Klaus Zapf – Der Geist bewegt die Masse

Portrait
unveröffentlicht
Und im Hof steht Lenin: Klaus Zapf hat aus einem Umzugskollektiv eine Berliner Millionenfirma gemacht. Ein Portrait

Chaos, hölzerne Karusselpferdchen, alte Zeitungen, Kisten, Flaschen, Plastiktüten, Eimer, Ordner, Chaos. Klaus Zapfs Büro in Kreuzberg ist groß und vollgeramscht. Er sitzt am Tisch, locht Din-A-4-Blätter. Spricht. Hat an beiden Tagen sein T-Shirt falsch herum an, Nähte außen, Waschzettel vorne. Hinter ihm steht ein Karl-Marx-Bild, woanders eine Leninbüste. Zapfs Haare, grau, lang, sind zum Zopf gebunden, sein grauer Rauschebart reicht auf die Brust. Oft streicht er ihn mit beiden Händen, hält ihn fest. Der 56-Jährige wirkt wie ein Waldschrat. Er hat viel abgenommen. Ist immer noch dick, hat eine schicke englische Kassenbrille mit breiten schwarzen Bügeln auf. Vor ihm auf dem großen Tisch liegt die Tüte mit den Erdnüssen. Er trinkt Kaffee, sagt, da sei er süchtig nach, isst Eintopf, Müsli, Äpfel. Sein Geschäftsführer bringt eine Tüte mit Kotletts und Wiener Würstchen. Zapf locht Din-A-4-Blätter, überkorrekt, heftet sie einzeln ein, legt ab und zu Blätter der Breite nach hinein als Trenner, locht die auch exakt. Wirkt pedantisch, während er das mechanisch durchzieht, stundenlang und dabei erzählt. Zwei Tage lang, lochen, heften, reden. Er sei gut organisiert, finde sofort alles. Einmal macht er eine halbe Stunde Pause, liest das Zentralregister im Bundesanzeiger. „Will wissen, wer pleite geht.“ Hobby? „Hobby, hast Du ne Klatsche? Ich muss das lesen, damit ich weiß, mit wem ich keine Geschäfte mache.“

Wieviel Leute arbeiten bei Zapf Umzüge? „Keine Ahnung.“ Er sieht den fragenden Blick. „Mitarbeiter sind wichtiger als Kapital. Früher waren die Lastwagen wichtiger. Heute kann man ja alles mieten. War früher ganz anders.“ Es arbeiten 350 Leute in seiner Firma und noch mal mindestens soviel in zehn Franchise-Ablegern in deutschen Großstädten. Die Firma war in den 70er Jahren neu, hat den Markt aufgemischt, musste anders sein. „Wir wurden total angefeindet, haben ja das klassische Bild des Unternehmers konterkarriert, dieses Jeder hat doch den Schopf des Glücks in der Hand. Die meisten kriegen es nur nicht mit. Dazu muss man Unternehmer sein. War so die Einstellung. Als ich angefangen hab, war jeder Chef 50, 55 Jahre alt. Heute sind das lauter junge Freddies.“

Reden ist für ihn unterhalten. Er bietet was. „Ich gehe in keine fremden Wohnung, in keine. Ich lass mich nicht einladen, es geht mir auf den Sender. In Wohnungen gehen ist für mich eine Arbeitssituation, weil ich ja immer durch Wohnungen gelatscht bin. Ich will das nicht mehr. Ich hab auch keine Freunde, ich liebe meine Freiheit, möchte mich niemandem gegenüber verpflichten. Wenn ich wen in seiner Wohnung besuche, bin ich ihm verpflichtet. Also, mach ich nicht.“ Auch lasse er sich nichts schenken oder einladen. „Nichts! Ich bezahle alles. Die Leute wirst du sonst nie mehr los.“ In keine Wohnung? „Nein, keinen Schritt. Keine Ausnahmen.“ Er provoziert gerne: „Ich hab keine Freunde. Nur die hier in der Firma. Ich möchte mich niemand gegenüber verpflichten.“ Provozieren, Schocken, gehört für ihn zum Unterhalten. Er lullt ein und trifft dann um so härter mit Worten. Ruft ab und zu auf eine Frage: „Schwachsinn“ oder „Dass du sowas fragst, zeigt, dass du nichts kapiert hast“.

