philippinen. Das ist ein Riesenmarkt für unseren Whisky. Deutschland ist auch ein guter Markt. Aber die großen Märkte für uns liegen in Asien.“ Sagt es, verändert den Gesichtsausdruck. Der steht für leichten Schrecken über das Gesagte und, seltsam, die Frage, ob es einen deutschen Zuhörer beleidigen könnte, so was zu hören. Ergänzt schnell: „Deutschland ist ein guter Markt. Aber die ganz großen Märkte sind zur Zeit nun mal in Asien. Wir sind der führende schottische Whisky in China. Und in Vietnam schießen wir gerade durch die Decke, wie eine Rakete.“ Solche Sachen sagt er, der Repräsentant.

Er hat am 29. Mai Geburtstag, ist verheiratet mit Eleanor, die verwandt ist mit der Cadbuy-Schokoladen-Familie. Seit dem 8. Juni 2002 verheiratet, sagt er. Sie haben einen Sohn, der Archie heißt und per Geburt, wie früher er, Torquhil, es war, Marquess of Lorne ist. „Er hat zum ersten Mal Daddy gesagt kurz bevor ich los bin zum Flugzeug hierher. Und ich war zuhause, als er zum ersten Mal gelaufen ist“. Er lebte – vor der Hochzeit – lange in Hongkong, arbeitete für die französische Getränkefirma Pernod Ricard als Repräsentant.

Wie? Pernod Ricard und jetzt Chivas? „Chivas gehört zu Pernod Ricard, es war für mich also keine große Veränderung.“ Davor für die Hotelkette Le Meridien im arabischen Raum, „Kuwait, Dubai, Katar, Bharain, die Gegend.“ Aus Hongkong ging er zurück nach Schottland, als sein Vater starb und er das Erbe antrat: Inveraray Castle. Das war 2001. Weiter zurück: His Grace war auf dem Glenalmond College in Schottland, hat an der McGill University in Quebec, Kanada, studiert. War auf dem Royal Agricultural College in Cirencester, er ist also studierter Landwirt, arbeitete drei Jahre als Assistent auf den Gütern des Duke of Buccleuch. Ich hab’s gegoogelt, den gibt es. Alles als Vorbereitung auf Inveraray Castle.

Er antwortet auf alle Fragen. Aber nicht einmal kommt eine Überraschung. Keine wirklichen Informationen. Es gibt aber massenhaft Informationen über ihn. Auf einer Pressemitteilung steht: Er heißt also Torquhil Ian Campbell, und er hat viele Titel. Die gehen so: The most high, potent and noble Prince, His Grace Torquhil Ian Campell, Duke of Argyll, Marquess of Kintyre … Oh, kennen Sie „Mull of Kintyre“ von Paul McCartney? „Ja.“ Lange Pause, sie wird peinlich. Er beendet sie: „Der singt über ein Stück Land von mir.“ Joe Cockers „N’oublié jamais“, das ist das Familienmotto der Campbells. Nein, das Lied kenne er nicht. „Kein Witz? Das ist ja interessant“ sagt er und fragt sicherheitshalber „Joe Cocker?“

Ok, weiter, seine Titel sind ein Gebiet, da fühlt er sich wohl, das kennt er, da sind eigentlich keine Fehler möglich. Und er kann es recht lustig beschreiten: Marquess of Kintyre and Lorne, Earl of Argyll, Campbell and Cowal, Viscount Lochawe and Gleyla, Lord Campbell, Lord Kintyre, Inverarary, Mull, Norven and Tyrie in the Peerage of Scotland …

Können Sie das auswendig? „Wenn ich mich anstrenge, ja. Obwohl, ich möchte nicht darauf wetten, es kommt ja noch einiges.“ Weiter: Baron Sunbridge of Coombank and Baron Hamilton of Hameldon in the Peerage of Great Britain, Duke of Argyll in the Peerage of the United Kingdom…

