Ich bin mutig, Klaus ist deutsch

Portrait
zuerst erschienen im Juli 2002 in brand eins
Klaus Bader war ein langweiliger Deutscher, der in seiner Heimat nie einen Kredit bekommen hätte. In der Mongolei vertraute man ihm. So erfand er das mongolische Edelbier Khan Bräu

Das erste Mal traf ich Klaus Bader in Weil im Schönbuch, südlich von Stuttgart, im Haus seiner Eltern, in einer Untergeschoss-Einliegerwohnung. Er passte da gut hin, sprach mit schwäbischem Akzent, vermittelte Gemütlichkeit und Biederkeit. Dabei hatte der 39-Jährige aber auch so etwas Knitzes, diesen Schwabenhumor. Außerdem strahlte er Schaffigkeit aus und noch etwas, das andere oft als schwäbische Selbstgefälligkeit wahrnehmen. Das war’s eigentlich, geheimnisvoll war Klaus Bader nicht. Ein großer, netter Kerl, mit rundem Kopf und kleiner Brille, einer, der ein bisschen zu viel grinst. Wir redeten, tranken Kaffee und verabredeten uns für das nächste Gespräch.

Ein paar Wochen später: Ulan Bator, Hauptstadt der Mongolei. Der Staat hat 2,7 Millionen Einwohner, die Stadt mehr als 700 000. Viele Plattenbauten, viel Staub, sehr wenige Bäume, alles ostblocktrist. Am Himmel kaum Wolken, er glänzt sonderblau, sehr beeindruckend. Doch die Stimmung ist weit unten. Der Mongole an sich, das ist traurig, ist arbeitslos und Alkoholiker. Wie in vielen Ex-Ostblock-Staaten drängen die Frauen in Business und Bildung. Die Männer machen die wenige körperliche Arbeit oder gar nichts. In einer Kneipe feiern Medizinstudenten ihre bestandene Zwischenprüfung: sieben Frauen, zwei Männer. Das sei die normale Mischung an der Uni, sagt einer der beiden Männer.

In der Hotellobby versucht ein Händler, mir am frühen Morgen Bärengalle-zu verkaufen. „Gut gegen Hepatitisf, sagt er in solidem Deutsch, gelernt in zwölf Jahren Halle und Leipzig. Irgendwann gibt er auf und jammert. Dass die mongolischen Frauen die Nase so weit oben haben, dass sie sich schminken und sich zu gut für den Durchschnittsmongolen fühlen. „Die können nicht mal mehr eine Kuh melken“, sagt er. Und würden nur noch Ausländer heiraten wollen. Na, na, nicht in Depressionen verfallen, Arunbold. So heißt er. Er mache, sage ich, nicht den Eindruck, als würde es ihm schlecht gehen, mit seinem Anzug und dem Siemens-Handy. Na ja, sagt er, seine Frau sei eine der 70 000 Mongolinnen, die in Südkorea arbeiten. Als Arztin. Und er verdiene durch die Jagd. Viele Europäer kommen, um Hirsche und Wölfe zu jagen. Die zahlen ordentlich, man könne sich durchschlagen. Ob ich einen Wodka wolle? Nein. Er gibt mir seine Handynummer, falls ich mal jagen will oder irgend so was.

In der Mongolei wurde der unauffällige Deutsche zum kompetenten Entscheider, den alle respektieren