Keine Freunde, in keine Wohnung, das ist doch schräg. „Ich hatte immer eine Kneipe, in die ich konnte. Wenn du die entsprechende hattest, war alles klar. Ich hab immer den Typ Tränke bevorzugt. Ganz einfach. Arbeiten, volllaufen lassen, Heim, schlafen.“ Und: Nie mit Leuten aus der Firma, nie. Seit einiger Zeit trinke er jetzt nicht mehr, seit dem Infarkt. „Hatte nie Rückfallprobleme.“ Dabei: „Ich hab immer exzessiv getrunken. War zum einen ein Abschalten, alle beruflichen Belastungen waren dann beendet. Ich hab auch nur getrunken, wenn keine Probleme da waren. Bei Problemen saufen ist gefährlich.“ Er denkt nach. „Ich hatte immer ein Jahr, in dem ich gesoffen habe und eines, in dem ich nicht gesoffen habe. Psychisch abhängig war ich davon nie, glaube ich.“ Als Unternehmer müsse man sich ja immer fragen, warum mache ich was? „Mitarbeiter und Kunden dürfen dich nie abgestürzt erleben. Wobei, in der Umzugsbranche wird das noch am ehesten akzeptiert“. Denn: „Es geht um Geringstdienstleistungen. Mir war das immer recht. Ich hatte kein Streben nach Höherem. Doch schon, irgendwas mit mehr Prestige, wär schön gewesen, keine Frage, aber es ging nicht.“ Es sei simpel: „Der Kunde hat den Anspruch, dass du dir den Arsch aufreißt, wenn er bezahlt.“ Umziehen sei simple Arbeit. „Ein Grundbedürfnis wie Essen, Schlafen, Sex.“

Er gibt einige Banalitäten von sich, schon oft medial verflacht Verbreitetes. Aber manch anderes klingt neu, weil es sich aus dem Gespräch heraus ergibt, und einfach richtig gut: „Eine Firma aufzubauen ist weniger schwierig als drei Kinder aufzuziehen. Eine Firma hat eine Eigendynamik. Du allein bist nichts besonderes. Wenn du dich nicht zu blöd anstellst, Fehler nur einmal machst, dann ist schon das Größte geleistet.“ Es seien immer Leute da, „von denen du was lernen kannst.“ Wenn es Probleme gab, gab es immer auch einen in der Firma, der sie lösen konnte, manchmal er, manchmal ein anderer. „So ein Unternehmen hat wirklich eine Eigendynamik. Du bist nichts besonderes. Es hat hier geklappt wegen dem einen oder anderen Protagonisten.“ In bestimmten Situationen seien Talente entdeckt worden, Leute über sich hinausgewachsen. Zapf Umzüge sei „eine Ansammlung von Paradiesvögeln gewesen, die sich bei einer normalen Firma nie gemeldet hätte, es hätte nicht zu ihrem Selbstbildnis gepasst. Viele Möchtegernschriftsteller und -popstars.“ Vor Kurzem kam wer von damals vorbei. Ist heute Professor.

Zapf hat den letzten der Kollektivisten, die er mal dabei hatte, vor kurzem ausbezahlt, und das war der letzte Mohikaner. Das Wort Kollektiv fällt dennoch fast jedem ein, der Klaus E. H. Zapf Umzüge liest oder hört. So stand es auf den Lastern. Das blieb hängen. Aber: „Die Firma gehört zu 100 Prozent mir, aber ich habe einen Generalbevollmächtigten mit einer 50-Prozent-Option, aber die wird als 50 Prozent Beteiligung gelebt. Und er hat 100 Prozent Verantwortung.“ Er leite hier kaum noch. „Die“, er deutet durch die Glaswand in das Großraumbüro, „haben mir gesagt: Bevor Du hier weiterinvestierst, nimm Dein Geld raus und beteilige Dich woanders.“ Wenn er sein Geld in der Firma gelassen hätte, „hätten wir uns kanibalisiert“. Wie? „Noch zwei Laster kaufen, würde bedeuten, dass wir sie auslasten müssen. Unsere Preise würden sinken.“

