Der Plan

Reportage
zuerst erschienen im März 2004 in brand eins
Die Chipfabrik in Frankfurt/Oder war eines dieser großen Projekte, die sogar gescheitert noch teuer sind. Dieses hat 275 Millionen Euro gekostet. Aber das ist alles ganz normal.

WAS BISHER GESCHAH: 7. Februar 2001: Das Land Brandenburg und der brandenburgische Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU) geben in Potsdam die Gründung der Firma Communicant bekannt. Das Unternehmen soll für 1,5 Milliarden Dollar eine Chipfabrik in Frankfurt/Oder bauen.

20. September 2001: Der brandenburgische Landtag gibt grünes Licht für eine 38-Millionen-Euro-Garantie. Damit wird ein Kredit aus Dubai für die ersten Bauarbeiten abgesichert.

29. November 2001: Der Bau der 9000 Quadratmeter großen Bodenplatte beginnt.

25. März 2002: Der Landtag gibt seine Zustimmung für eine indirekte Landesbeteiligung an der Chipfabrik in Höhe von 38 Millionen Euro über die Beteiligungsgesellschaft des Landes Brandenburg.

13. Juni 2002: Die Investoren, der Wüstenstaat Dubai und der amerikanische Chip-Konzern Intel, unterschreiben die Verträge für die Beteiligung an Communicant.

14. August 2002: Der neue brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck und Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn legen den Grundstein für die Chipfabrik.

16. September 2002: Abbas Ourmazd übernimmt kommissarisch den Vorstandsvorsitz von Communicant. Er lässt einen neuen Businessplan erstellen, nach dem die ursprünglich geplante zweite Fabrikhalle eingespart werden muss.

9. November 2002: Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß gerät wegen eines Eingangs auf seinem Privatkonto von 1,5 Millionen Euro aus den Vereinigten Arabischen Emiraten unter Druck. Am 11. November tritt er zurück.

1. April 2003: Die niederländische ABN Amro Bank will Fremdkapital in Höhe von 650 Millionen Euro zur Verfügung stellen. 20 Prozent Risiko soll das Bankkonsortium aus Deutsche Bank und Commerzbank absichern, für 80 Prozent sollen Bund und Land bürgen.

1. April 2003: Abbas Ourmazd kündigt seinen Posten beim Institut für Halbleiterphysik (IHP) in Frankfurt/Oder und wechselt endgültig zu Communicant.

Sommer/Herbst 2003: Der Bürgschaftsausschuss des Landes und des Bundes tagt in unregelmäßigen Abständen, ohne sich auf eine Bürgschaft zu einigen. Dubai droht, die zweite Eigenkapital-Tranche für Communicant in Höhe von 105 Millionen Dollar nicht zu zahlen, wenn keine Sicherheiten vorliegen.

September 2003: Die Unternehmensberatung Gartner erhält vom Bundeswirtschaftsministerium den Auftrag für ein Gutachten, das innerhalb von drei Wochen angefertigt wird und negativ ausfällt.

Oktober 2003: Communicant bestellt bei Gartner ein weiteres Gutachten, das positiv ausfällt. 7. November 2003: Communicant droht die Überschuldung und damit die Insolvenz.

27. November 2003: Die Überschuldung wird mit Hilfe von Dubai und Intel abgewendet. Die stille Liquidation wird vorbereitet.

16. Februar 2004: Die Hauptversammlung von Communicant spricht Abbas Ourmazd 1,5 Millionen Euro Abfindung zu. Das Land Brandenburg, mit sechs Prozent Teilhaber an Communicant, will Ourmazd das Vertrauen entziehen, doch die Großaktionäre Dubai und Intel stimmen dagegen.

2. März 2004: Vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags Brandenburg sagt Manfred Dietrich, Referatsleiter im Bundesforschungsministerium, die Entscheidung für den Bau der Chipfabrik sei aus Sicht des Ministeriums von vornherein fragwürdig und nicht ausreichend begründet gewesen.