Im Hotel arbeiten nur Frauen. An der Rezeption, im Restaurant, im Frühstücksraum: nur Frauen. Aber immer sitzt der Mann, der Freund daneben mm. Die beiden Couchs in der Lobby sind von den Aufpassem belegt, die Stühle im Flur auch. Es gibt wenige alte Leute, das Durchschnittsalter der Mongolen liegt bei 28 Jahren. Am ersten Tag komme ich um sieben Uhr morgens auf die Straße vor dem Hotel, da liegen zwei ältere Männer auf dem Bürgersteig. Volltrunken. Am Nachmittag gehe ich auf den Markt, sehe zu, wie ein Mann eine Frau verprügelt, zehn Minuten später, wie zwei Männer aufeinander einschlagen, wie sich überall Leute laut anschreien. Abends in einer namenlosen Siebziger-Jahre-Disco: Der ältere Barkeeper erklärt mir, dass Hitler ein toller Mann war, und ist beleidigt, weil ich nicht ein zweites Wasserglas Wodka mit ihm trinke. Er schreit „Heil Hitler“ hinter mir her, als ich mich an den Tisch einer Geburtstagsgesellschaft rette. Dort komme ich mit einem Glas Wodka und einem Bier einigermaßen ehrenhaft davon. Von Vorteil ist, dass viele Mongolen Deutsch können. Die Beziehungen zwischen der DDR und der Volksrepublik Mongolei waren gut. Viele Mongolen studierten in Ostdeutschland.

Klaus Bader lebt seit 1996 in Ulan Bator, er macht „Business“, so heißt das hier. Als Bierbrauer, Gastronom, Bauunternehmer, Großvermieter, Immobilienhai, bald wird er dick im Tourismusgeschärt sein. 250 Leute arbeiten für ihn. Seit ein paar Jahren ist er mit einer Staatsschauspielerin verheiratet. Ich frage: „Shakespeare?“ Er antwortet: „Ernste mongolische Stücke“ und deutet auf das imposante Schauspielhaus gegenüber dem Khan-Bräu-Biergarten. Sie haben drei kleine blonde Kinder. Klaus Bader, Ulan Bator, ist ein anderer als Klaus Bader, Weil im Schönbuch. Grinst zwar genauso, hat immer noch das Gemütliche, aber nach ein paar Minuten in seinem großen Büro in seinem protzigen Neubau fällt mir auch das Harte auf, das Zielstrebige. In der Mongolei klingelt sein Handy ständig, er spricht auf Englisch, auf Deutsch, auf Mongolisch, klingt sehr eifrig. Sagt, dass die Franchise-Nehmer das Risiko zu tragen haben, nicht er. Die sollen sich nicht so haben. Genau so hat das zu laufen, sagt er, genau so. Dann führt er mich durch seine Brauerei.

Sein Bier, Khan Bräu, ist in Ulan Bator die Edelmarke. Khan Bräu können sich nur Ausländer leisten, Diplomaten oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Und die paar Mongolen, die mit Gold, Kupfer und Kaschmir Geld machen. Der Einheimische, der sich ein Khan Bräu einschenken lassen kann, hat es geschafft. Jetzt will Bader, dass Franchise-Nehmer das Bier in den Provinzstädten der Steppe brauen und verkaufen. Er wird sie mit kleinen Hausbrauereien ausstatten, beraten, ihnen seine Marke zur Verfügung stellen und mit verdienen. Und dann ist da noch der Testlauf in Berlin. Baders Idee: Khan Bräu, die Exotenmarke, könnte das nächste Corona werden, das In-Bier. Es gibt einen potenziellen Lizenz-Nehmer, der das mongolische deutsche Bier in Österreich für den deutschen Markt brauen würde. Wenn der Test funktioniert. Aber Bader kümmert sich da nicht wirklich drum, es ist ein Nebengeschäft. Geld verdient er vor allem in der Mongolei. Er wirkt zufrieden bei der Führung, spricht in sein Handy, lächelt verschmitzt und dirigiert die mongolischen Brauereiarbeiter mit einem Bierglas in der Hand herum. Die Mongolen dürfen bei der Arbeit nichts trinken, das wäre ein Kündigungsgrund. Wir stehen da mit unseren Gläsern und schauen zu, wie sie Flaschen füllen, etikettieren, in Kartons packen. Er sagt: „Schön ist hier, dass die Leute in der Firma leben, die gehen nicht so früh heim.“