Geringstdienstleistung, sagt er noch mal. Dass er gerne was mit mehr Prestige gehabt hätte, kann man an dem Firmenmotto Mens agitat molem ableiten: Der Geist bewegt die Masse. Lateinisch steht doch eher für was Intellektuelles. Auch dass er Schopenhauer und andere alte Geistesgrößen zitiert oder die drei Meter große Lenin-Statue draußen auf dem Hof, ein Pfand, das übrig blieb, weil deren Umzug nicht bezahlt wurde, deutet doch was an, das mehr als Geringstdienstleistung ist. Lenin stehe im Hof, „weil er der spannenste Speditionsauftrag der deutschen Geschichte war. Allerdings: Es war ein kostenloser Transport.“ Also nicht so gut. Die Deutsche Reichsbahn transportierte Lenin aus dem Schweizer Exil im verplombten Wagon nach Rußland, damit er dort die Revolution starten und Rußland als Gegner der Deutschen aus dem Ersten Weltkrieg nehmen konnte. Was er machte. „Der Lenin steht aber nur da unten, um uns vor kostenlosen Transporten zu warnen.“

Nix Ideologie, „Genosse Sachzwang, das war unser Macher“. Sie seien gierig, experimentierfreudig, belastbar gewesen. Klingt sehr pragmatisch für einen, der vorher gesagt hat, er lese viel Zeitung, „weil das Kapital versucht zu verunklaren, soviel es geht“. Gleichzeitig hat er immer solche Pragmatikersätze: „Alles ist möglich, aber man sollte von der Realität ausgehen, wenn man was verändern will.“ Zapf ist zwar erfolgreicher Umzugsunternehmer, aber, inzwischen dürfte das klar sein, eigentlich ist er Entertainer. Er kultiviert das Gefühl, er sei altersweise, mit Sätzen wie: „Man muss sich selbst lieben und Frieden mit sich selbst halten. Wenn nicht, geht es darum, wie man es kompensiert.“ Er habe sämtliche Formen des Weltverändernwollens abgelegt und die der Seelenmassage abgeschlossen. Oder: „Man ist Spieler und wird gespielt. Es bringt nichts zu hadern mit sich selbst und anderen. Ich wollte nie ein anderer sein, das rächt sich nämlich, ist für viele ein Problem. Sich selbst genug sein, das können viele Menschen nicht.“ Seine Leute würden merken, dass er authentisch ist. Einiges, was er sagt, klingt banal. Vieles anfangs spannend, wenn man später genauer nachdenkt, wird es floskelhaft oder gar unverständlich. „Lösen? Die Kunst ist, nichts zu lösen. Unter dem Glacé der Lösung verbirgt sich der Abgrund.“

Danach redet er über deutsche Politik, Wirtschaftspolitik und kommt immer wieder zu dem Punkt: Ist nicht so schlecht hier. Wird zuviel gejammert. Infrastruktur, Autobahnen, „super“. Er habe nicht mal was gegen Bürokratie. Zapf erzählt das allen. Man hört es gern. Auch wenn man es irgendwo schon dreimal als seine Zitate gelesen hat. „Ich zahl‘ lieber mehr Steuern, wenn dafür der Staat nicht zerfällt und zerfleddert.“ Klar sagt er das, er, der jahrelang das meiste Geld mit Umzügen nach Berlin gemacht hat, die das Arbeitsamt als Berlinförderung finanzierte. „Zeitweise lebten wir nur von dem, das Arbeitsamt zahlte auch immer viel zu viel für die Umzüge.“ Und: Die Berlinzulage habe der Firma geholfen zu überleben. 20 Prozent der Löhne übernahm der Staat. Klar, dass er heute, dankbar, gerne Steuern zahlt. Oder dass er Prämien gibt für Tipps zum Ergreifen von Schwarzarbeitern. „Es geht nicht um  Schwarzarbeiter, arme Schweine. Es geht um die Hintermänner.“ Hat schon mal wer angerufen? „Klar.“

Die Branche war immer gut, ihn zu unterhalten: „Wir haben zugeschaut beim Aufsteigen und beim Absteigen. Junge Fittis, frisch aus der Uni zur Treuhand, dicke Gehälter, Firmen unter Wert verkauft und dort dann einen Job bekommen, gut bezahlt, aus dem sie bald geflogen sind. Also raus aus den teuren Wohnungen. Wir haben sie hingebracht und rausgeholt.“ Aufstieg und Abstieg unter Beobachtung von Klaus E. H. Zapf. „E. und H. stehen für die Vornamen meiner Großväter. Emil und Heinrich. Das sollte klar machen, dass es die Firma schon seit hundert Jahren gab.“ Zapf Umzüge verdiente viel, als die Regierung von Bonn nach Berlin kam. „Das war gut organisiert, ging sehr schnell“, ein Grund für seine Wertschätzung der deutschen Bürokratie. „Ich dachte, wir verdienen da viel mehr.“ Das Osteuropa-Geschäft bringe nichts mehr, „das ist schon lange gelutscht“. Heute verdient die Firma an Firmen, die umziehen, mit Büros und Mitarbeitern, denen sie den Umzug finanzieren.