Hey, Torquhil, Ihr Titel ist deshalb so lang, weil viele Titel wiederholt werden. „Nein. Duke of Argyll ist etwas anderes als Earl of Argyll, Earl of Campbell etwas anderes als Lord Campbell. Da gibt es Nuancen, genaue Regeln, die befolgt werden müssen, ziemlich kompliziert. Nicht, dass man sich da jetzt den Kopf drüber zerbrechen sollte. Es ist nun mal so.“

Das könnte seine Einstellung zum Leben sein. Zeigt sich immer wieder. So ist es, du kennst es nicht anders, mach was draus. Weiter: Baronet of Nova Scotia. Nova Scotia? Das ist doch in Kanada. „Einer meiner Vorfahren hat für das Empire Kanada verwaltet, als Gouverneur.“ Dieser Vorfahre hat Louise Alberta geheiratet, eine Tochter von Queen Victoria. Nach ihr heißt die kanadische Provinz Alberta und der Lake Louise. Weiter: Hereditary Master of the Royal Household in Scotland, Heridatary Keeper of the Royal Castles of Dunoon, Carrick, Dunstaffnage and Tarbet, Admiral of the Western Coasts and Isles. Admiral? „Ja, ich kann schwimmen.“ Weiter: Chief of the honourable Clan Campbell. Dass er Oberhaupt des Campbell-Clans ist, scheint ihm besonders wichtig. „Das sehe ich als große Ehre. Wirklich.“ Sein „wirklich“ wirkt unwirklich. „Doch, doch, das ist mir wichtig. Es gibt 3,5 Millionen Campbells weltweit, auch in den USA, in Kanada, Australien, weltweit und ich bin nun mal der Kopf des Campbell-Clans.“ Der letzte Titel in seiner Liste lautet „Mac Cailein Mhor“. Das ist gällisch und bedeutet? „Nochmal, dass ich Kopf des Campbell Clans bin.“

Jetzt ist früher Nachmittag am Golf von Siam. Er spielt gleich, im Chivas-Team. Kämpft sich in die hellbraunen Reitstiefel mit den schwarzen Gamaschen darüber. Weiße Hose, schwarz-oranges Trikot mit der Nummer 3 auf dem Rücken, Tropenhelm auf den Kopf, die schwarzen Handschuhe noch in der Linken.

Nun lässt er sich fotografieren. Gegen Bilder in Flipflops wehrt er sich. Sagt, er sei stolz darauf, der Captain der Mannschaft zu sein. Das ist ein Politikum. Jahrelang war Peter Prentice Teamcaptain. Er hat es vor mehr als einem Jahrzehnt gegründet, es mit indischen Pferdepolo-Spielern aufgerüstet und zu vielen Siegen geführt. Prentice ist der Ostasien-Marketing-Chef von Chivas. Dann kam His Grace als Werbeträger. Und eben auch als Captain des Teams. Peter Prentice wurde zum „Player Manager“ ernannt. Ein Amt, das es vorher nicht gab. Es ist wohl etwas ehrenhalber.

Als His Grace ein Tor schießt, muss er hören, wie Peter Prentice ins Mikrofon torkelt: „And His Grace gracefully graces the ball over the line.“ Der Duke lacht, auf dem Elefanten sitzend, ein wenig. Aber das Lachen wirkt nicht wirklich echt. Auch wenn Peter Prentice sehr laut „what a tremendous goal by His Grace“ brüllt, ist da ein Verdacht. Bei vielen und beim Duke. Deutlich zu sehen.

Des Öfteren wirkt His Grace deplatziert hier: Er wird in ein paar Tagen im Endspiel treffen, zwei Tore schießen, sich freuen und vom Repräsentanten des thailändischen Königs, Konteradmiral Mom Luang Usni Promoj, einen Pokal entgegennehmen. Dabei den Kopf neigen, wie man das machen muss, wenn ein Repräsentant des Königs vor einem steht. Dann steht His Grace eine halbe Stunde mit dem Pokal rum, während die Fairnesspreise übergeben werden, oder die für das schickste Trikot und ähnlich Belangloses verteilt werden, alle sechzehn teilnehmenden Mannschaften bekommen aus irgendwelchen Gründen Pokale und Medaillen.

