Die Welt von „Lettre International“

Reportage
zuerst erschienen im März 2000 in brand eins

Das Büro ist in Berlin, Rosenthaler Straße. Nette Gegend, früher sehr billig, wird gerade hochsaniert. Viele Baustellen, einige Neubauten, abartig hohe Designladendichte. Abends leuchtet das Licht der bunten Lumibären aus allen Richtungen und Schaufenstern. An jeder Ecke ein edler Italiener, direkt gegenüber ein Sushi-Schuppen. Cocktailbars und unschick schicke Cafés überall in der Umgebung.

Wir hatten einen Termin, Frank Berberich und ich, den hatte er dreimal verschieben lassen, meistens von einer Frau mit Telefonstimme. Heute aber war der Tag. Am Abend vorher hatte sie wieder angerufen, den Termin von elf auf zwei Uhr verschoben. Der Macher einer vierteljährlich erscheinenden Kulturzeitschrift, der einzigen, die in Deutschland Geld macht, und das auch noch ohne Sponsor. Der Macher, der doch eine ruhige Kugel schieben könnte, ein gestresster Manager?

Der Eingang ist im dunklen Durchgang zu einem Innenhof, die Treppe wendelt sich steil hoch, die Stufen sind unterschiedlich tief, manche rund, manche kantig. Im gleichen Haus: „ESF-Projekt“, 4. Etage, „See-You in Mitte, generationsübergreifendes Projekt des Vereins Selbst-Hilfe im Vorruhestand“ und etwas, das „Nopnop“ heißt. Ich hatte keine Hausnummer gesehen, nur geraten, dass „Lettre“ hier ist. Und es ist da. Im ersten Stock. Er aber nicht.

Ein Riesenraum, dreieinhalb Meter hoch, Holzboden, überall Metallregale bis an die Decke, voll dicker Bücher, Ordner, Zeitschriftenstapel, mehrere Trittleitern. Es riecht wie in einem ungelüfteten Antiquariat. Ein voll gepacktes Regal, völlig verdreht und schräg. Das liegt an der krummen und gleichzeitig bauchigen Wand. Riesige Tische, voll gestapelt. Sechs Frauen, alle jung, alle in Schwarz, Nofreteten, mit besonderen Nasen, Wangenknochen, Mundformen, alle dunkelhaarig. Halt, eine trägt Violett. Sie sagt: „Er ist nicht da, ich weiß nicht, wo er ist, vielleicht kommt er gleich.“ Ich setze mich, sie sagt: „Tut mir Leid.“ Ich: „Kein Problem, ich warte und lese das neue „Lettre International“.“ Sie schaut mich an wie ein Marsmännchen, das nicht grün, sondern, sagen wir, rot ist und tatsächlich „Lettre“ liest. Sie zieht die Augenbrauen hoch und lächelt ganz seltsam.

Irgendwas lief falsch. Ich lese „Lettre“, na ja, ich versuche es. Wie immer fang ich an, die Texte zu erkämpfen und gebe nach zwei, drei Absätzen auf, um mir zu sagen: Könnte interessant sein, aber das muss ich mal lesen, wenn ich viel Zeit habe. Das passiert fünfmal. Dann suche ich, wie jedes Mal, nach einem kurzen Text. Wie immer finde ich einen, wobei kurz bei „Lettre“ heißt, immer noch sehr, sehr lang und hochkompliziert. Könnte interessant sein, aber ich werde ihn lesen, wenn ich mal Zeit habe.

Die Texte in „Lettre“ sind Wüsten, durch die sich die Leser zu schleppen haben.

„Lettre International“ ist eine Hardcore-Hochgeist-Zeitschrift, die alles, wirklich alles anders macht als andere. Keine Zugeständnisse an niemanden, die Texte in „Lettre“ sind Wüsten, durch die sich die Leser zu schleppen haben. Ohne Hilfe. Quasi auf den Knien. Auf den Hirnzellen. Eine staubtrockene, geradezu ins pornografische gesteigerte extrem-intellektuelle Beschäftigung. Sie macht einigen großen Spaß. Ich aber bin zu blöd für „Lettre“ und Sie sind es vielleicht auch.