Aber ja, er sei aus dem laufenden Geschäft draußen, seine Leute hätten dafür gesorgt. Einmal sagt er „abgeschoben“. Nur: Wenn man das mit dem Kollektiv von damals weiß, versteht man solche Sätze ganz anders, interpretiert: Er hät sich zwar zurück, aber wenn es wichtig wird, trifft Klaus Zapf die Entscheidungen. Er ist immer da, hat ein Bett hier, eine Dusche, übernachtet oft in der Firma. Die ist, nahe der Bahnschienen am Berliner Ostbahnhof, in einer Halle, nicht schön, nur praktisch. Kein Ort, an dem man leben will. Sie ist Klaus Zapfs Zuhause, eines von vieren, er habe noch eine Datsche, in der er 60 bis 80 Nächte im Jahr verbringt, die Wohnung, in der Frau und Kind leben, dann noch was eigenes und die Firma. Früher habe er eine Wohnung und eine Stammkneipe gehabt, oft überhaupt nicht geschlafen. „Jetzt geh ich selten nach neun Uhr ins Bett.“ Er erzählt: „Manchmal bleibe ich morgens liegen, wenn ich das Gefühl habe, dass ich es tun möchte.“ Anders als früher, als Zuverlässigkeit, Frühaufstehen und Einsatz Geschäftsprinzip waren, und er Vorbild für harte Maloche.

Er hat Prinzipien: „Wir könnten hier ohne Probleme Ein-Euro-Kräfte beschäftigen, aber das machen wir nicht“, sagt er. „Werden wir nie tun.“ Obwohl es eine viertel bis eine halbe Million Euro im Jahr bringen könnte, noch einmal: „Werden wir nie tun. Das wären dann Arbeiter zweiter Klasse, und das würde auch die erste Klasse herabsetzen. Könnten wir nicht machen.“ Aus motivationstechnischen, also betriebswirtschaftlichen Gründen, sagt er. Aber argumentiert eher so, dass man versteht: Aus dem Gefühl der Gerechtigkeit, der Fairness heraus, würde er das nie machen. Die Stundenlöhne in der Branche seien geringer angestiegen als die Inflationsrate. Bei der Arbeitsmarktsituation in Berlin und im Umland seien keine Lohnsteigerungen möglich. „Wer sich in Berlin über Wasser hält, kann sich überall über Wasser halten.“ Gelte für Firmen, vor allem aber für Menschen. Dann wieder mal ein bißchen Entertainment: „Globalisierung gab es schon immer. Unser Laden war drei Jahre alt, da haben wir schon Hühnerscheiße nach Nepal gekarrt.“ 1978.

Es läuft jetzt einfach so. „Früher war der Fremdkapitalanteil zu hoch, ich war ein Pumpgenie. Das haben wir zurückgefahren.“ Und er habe sich dann ein bißchen rausgenommen. „Ich lernte, leiser zu werden und mich auf das zu konzentrieren, was ich kann: verkaufen und über Verbesserungen nachdenken.“ Seine Idee, seine einsam gefällte Grundsatzentscheidung war, auf die Deutsche Bahn zu setzen und von der die Möbel von Stadt zu Stadt transportieren zu lassen. War billiger, als die eigenen Laster auf lange Strecken zu schicken. Aber: „Die Bahn hat total versagt, hat jetzt keine Ladestationen mehr. Sie wollte täglich wiederkehrende gleiche Losgrößen, was anderes wollte sie nicht machen.“ Die Umzugsbranche hat nie die gleiche Menge zur gleichen Zeit. Sie braucht Flexibilität. Also steuerte Klaus Zapf zurück, musste er, zu Danzas, einer Spedition, die jetzt für Zapf von Stadt zu Stadt transportiert. Eine andere Entscheidung: Früher gab es Filialen in anderen Städten, keine Franchise-Ableger. Heute schon. Die gehören ehemaligen Mitarbeitern, waren nötig, sagt er, „als Motivationsmittel“.