Bader ist Diplom-Informatiker, hat in Karlsruhe und Konstanz studiert, in Empfingen gearbeitet, auch mal bei der Fraunhofer-Gesellschaft und bei Hewlett-Packard. Er hat mir seinen Lebenslauf ausgedruckt, zwei Seiten deutsche Langeweile. Ach ja, er hat an der Export-Akademie Baden-Württemberg in Reutlingen internationales Marketing studiert. Er sagt: „Ich bin eher sesshaft, nicht der große Abenteurer.“ Jetzt sei er eben sesshaft in der Mongolei. Die Idee, herzukommen, hatte er an der Export-Akademie. „Mehr als 50 Prozent der Leute dort kommen aus dem Ausland, man lernt sich schnell kennen.“ Und entwickelt gemeinsam Ideen. Dort traf er Ogo. Der ist Baders Geschäftspartner und heißt eigentlich Otgonbaatar. In der Mongolei hat man nur einen Namen, der zweite ist immer der Vatername, in Ogos Fall Sanjmayataur. Aber der Name, der unserem Vornamen entspricht, reicht. Ogo hatte in Ostberlin studiert, in der Mongolei gehörte ihm eine Baufirma. Er kam nach Reutlingen, um Tschimge zu besuchen, seine Freundin, Baders Kommilitonin. Ogo trank mit Bader ein Bier oder zwei oder drei. Die Export-Akademie sei der Grund, dass er hier ist, sagt Bader noch mal, während er in seinem Büro sitzt und was unterschreibt. In den ersten zwei Stunden kommen achtmal Mongolen rein und legen ihm Rechnungen vor, die er gegenzeichnet, nachdem er sie gelesen und streng hinterfragt hat. Alles, was Geld kostet, zeichnet er ab. Die Mongolen sehen dabei etwas unsicher, ängstlich aus. Klaus Bader ist der Boss.

Ich bin eine Woche in Ulan Bator und habe das Gefühl, dass Klaus Bader jeden Tag etwas mehr auftaut. Gegen Ende sagt er nicht mehr, der Export-Akademie sei Dank, dass er hier erfolgreich ist. Gegen Ende bricht aus ihm Kritik heraus, an Deutschland, Bürokratie, Steuerwesen, Verwaltung, Langsamkeit, Überorganisation, vor allem am deutschen Sicherheitsdenken. „Man braucht für alles eine Genehmigung, alles ist reguliert.“ Er sagt “ Zoll!“ und verdreht die Augen. Gekränkt erklärt er, dass in Deutschland einer wie er von keiner Bank einen Kredit für eine risikoreiche Idee bekommen würde. Alles festgefahren. Große Angst. „Deutschland ist eine hundertprozentige Versicherungsgesellschaft.“ Hier in der Mongolei dagegen ist wilder Osten.

Man kann nicht sagen, dass er mit nichts ankam. Jahrelang machten er und Ogo Geschäfte. „Ein Partner war anfangs aus juristischen Gründen nötig, jetzt nicht mehr, aber wenn man sich gut versteht, warum was ändern?“ Klaus Bader kaufte in Deutschland Seife, Computer, Shampoo, Geschirr, Möbel, Bier, alles Mögliche. Ließ es in Container packen und via Transsibirische Eisenbahn, er nennt sie nur Transsib, verschicken. Heute kommen via Transsib Hefe, Hopfen und Malz aus Deutschland, Gläser, Fässer, Brauereigeräte, alles außer Brauwasser. Früher nahm Ogo die Container in Empfang und machte Geld damit. Ab und an flog Bader nach Ulan Bator und schaute sich um. „Es fehlte ein gutes Bier hier.“ Das war die Geschäftsidee.