Am Stadtrand von Frankfurt an der Oder steht die Betonruine, groß, hässlich, sinnlos. Die Chipfabrik ist tot. Den dicken grauen Rohbau, anders verwerten? Geht nicht. Alles war auf die Produktion von Computerchips ausgerichtet. Viel Geld, etwa 275 Millionen Euro, wurde verbrannt. Die Summe ist niedrig, verglichen mit anderen Fallen. Das passiert oft, sagt einer, der es wissen muss. Das sei kein besonders schlimmer Fall. Das verlorene Geld steckt aber nur teilweise in der Ruine. Ein Teil könnte irgendwo anders sein. Das macht die Geschichte spannend.

Sie begann im Jahr 2000 mit einer Ankündigung von Ministerpräsident Manfred Stolpe. Eine Chipfabrik solle in Frankfurt/ Oder gebaut werden, von einer Firma namens Communicant Semiconductor Technologies AG, einer ausgelagerten Gründung aus dem IHP, einem Institut für Halbleiterphysik in Frankfurt/Oder. Dessen Chef, Professor Abbas Ourmazd, ein amerikanischer Staatsbürger iranischer Herkunft, war damals die treibende Kraft. Die Fabrik sollte Wissen nutzen, das es nur am IHP gab, um eine besondere Art von Chip herzustellen und damit die Gegend an der Grenze zu Polen aus der Lethargie zu reißen. Es fehlten Investoren, also investierte das Land Brandenburg Geld und stellte eine Bürgschaft. Dubai, ein Emirat am Persischen Golf, gab ebenfalls Geld. Und Intel, der große Computerchipproduzent, auch.

So weit, so gut. Doch dann wurden auf dem Konto des Wütschaftsministers von Brandenburg 1,5 Millionen Euro aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gefunden.

Danach wurde es immer seltsamer, unübersichtlicher, doch es ging weiter, in einer Art Staatsbetrieb, dessen Gewinne privat gewesen wären. Kritiker galten prinzipiell als Idioten. Die Landespolitiker hatten das Zauberwort Arbeitsplätze gehört, eine Maschine war angesprungen und schien nicht mehr zu stoppen. Als das Know-how des IHP schließlich dank eines fragwürdigen Vertrages bei Intel gelandet war, wurde deutlich, dass sich die Sache nicht mehr rechnen wurde. Der Bund zog irgendwann den Stöpsel. Seitdem wachsen die Mythen. Und Gerüchte. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags Brandenburg wühlt sich inzwischen durch die Wahrheiten, von denen es in dieser Geschichte viel zu viele gibt.

Was ging schief? Alles. Nichts. Schwer zu sagen. Alles scheint möglich. Das Zusammensetzen der Informationssteinchen ergibt kein harmonisches Bild. Zuerst stellt sich die Frage, ob die Chipfabrik und damit der ganze Hickhack überhaupt nötig gewesen wäre. In Dresden, kaum mehr als 200 Kilometer weiter, stehen bereits große Fertigungshallen. AMD, die Nummer zwei der Branche weltweit, stellt in einer von ihnen ein Drittel seiner Prozessoren her. Infineon betreibt ebenfalls eine Fabrik in Dresden. AMD baut ein weiteres Werk. Alles solide, mit einer Bürgschaft des Bundes abgesichert, in einer Zeit, in der es der Chipbranche wieder besser geht. Der Raum Dresden im Bundesland Sachsen gilt bei Fachleuten als die wichtigste Chip-Region Europas. Warum noch eine Fabrik in Frankfurt/Oder?