Zapf Umzüge mache 20 Millionen Umsatz im Jahr. Ein Mitarbeiter kommt rein und nennt ihm schnell einen Börsenkurs. Zapf spielt an der Börse. „Ich hab hoch verkauft und will jetzt billig einkaufen.“ Er lächelt. Immer wieder mal kommt durch, dass ihm Geld nicht wirklich wichtig ist. „Aufhören könnte ich schon seit zehn Jahren. Das hier“, er deutet durch das Büro, „ist Neigung.“ Wieder erklärt er, man könne es nie oft genug sagen, den Leuten, dass eine Waschmaschine von mindestens zwei Mann getragen werden muss. Wenn es einer allein macht, wird die Seitenwand eingedrückt. Nicht einmal sagt er was Abfälliges über die Möbelpacker, das sind seine Leute. Aber als er sagt, man könne das nicht oft genug sagen, klingt er entnervt. Auch den Lastwagenfahrern müsse man es immer wieder sagen, dass sie nie allein rückwärts fahren dürfen, nur mit Einweiser. „Zwei-, drei-, viermal im Monat musst du mit den Mitarbeitern reden. Transparenz, Austausch ist wichtig.“ Aber ja, es sei auch schon ein bisschen Nostalgie dabei, wenn er gebetsmühlenartig wiederholt, so und nicht anders muss eine Waschmaschine transportiert, so rückwärts rangiert werden.

Jetzt locht und heftet er und redet über die Schönheit des Lebens. Er gehe viel spazieren. Da könne er nachdenken und genießen. In Eppingen, Ba-Wü, wo er herkommt und in letzter Zeit oft hinkommt, gehe er „wie früher durch den Wald“. Mache er richtig viel. „Wenn ein Problem auftaucht, ist mein erster Reflex: Spazierengehen! Keine Panik! Spazierengehen! Nachdenken!“ Er zehre viel von dem, was er als Kind und Jugendlicher in Eppingen gelernt habe, durch einfaches Zuhören bei den Älteren. „Ich hab am kollektiven Gedächtnis teilgehabt. Die erzählten ohne Hintergedanken. War keine zielgerichtete Kommunikation.“ Er vermisse das. „Wenn die Ferkelhändler nach dem Markt ins Cafe Schäfer kamen und ihre Stories erzählt haben. Biertischkultur. Prima.“

Von Metzger Hoffmann in der Hauptstraße, den er relativ oft zitiert, habe er viel gelernt. Er habe immer zugehört, Erfahrungen mitgenommen, sie benutzt. Metzger Hoffmann erzählte viel vom Russlandfeldzug. „Also, die bessere seiner Geschichten aus Russland ist die, sie besetzen ein Dorf, das völlig zerbombt ist. Hoffmann ist in einem Keller, in dem ein Kartoffelberg liegt. Die Decke ist weggesprengt. Plötzlich schlagen Granaten ein, es geht los. Er will raus und will auf den Kartoffelberg. Die Kartoffeln rollen weg, je mehr er tritt, desto mehr rollen sie weg.“ Was sagt uns die Geschichte? „Viel über Panik. Ruhe bewahren!“

Früher, als er im Tagesgeschäft war, ließ er sich fahren. Daraus wurde dann die Mediennummer: Der langbärtige, schrille Klaus Zapf wird durch Berlin chauffiert. Er hat auch als Zapfer – Klaus Zapf als Zapfer – in der Kneipe Walhalla gearbeitet. Er redet vom praktischen Teil der Arbeit, springt immer wieder, ganz gekonnt, zu Schopenhauer oder Marx oder Canetti. Wobei, „Ich nehme keine Bücher mehr in die Hand. Es gibt da nur noch Befindlichkeiten und Weinerlichkeiten, das muss ich nicht wissen, ich bin mir selbst genug.“ Er beruft sich einmal auf Gott, „den großen Disponenten“, Zapf ist schließlich Umzugsfachmann. Das Thema „großer Disponent“ kommt, als er von seinem Herzinfarkt spricht. „Ich dachte immer, ich erlebe die 40 nicht. Ich war überzeugt, ich schaffe es nicht bis 40, wie mein Vater.“ Aber jetzt ist er 56, ganz einfach, ohne größere Probleme. Er erzählt noch ein paar Geschichten von Metzger Hoffmann, kollektives Wissen aus dem Nordbadischen. Kein bisschen zielgerichtet, einfach so, unterhaltend. Klaus Zapf, Entertainer, Geringstdienstleister, Denker.