Soweit die Warnung, jetzt die Lockungen: Die Geschichte von „Lettre“ ist die einer Mission in hohen Sphären, eine Geschichte über Risikobereitschaft von Renaissance-Menschen in der heutigen, profanen Zeit, eine Risikobereitschaft, die sich ausgezahlt hat. Die Aussage von „Lettre“, egal welche Ausgabe, lautet: Wer mich liest oder herumliegen hat, ist geistige Speerspitze, besser als der Rest, Mitglied im Orden. Damit kann man Geld verdienen, „Lettre“ ist eine Erfolgsgeschichte. Natürlich geht es nicht um viel Geld, aber doch um ein Leben mit Feinkost und Erstausgaben alter Bücher.

Ich versuche die Zeitschrift zu lesen und komme, wie jedes Mal, zu dem Punkt, an dem ich mir klein und blöd vorkomme. Dann mache ich das, was ich immer mache, ich schaue mir das „Lettre“- Impressum an, die Ausgaben, Länder, Städte im Osten: Die Mazedonien-Ausgabe erscheint in Skopje, die bulgarische natürlich in Sofia, die kroatische in Zagreb. In meinem Kopf arbeite ich den Atlas ab und habe das Gefühl, spielerisch etwas zu lernen. Wie bei „Die Sendung mit der Maus“. Immer wieder mal läuft eine der dunkelhaarigen, schwarz gewandeten Frauen mit oder ohne Schlitz im Kleid von einem Schreibtisch zum anderen. Alle haben dabei eine Ausstrahlung, die sich mindestens in der Kategorie von Beach-Volleyballerinnen bei Sonnenschein bewegt.

Immer gern lese ich die erste Seite, das Inhaltsverzeichnis und die Autorenvorstellung. Namen mit vielen Accents, Punkten, Anhängseln, die es in meiner Sprache nicht gibt. Die Menschen sind meist Herausgeber von Zeitschriften wie „Moderna Tider“, wichtige Vertreter der Arte Povera, Professoren, Mitglieder kafkaesker Akademien, leitende Wissenschaftler am Smithsonian Astrophysical Observatory. Nobelpreisträger, Romanciers, Fellows am Woodrow Wilson Center in Washington D.C., Filmtheoretiker. Sie haben Bücher publiziert wie „Nach der Zukunft: Die Paradoxe der Postmoderne und der zeitgenössischen russischen Kultur“. Dänen oder Deutsche, die in Moskau und Tokio leben oder in Sào Paulo, New York, Sydney und Lagos. Oder der hier: „Studium an der Sorbonne, das er nach zwei Monaten abbrach, um sich dem Schachspiel und der Dichtkunst zu widmen. Interessiert sich für Assyrologie und die Sprachen der amerikanischen Ureinwohner. Der Autor beschreibt sich als heimatlos und als kompromisslosen historizistischen Idealisten.“ Diese halbe Seite, vermutlich das Erfolgsrezept, bietet Eskapismus für möchtegern-intellektuelle kosmopolitische Leser. Leser? Betrachter.

Wer für 17 Mark „Lettre“ kauft, hat ein Symbol erworben.

Nach einer Stunde ist mir richtig langweilig. Zum Glück haben sich eine Frau und ein Mann an den großen Tisch dazugesetzt. Ich lese und lausche und habe das Gefühl, beobachtet zu werden. Unsicher hebe ich den Kopf, beide schauen mich an, so wie vorhin die Frau in Violett, und mir wird klar, die staunen, weil sie denken, da liest einer tatsächlich „Lettre“. Die Violette bietet mir Gummibärchen an und sagt, Herr Berberich werde sicher bald kommen, er sei mit Ivetta Gerasimchuk in der Stadt. Ach so. Sie kommt alle zehn Minuten, um mir zu sagen, dass er es wohl vergessen hat. Dabei wirkt sie so, als sei das normal für ihn. Der Mann am Tisch will die Frau anmachen. In fünf Sätzen benutzt er dreimal das Wort Poststrukturalismus. Er bringt das Gespräch auf Kino, aktuelle Filme aus Polen, Ungarn, Slowakei, Dokumentationen aus Weißrussland und aus der Mongolei. Er nennt Titel in Originalsprachen. Ich, der Lauscher, bin beeindruckt. Sie ist es nicht. Das wird wahrscheinlich nichts.