Anfangs schaut er würdevoll, aber je länger es dauert, desto öfter sind Momente der Langeweile in seinem Gesicht zu erkennen. Er macht die Lippen schmal. Immer, wenn er sich nicht wohl fühlt, macht er die Lippen schmal. Als alles vorbei ist und er mit den Mitspielern zum Bus eilt, sprechen ihn zwei junge Thailänderinnen an, wollen ein Foto mit ihm. Er erschrickt, schüttelt den Kopf, wirkt richtig unhöflich, merkt es, eilt weg, schaut dabei auf den Boden. Da ist der Duke endlich mal, nach einer Woche, aus der Rolle gefallen.

Sonst: Er ist aufmerksam, nimmt alles um sich herum wahr, weiß, dass er beobachtet wird. Für ihn gelten andere Regeln. Die anderen Chivas-Berufstrinker, aber auch die Gratis-Trinker werfen ihre Plastikbecher weg, wenn sie leer sind, es wird sich wer drum kümmern. Einmal steht His Grace am Spielfeldrand in der Hand ein Chivas Sunrise. His Grace spielt immer nur die zweite Halbzeit, löst Peter Prentice ab. Als der Becher leer ist, geht er weg, hin zu einer der Bühnen, stellt den leeren Becher darauf, lässt die Hand daran.

His Grace schaut sich um, ob ihn wer beobachtet. Keiner? Gut, er lässt den Becher los, geht schnell weg, zurück zum Spielfeldrand.

Nach dem Spiel, auf der Tribüne sitzend in der grellen Mittagssonne: Sein Sonnenbrand-Gesicht ist schrecklich rot. Schweißflecken überall. Elefantenpoloturnier, eine seltsamen Veranstaltung, Charity, etwas sehr Teures. Die Frage, die sich hier immer stellt, ist: bedeutet teuer gleich elitär? His Grace antwortet mit Sätzen wie: „Darum geht es nicht, es ist Spaß und es ist Sport.“ Solche Phrasen. Jeden Abend ist eine Party oder ein Dinner, eines Morgens fallen die Spiele aus, weil die Teams nicht aus dem Bett kommen. Alle, Ausnahme ist der Duke, haben Spaß.

Alle Spieler sagen zu den Freundinnen und Frauen, die am Spielfeldrand stehen und mit einem der fast drei Meter langen Schläger aufs Feld rennen, wenn einer im Spiel zerbrochen ist, Stick Chicks. Manchmal kommt das extrem obszön rüber. His Grace aber sagt: „Wir brauchen noch Stick People für das nächste Spiel.“ Als einziger.

Er ist auch der einzige, der ohne Frau hier ist. Eleanor. „Sie kümmert sich zuhause um die Arbeit, sie arbeitet hart.“ His Grace geht früher, immer bevor die Bar zumacht. Er frühstückt auf dem Zimmer, als einer von wenigen. Er sagt zu dem Fotografen: „Gerne, kein Problem, aber nicht, wenn ich Flipflops anhabe. Sonst jederzeit.“ Wenn er mal wieder fotografiert wird, sagt er immer: „My pleasure“. Als Peter Prentice über Mikrofon ein „Anouncement for the media“ macht: „His Grace, the Duke of Argyll, is available for interviews at the Chivas tent“, verzieht der Duke sein Gesicht, die Lippen sind schmal. Er sieht dann, dass er beobachtet wird, hebt seinen Chivas Becher und grinst. Und zuckt mit den Schultern.