Am nächsten Tag sagt Ogo: „Wir wollten BMW machen.“ Wie bitte? „Brauerei, Metzgerei, Wirtschaft. Metzgerei wurde nichts.“ Den so genannten Treber, das ist ein Abfallprodukt im Brauwesen, wollten sie als Schweinefutter nutzen. Eine Zeit lang hatten sie 200 Schweine, „aber die sind alle weggelaufen“. Das ist eine Umschreibung für Schwund durch Diebstahl. Ogo: ,Jetzt machen wir BBW, Brauerei, Bau, Wirtschaft.“ Er kümmert sich mehr um die Baubranche, außerdem führt er die frühere staatliche Brauerei APU, an der die beiden seit kurzem mit 51 Prozent beteiligt sind. APU steht für Archi = Alkohol, also Wodka, Piva = Bier und Undaa = Limonade. „Khan Bräu kann als Edelmarke auf jeden Fall überleben, aber wenn einer von außen mit Geld gekommen wäre und den Massenmarkt genommen hätte, hätte das weh getan. Das wollten wir nicht“, sagt Bader patriotisch, und Ogo nickt. Also kümmert sich Ogo um APU und Bader um die Edelmarke Khan Bräu, sie machen Arbeitsteilung. Ogo beschreibt das so: „Ich bin mutig, Klaus ist deutsch.“ Bader so: „Behördengänge würde ich hier nicht durchstehen.“

Heute gibt es in Ulan Bator Beck’s, Heineken, Stella Artois, Budweiser. Mitte der Neunziger gab es all das nicht. Das war der Grund des Erfolges. Bader flog heim und kaufte für 400 000 Dollar eine kleine Hausbrauerei. Die waren mal erfolgreich in Deutschland, in den Achtzigern: Man sitzt in der Kneipe zwischen Braukesseln, und jeder Laden hat eigenes Bier. Eine Zeit lang war das der Hit, dann nicht mehr. Eine Hausbrauerei landete auf der Transsib, und mit ihr kam Bader. Aus dem gemütlichen Schwaben war ein Weltmann geworden. Khan Bräu nannten er und Ogo die Marke, wobei das ä oft zu a wird, damit die Mongolen besser damit zurechtkommen. Der Anfang war hart, sagt Bader. Kurz nach Khan Bräu machte Casino Bräu auf, ein tschechisches Bier, auch Hausbrauerei. Aber nach zwei, drei Tagen gab es eine Riesenschlägerei bei Casino Bräu. Die Polizei schloss den Laden, noch heute hat der ein Imageproblem und Khan Bräu einen Vorsprung. Es gab andere Widrigkeiten, auch hier Bürokratie, aber hier auch Ogo. „In der Mongolei ist vor allem wichtig, mit wem du in die Schule gegangen bist oder an der Uni warst, wen du kennst. Oder, mit wem deine Kinder auf der Schule sind. So was hilft.“ Ganz wichtig war auf offizieller Seite die simple Tatsache: Klaus Bader ist Deutscher. „Das sorgte für Vertrauen.“ Dazu kam Mut. Sie luden den damaligen deutschen Außenminister Klaus Kinkel zur Eröffnung des Biergartens ein. Er kam, weil er sowieso gerade auf Besuch in der Mongolei war, und schuf so vollendete Tatsachen. Offiziell war in der Mongolei Alkohol im Freien verboten, Biergarten ging nicht. Sie fochten quasi mit dem Staatspräsidenten, einem legendären Anti-Alkoholiker, und es sah so aus, als würden sie verlieren. Also luden sie Kinkel ein. Hat der Außenminister von seiner Rolle gewusst? „Ich denke mal nicht“, sagt Bader und grinst stolz. Davor hatten sie schon mal vollendete Tatsachen geschaffen. „Wir kamen mit der Brauerei hier an und erfuhren, dass es ein Regierungsgremium gibt, das alle Neugründungen absegnen muss. Es tagte genau einmal im Jahr. In unserem Fall am Vortag. Wir haben einfach losgelegt, wir konnten ja nicht warten.“

Inzwischen ist Biergarten ein mongolisches Wort. Es gibt viele in Ulan Bator. „Anfangs gab es in Ulan Bator zwei Hotelgaststätten und uns, inzwischen sind hier 1200 Kneipen.“ Den traditionellen gesalzenen Milchtee mit schwimmenden Fettaugen bekommt man in den meisten nicht mehr. Ja, die Mongolei habe ein Alkoholproblem. „Die Russen haben ihre Trinkgewohnheiten hier gelassen“, erklärt Bader. Wodka ist billiger als Bier, eine Literflasche kostet drei Dollar, ein Bier zwei Dollar.