Ich gehe aufs Klo, blicke durch ein großes Fenster in den Innenhof, von oben winken mir zwei Frauen, die an Schreibtischen sitzen. Nopnop? Generationsübergreifendes Projekt im Vorruhestand? Ich winke zurück und entscheide mich. In dem lang gezogenen Raum gibt es nämlich zwei Kloschüsseln ohne Trennwand, ich nehme die etwas weiter vom Fenster entfernte. Setze mich, von oben winken wieder die Frauen, eine hebt lobend den rechten Daumen, ich winke zurück und denke: sehr komisch.

Vielleicht ist „Lettre“ spannend. Muss jeder selbst entscheiden. Die Geschichte der Vierteljahreszeitschrift ist es, trotz oder gerade wegen Themen wie „Der Schleier der Isis. Zur Gedächtnisgeschichte des Abendlandes“ oder “ Wissensrevolutionen. Zur Wissenschaftsgeschichte Thomas Kuhns“ oder „Traurige Bauten. Albaniens Schriftstellerverband“. Eine „Lettre“- Ausgabe enthält so viel Buchstaben wie ein dickes Suhrkamp-Taschenbuch, das sind die bunten, eng und klein bedruckten.

„Lettre“ hat immer gute Presse, wird prinzipiell hymnisch gelobt. Das liegt wohl am Kapieren der Zeitschrift, also: Ich habe die Texte verstanden, obwohl es schwer war, ich bin stolz, Mitglied der Großhirnrinden-Gang zu sein, toll, gute Zeitschrift. Oder am Nicht-Kapieren, also: Das sind für mich hochgeistige Laubsägearbeiten, die ich, zu meiner Schande muss ich es wenigstens mir gestehen, nicht nachvollziehen kann. Loben wir mal, sonst könnte ich ziemlich blöd dastehen. Deshalb ist „Lettre“ auch die Geschichte eines glasklaren Images. Wer für 17 Mark „Lettre“ kauft, hat ein Symbol. Die Zeitschrift ist so groß, dass sie im Wohnzimmer höchstens von der aufgeschlagenen „Bild-Zeitung“ verdeckt werden kann. Vielleicht hat „Lettre“ deshalb diesen Erfolg in einer kleinen Marktnische, an die niemand glaubte. Außer dem Macher.

Frank Berberich ist immer noch mit Ivetta Gerasimchuk unterwegs, ich schaue noch mal ins Impressum. Das wird dominiert von dem Namen Antonin Liehm. Berberich taucht nur als Chef von „Lettre International“ in Deutschland auf. Es gibt zehn weitere Ausgaben von „Lettre“, in Frankreich, Italien, Spanien, Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Serbien, Ungarn, Kroatien und Russland. Die Ausgaben in Polen und in Tschechien haben es, das lerne ich später, nicht geschafft. Im Impressum jedes Heftes, egal in welchem Land und in welcher Sprache es erscheint, steht Antonin Liehm, Jahrgang 1924, achtsprachiger Tscheche, als Chefredakteur oder Redaktionsleiter oder Herausgeber, immer zusammen mit einem Einheimischen. In Deutschland ist das Berberich.

Der kommt. Eineinhalb Stunden Verspätung, ich lese gerade die „FAZ“, die mir die Frau, die doch mit dem Poststrukturalisten ging, freundlicherweise mit ein paar sauren Weingummistäbchen dagelassen hat. Er kommt und sagt: „Tut mir Leid, aber ich war mit Ivetta Gerasimchuk unterwegs.“ Eigentlich hatte Frank Berberich jetzt keine Chance mehr: zu oft den Termin verschoben, zu unverschämt warten lassen, zu klischeehaft die Redaktionsräume, zu hart das Heft, zu interessant die Frauen. Aber fünf Minuten später war das alles weg. Ich war mächtig beeindruckt. Der spielt nichts vor, er meint es ernst. Keine Show. Nur Geist. Er wirkt optisch ein bisschen wie Jürgen Trittin, nur älter. Haare in alle Richtungen, viele Falten, ein angegrauter Schnauzer, er ist Kettenraucher, Gauloises natürlich. Trägt Jackett mit Weste, kocht bitter-schlechten Kaffee und sprudelt komplizierte Sätze.