Er ist Außenseiter, weil die Kommunikation mit ihm gestört ist. Der Mann kann sagen, was er will, ganz schematisch, weil kaum einer wirklich nachfragt. Und wenn es wer macht, ist His Grace auf der Hut und smart genug, irgendwas hinzufloskeln. Er sagt was und sagt nichts dabei. Oder besser: Er sagt genau das, was man erwartet. Eins zu eins.

Der Repräsentant erfüllt die in ihn gesetzten Erwartungen. Sagt, dass Chivas ein guter Whiskey sei, wie viel Spaß das Chivas Life mache, wie gut es ihm gefällt hier, Elefantenpolo sei doch spannend. Ein Sport, bei dem alle eine Chance hätten, wahrer Sportmanship. Und Fun.

Eine Woche Duke: er in Flipflops und Reitstiefeln. Im Hawaiihemd bei der Beach Party. Als Matador verkleidet bei der Matador and Signorita Fiesta. Nüchtern. Angetrunken. Als er sich richtig freut, weil sein Team gewinnt. Als er fast schon jubelt wie die anderen. Und als er im Halbfinale einen Freistoß aufs leere Tor, so ist das beim Elefantenpolo, verschießt. Entsetzter Blick, keine schmalen Lippen. Sportsmanship. Wie er zu einer Menge Leute über eine Lautsprecheranlage spricht. Am Tisch mit drei, vier Leuten. In der Schlange vor dem Salatbuffet bei der Grillparty. Als er auf ein Stück Krokodilbraten wartetet. Nachfragt, ob das Chilly heute wieder so scharf sein wird. Wie er oft verloren herumsteht. Wie er superlangsam seine Marlboros mit Streichhölzern anzündet. Immer wirkt es wie ein Rückzug, ein Abschalten. Mit Chivas Mojitos in der Hand, mit Chivas Sunrises, Chivas Breezers. In orangenen Chivas-Klappstühlen mehr hängend als sitzend. Wasser trinkend. Wie er sich vor dem Karaoke-Singen drückt. Er kann das einfach nicht machen, weil es würdelos ist. Er ist der 13. Duke of Argyll, der Stammbaum seiner Familie lässt sich etwa 1500 Jahre zurückverfolgen, um 1200 nach Christi Geburt landete sein Vorfahr aus Irland kommend im Auftrag des britischen Königs in Schottland, als Eroberer. Das Familienmotto lautet „Ne Obliviscaris“ - „Do not forget“  - „N’oublié jamais“ - „Vergiss nicht“. Da ist Geschichte. So jemand kann nicht Karaoke singen. Er schafft hier zwar Geld für das Familienschloss ran, aber es gibt Grenzen, alles muss er nicht machen.

Gerade hat Jim Long „Love me tender“ gegrölt. His Grace passt hier nicht her. Peter Prantice, der andere Chivas Buddy, singt, als wär er Profi, mit knallrotem Gesicht und einer Flasche Minimum intus „I just wanna be your teddy bear“. Der Duke geht. In solchen Situationen wirkt er wie ein kleiner Junge, etwas hilflos, fehl am Platz. Ab und zu richtig schüchtern.

Kurz vor einem Spiel, er hat die Handschuhe schon an. Sitzen Sie eigentlich im Oberhaus? „Nein, Tony Blair hat die Regeln geändert, 2000 war das, glaube ich. Er hat die Vererbbarkeit von Oberhaussitzen abgeschafft.“ Ist das ein Problem für Sie? „Mhhh, nein.“ Wenn er „Mhhh, ja“ gesagt hätte, wäre genau dieselbe Botschaft angekommen. Sollen wir über Tony Blair sprechen? „Wenn Sie wollen, können wir über Tony Blair sprechen, kein Problem. Aber nicht jetzt, ich muss gleich spielen.“

„No problem“ sagt er oft, fast so oft wie „my pleasure“. Der Duke kann Konversation sinnentleert und so, dass das nicht sofort auffällt. Er trinkt Chivas, macht seinen Job. Ab und zu werden seine Lippen dabei schmal. Das ist das Duke-Problem.