Vier Monate brauchte das schwäbisch-mongolische Duo, bis es neben der APU-Mehrheit auch die Macht in der Firma erboxt und die richtigen Schlüssel für das 1972 gebaute Großgebäude hatte, das renovierungsbedürftig ist. „Wir haben 4,5 Millionen Dollar bezahlt und müssen noch mal das Doppelte reinstecken. Der große Vorteil ist der Markenname. Jeder Mongole kennt APU.“ Jahrzehntelang hat APU fünf Prozent des mongolischen Staatsbudgets erarbeitet, noch heute ist die Firma wichtig: „Ein guter Steuerzahler mit 20 Millionen Dollar Umsatz. Wir haben gerade 1,3 Millionen Dollar Steuern und Sozialabgaben für ein Jahr bezahlt. Ein Lohnbudget von 600000 Dollar im Jahr.“ APU ist Masse: 370 Mitarbeiter. 100 000 Hektoliter im Jahr. Khan Bräu braut nur 1500 Hektoliter Edelbier jährlich.

Coca-Cola kennt man in der Mongolei kaum, dafür vertraut man Menschen aus Deutschland fast blind

Klaus Baders Deutschsem hat den Geschäften in vielerlei Hinsicht geholfen. Offener Ausschank war früher nicht erlaubt. Inzwischen ist es legal, weil Bader Deutscher ist. „Wir haben hier wirklich einen guten Ruf“, sägt er, und dann lachen wir, bis die Sessel quietschen. Ihm glauben die Mongolen, dass das Bier nicht gestreckt ist. „Früher gingen nur Flaschen, das habe ich mit meinem Ruf als Deutscher geändert.“ Jetzt will er den einsetzen, um dunkles Bier zu verkaufen. „Noch denkt ein Mongole, das sei schmutzig.“

Deutschsein half auch sonst. „Die Staatsbank gab Kredite, weil ich deutsch bin.“ Das Büro- und Apartment-Haus mit dem Restaurant und der Brauerei hat 3,2 Millionen Dollar gekostet. Bader ist stolz auf den Koloss. Die Führung durch den Bau spickt er mit Details über Generatoren, Wasserversorgung, Heizkreisläufe, Notfallversorgung, alles weit über mongolischem Standard. Sehr deutsch, perfekt für hiesige Verhältnisse. Das sechsstöckige Gebäude im Zentrum, „zentrale Lage, der absolute Standort“, ist ihr Vorzeigeobjekt. Viel Bürofläche, die vermietet ist, drei Stockwerke mit 16 Eigentumswohnungen, die sie verkauft haben, vor allem an Ausländer und an Mongolen, die 700 Dollar pro Quadratmeter für 140 Quadratmeter große Wohnungen zahlen können. Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn liegt bei 25 Dollar. 80 Dollar im Monat ist Durchschnitt. Ich sage, dass ich gern einen Einheimischen kennen lernen möchte, der oben wohnt. Bader telefoniert, während ich mir die Pläne für das Kloster anschaue. Na ja, es ist ein Kloster-Imitat, in einem Tal 15 Kilometer nördlich von Ulan Bator. Bader hat aufgelegt, wir haben einen Termin am nächsten Tag, oben bei Damdil. Er erklärt den Plan. „Von außen sieht es aus wie ein altes Kloster. Aber innen ist es für Touristen, Steckdosen, sanitäre Einrichtungen, alles, was nötig ist.“ Er war auf Messen in Deutschland, die Reiseveranstalter haben sich auf das geplante Ferienparadies gestürzt. Nächstes Jahr dürfte es in den Katalogen auftauchen.