„Lettre“ Deutschland dürfte die einzige Ausgabe sein, die Geld verdient

Dabei ist wichtig: Er macht das nicht, um zu beeindrucken. Er spricht so, weil er nur so genauer ausdrücken kann, was in seinem Kopf herumgeht. Bietet Hochgeistiges, ab und zu einen überraschenden Schuss Pragmatismus. Kommt oft arrogant rüber, aber seltsamerweise stört das kaum. Einmal sage ich: Entschuldigung, aber das habe ich nicht alles verstanden. Er antwortet: „Klar.“ Und ich bin nicht mal wirklich beleidigt. Berberich ist 50, kommt aus Frankfurt, hat Politikwissenschaft, Geschichte, „ein bisschen Philosophie“ studiert, in Frankreich und Italien gelebt, eine Zeitlang wissenschaftlich und für öffentlich-rechtliche Rundfunksender gearbeitet, die „taz“ mitgegründet und nach ein paar Jahren verlassen. War Unternehmensberater in Frankfurt, “ Strategieberatung, Marktanalysen, habe unter anderem für Visa und IBM gearbeitet. Aber mein Interesse ist publizistischer Natur. Ziel der Operation war, die publizistische Struktur anzureichern. Die partielle Borniertheit der Gesellschaft aufzubrechen“.

Wir sitzen in einem gläsernen Kabuff, in den Regalen reihen sich die Lexika, keines unter 20 Bänden, kein Band unter zwei Kilo. Er legt los: „Die Idee war, mit einer internationalen Kulturzeitschrift, verschiedene Weltkulturen zusammenzubringen, die Fenster der Kulturen aufzumachen, das heißt, 80 Prozent der Texte müssen aus anderen Sprachen kommen. Wir helfen, den Reichtum anderer Kulturen wahrzunehmen. Und den Narzismus der eigenen Kultur zu zeigen.“ Es folgt jetzt eine kleine Auswahl aus seinen guten Zitaten: „Radikale Internationalität und Interdisziplinarität.“ - „Wir sind bemüht, die besten Texte der Welt zu finden.“ - „Wir sind zuständig für tiefer gehende Reflexionen, haben ein kubistisches Vorgehen, bieten die verschiedenen Dimensionen der Zugänglichkeit zur Realität.“ - „Transkultureller Charakter, intellektuelles Reagieren auf die Globalisierung, mehr Intelligenz, Offenheit, bessere Wahrnehmbarkeit der Welt, Beschreibbarkeit der Welt.“ - „Es geht darum, Kulturen nicht zu musealisieren oder anzubeten.“ - „Keine akademische Zeitschrift, eine mit atmender, geistiger Präsenz.“ - „Wir investieren in die kollektive Intelligenz der Gesellschaft.“ Antonin Liehm stehe ehrenhalber im Impressum, er hat den Namen gegeben, war der Initiator. Und macht noch „La Nouvelle Lettre Internationale“, die Ausgabe in Paris. Die Urzelle. 1984. Liehm emigrierte 1968 nach dem Prager Frühling aus der CSSR nach Paris und schwebt irgendwo im Hochgeistigen und auf Kongressen. 1988 gründete er „Lettre“ auch in Deutschland. Ihm und der „taz“ gehörte je die Hälfte, Berberich war Angestellter. „Der historische Verdienst der „taz“ ist diese Anschubfinanzierung“, sagt Berberich, der nach und nach übernahm.

Die Idee, in jedem Land dasselbe Heft zu machen, zerschlug sich. „Die Sloterdijk-Debatte zum Beispiel, die geht hier, nicht aber in Frankreich, die Diskussionskonjunkturen sind verschieden.“ Erfolge auch. „Lettre“ Frankreich kommt nur dreimal im Jahr in Buchform für Abonnenten, andere Länder schaffen sechs Ausgaben. In Spanien sponsert die Sozialistische Partei, in Russland und Ungarn die Soros Foundation. Die Formate sind verschieden, so groß wie „Lettre Deutschland“ ist kein anderes. Sie dürfte auch die einzige sein, die Geld verdient, nach allem, was Berberich erzählt.

Okay. Reden wir über Geld. „Lettre“ Deutschland hat eine stabile Auflage von 17 000, das macht rund 40000 Leser pro Ausgabe. Mit solchen Zahlen würden andere, halbwegs ähnliche Periodika schon verwesen oder von Sponsoren am Leben gehalten werden. Aber „Lettre“ ist ein Liebling bestimmter Werbetreibender, „weil wir absolut zielgenau das Publikum von Kulturveranstaltungen treffen, Leute, die Schönheit lieben“. Macht pro Heft etwa 70 000 Mark Anzeigenumsatz, bevorzugt durch „hochklassige Spirituosen, Designmöbel, teure Uhren, Parfüm, Verlage“. Die Geschäfte, sagt Berberich, gehen gut und legt eine Leserbefragung des Fachbereiches Visuelle Kommunikation der HdK Berlin auf den Tisch. Aus der geht hervor, dass nur Opinionleader „Lettre“ kaufen und lesen, vom ersten bis zum letzten Buchstaben, tagelang, dass sie die Hefte sammeln und dass sie viel über die Inhalte mit anderen Opinionleadern reden. „Die Entwicklung ist stabil, es wird finanziell immer besser.“ Aber Geld ist nicht wirklich wichtig. „Wenn uns Geld interessieren würde, würden wir was anderes machen, so was wie Gummibärchen neu erfinden.“ Was „Lettre“ leiste, ist unermesslich. Zugegeben, das Wort kommt von mir. Er sagt, „den Wert von Ideen kann man nicht messen“, Ideen aber liefere „Lettre“. „Hier kommen Leute zusammen, die die Gesellschaft bereichern, das sag ich ohne Stolz und Dünkel.“ Voll Stolz sagt er dann: „“Lettre“ liefert Referenztexte, über die man diskutiert.“ Druckt Nobelpreisträger, bevor sie Nobelpreisträger werden.

Sie waren die Ersten, die Jens Reich druckten, „seine ersten Discs haben wir in den Westen geschmuggelt“. Und: „Richard, ein guter Freund von mir, wenn der einen Text findet, der interessant scheint, schickt er ihn uns.“ Richard ist Ryszard Kapuscinski, der 68-jährige Reporter-Gott. „Oder in „Lettre“ 18/1992 ging es um Berlin, offene Stadt. Heute, Jahre später, ist der Terminus ein Label des Berliner Senats. Wir haben das von Rom, offene Stadt, genommen, Rossellini. Das ist unser Geschenk an Berlin.“ Aus den schöpferischen Ideen von „Lettre“ wird bezahlte Arbeit.

„Lettre“ Deutschland ist Berberichs GmbH. Bei ihm arbeiten wenig Festangestellte, mehr Honorarkräfte, freie Mitarbeiter, Praktikanten. „Unsere Infrastruktur ist sehr leistungsfähig, kann Dauerbelastungen aushaken und große Projekte stemmen.“ Denn: „Unsere Stärken sind schöpferische Ideen.“ Aus denen wird bezahlte Arbeit. „Lettre“ organisiert den Weltenbürger e.V. und holt, bezahlt von Volkswagen, immer wieder mal „Grenzgänger, die alle in Werk und Leben auf einem schmalen Grat zwischen den Kulturen wandeln“ zu Vorträgen nach Hannover oder Wolfsburg. Arbeitet mit dem Haus der Kulturen der Welt in Berlin zusammen an Projekten, ebenso mit den Goethe-Instituten.

Ivetta Gerasimchuk, 21, aus dem russischen Samara, ist die Siegerin des weltweiten Essay-Wettbewerbs über das Verhältnis von Vergangenheit und Zukunft, ausgeschrieben in aller Welt, dotiert mit 50 000 Mark, den „Lettre“ stemmte. Das Goethe-Institut und die Stadt Weimar halfen und finanzierten. Ivettas Essay „Das Wörterbuch der Winde“ ist - klar - sehr lang und teilweise fiktiv. Das ist natürlich innovativ für einen Essay. Wenn ich mal Zeit habe, werde ich ihn lesen- Weil sie jetzt zur Türe reinkommt, ein kleines, nettes Mädchen im blauen Wintermantel, lächelnd und nicht richtig dazugehörend. Frank Berberich eilt zu ihr, antwortet im Stehen und teilweise über die Schulter, „nein, wir sind nicht elitär, nur ist nicht jeder wegen seines Zeitbudgets und seiner Bildung in der Lage, die Texte zu verstehen, aber es ist nicht unsere Idee, elitär zu sein.“ Gut, ich werde das neue „Lettre“ also lesen, komplett, anfangen werde ich mit Ivetta Gerasimchuks 54 Blatt starkem Text. Diese Intelligenzbestie hat nämlich kurz und scheu hergelächelt, sie sah, da ist noch einer fehl am Platz. Macht sie sympathisch.