Am nächsten Tag fahren wir in den Norden, zur Klosterbaustelle. Eine große Fläche, eingezäunt. Ein Wächter, der auf einem Billardtisch im Freien sitzt. Am Horizont Jugendliche, die Fußball spielen. Ab und zu eine Kuh, die durch die Löcher im Zaun auf die Baustelle läuft und auf der anderen Seite wieder raus. In der Mitte sind ein paar Gruben. Nächste Woche, so der Plan, kommen 40 Arbeiter aus China. Mongolen könnten nicht mehr traditionell bauen, „die Kunst ist verschüttet, deshalb die Chinesen“, hatte Bader gesagt. Ich gehe ins Dorf, Cola und Schokoriegel kaufen. Ein garagengroßer Laden, ein Container mit Theke, hinter der auf einem Regal alles steht, was ich will. Eine Coca-Cola bitte. Die beiden lächernden Frauen deuten auf jede Zigarettenmarke einzeln. Ich wiederhole Coca-Cola. Sie zeigen synchron auf die Marsriegel. Cola? Ich deute auf die Flaschen, eine nimmt eine Fanta, die andere eine Sprite. Ich schüttle den Kopf und sage: Coke. Zeige deutlich auf die Flaschen. Sie holen abgepacktes Brot vom Brett darunter. Ich bin in einem Land, in dem sie Coca-Cola noch nicht kennen. An der Wand klebt sogar ein Coke-Werbeposter. Ich gehe hin und zeige darauf. Schließlich lachen die beiden und geben mir eine Cola. Wir wiederholen das Ganze mit dem Wort Mars. Sie deuten auf Zigaretten, auf Kugelschreiber, auf Fanta, Sprite, nicht auf Cola, auf Waschpulver, auf Snickers. Irgendwann bekomme ich ein Mars. Jetzt fühle ich mich gut in der Mongolei, einem Land ohne Sinn für westliche Markenartikel. “Coca-Cola hat eine Abfüllanlage eröffnet, es fahren jetzt drei Busse mit Werbung mm“, sagt Klaus Bader. Sicher? ,Ja, unsere Baufirma hat die Fassade für Coca-Cola gemacht.“ Für die Konkurrenz? Er erklärt, APU mache auch Softdrinks, aber APU sei unteres Preissegment. So wie sich APU-Bier nicht mit Khan Bräu beißt, stört Coca-Cola die APU-Limos nicht. Später fahren wir in den fünften Stock des Khan-Bräu-Hauses, zu einer mongolischen Familie, die ein Apartment gekauft hat. Er, Damdil, war 13 Jahre in Ostberlin bei der mongolischen Handelsvertretung, jetzt ist er im Kaschmir-, Kamelwoll- und Hirschgeweih-Handel. Erfolg, schreit das Apartment: Edelmöbel aus Deutschland und Italien, Kronleuchter, tiefe Ledersessel, eine Badewanne, die ein Swimmingpool ist. Guter Parkettboden, edle Fliesen, Designerofen. Es gibt Pralinen, Haribo-Gummibärchen und Schokoriegel in Glasschalen, eine Bar und eine Küchentheke. Die Familie ist freundlich, Damdil sagt, „ja, der Klaus“. Klingt lobend. Genauso Tuul, seine Frau, die in Ostberlin studiert hat: „Ja, der Klaus.“

Der sitzt in seinem Biergarten. Ogo ist gerade wieder zu APU gefahren. Bader hält seinen Bierkrug, einen Steinkrug, mit seinem Namen in den Metalldeckel graviert. Ständig klingelt das Handy, er telefoniert, schüttelt Hände, lobt die Bedienung, Weil sie so gut Deutsch spricht. Alles ganz normal: Klaus Bader wirkt auch in Ulan Bator schaffig. Nicht geheimnisvoll. Nur deutsch.