Alfred Tacke, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Er ist beamteter Staatssekretär, stellt sich also nicht zur Wahl und muss nicht künstlich Wind machen. Er gilt als der „Frog“ schlechthin, „ Friend of Gerhard“. Er ist ein entscheidender Mann in der Wirtschaftspolitik. Er sei der mächtige Mann im Hintergrund, der wahre Wolfgang Clement, heißt es in Brandenburg. Und dass Tacke die neuen Bundesländer nicht mag. In Brandenburg sehen sie sich als Opfer, und da ist es gut, wenn das System ein Gesicht hat, einen Namen, auf den man alles reduzieren kann. Tacke ist schuld. Das Ende der Chipfabrik kam, als ein Bürgschaftsausschuss, in dem Abgesandte des Landes und des Bundes saßen, nicht bürgen wollte, angeblich weil Tacke bestimmte Bedingungen vorgegeben hatte. Eine davon: Communicant-Geschäftsführer Abbas Ourmazd muss zurücktreten. Und andere Konditionen, die in Frankfurt/Oder „K.o.-Bedingungen“ genannt werden.

Das Gespräch mit Alfred Tacke findet am Telefon statt. Er wirkt superfokussiert: „Das ist eine Angelegenheit der Länder, wir sind erst spät ins Spiel gekommen. Es ging um eine 60/40-Bürgschaft für die neuen Bundesländer, der Bund hätte 60 Prozent der Bürgschaft getragen. Da fängt bei uns natürlich eine Prüfung an. Unser Hauptproblem war: Es gab keinen Investor aus der Industrie. Intel ist rein und wieder raus, das war kein richtiger Investor. Dubai war ein öffentlicher Investor. Der private Investor fehlte. Das ist an sich nicht tragisch, aber der Chipmarkt ist hochvolatil.“ Das heißt, man kann mal viel Geld verdienen und mal verlieren.

Im Augenblick, so Tacke, mache man „auf dem Chipmarkt Geld, dass es kracht“, aber das sei kein garantierter Dauerzustand. „Man muss die Möglichkeit haben, am Kreditmarkt weitere Finanzierungen zu bekommen. Dafür braucht man ein bereits eingeführtes Unternehmen. Diese Firma wäre sofort unter Wasser gewesen. Es gibt einen riesigen Konkurrenzdruck auf dem Markt. Kommt ein neuer Wettbewerber, senken die anderen die Preise um 20 Prozent. Das hält ein Neuer nicht lange aus.“ Aber das Land Brandenburg hat trotzdem eine Bürgschaft gegeben. „Das ist deren Problem. Ich weiß das nicht, das Land ist selbstständig.“ Tacke sagt, es gebe viele Beispiele dafür, dass Länder Geld in etwas investieren, das absehbar nichts werden wird. „Es gibt 30, 40 Fälle, die nicht rund laufen.“ Seine Beispiele: „Bremer Vulkan, das Land Bremen hat da Milliarden in den Sand gesetzt. Oder hätten Sie versucht, den Bayern zu erklären, dass sie bei Kirch Geld verbrennen? Oder die Bankgesellschaft Berlin, da sind elf Milliarden versenkt worden. Die Werften in Mecklenburg-Vorpommern waren auch so ein Fall. So etwas machen die Länder in eigener Verantwortung.“ Und der Fall in Frankfurt/Oder? „Da wurde ein Gebäude gebaut, ohne eine Gesamtfinanzierung zu haben. Warum? Wir sollten unter Druck gesetzt werden. Es wurde nach einer Methode verfahren, die tatsächlich meistens Erfolg hat: möglichst viel Druck aufbauen.“ Das sagt er ganz sachlich, so etwas ist normal. „Wir haben fachlich beurteilt. Bei großen Projekten muss Gewähr geboten sein für die Risiken. Und wir überprüfen die im Bürgschaftsreferat.“ Er sagt, er sei für große Flexibilität, so lange es um Investitionen aus der Wirtschaft geht. „Mit privatem Geld kann jeder machen, was er will. Dann kann einer auch vier Chipfabriken bauen, wenn er Lust hat.“ Aber hier waren öffentliche Gelder im Spiel. „Wenn einer denkt, er könne mit öffentlichem Geld machen, was er will, ist die Firma schon kaputt. Dem kann es dann egal sein, dass der Vertrag mit Intel nicht in Ordnung ist. Es ist ja nicht sein Geld.“ Wolfgang Fürniß, ehemaliger Wirtschaftsminister in Brandenburg Er will nicht reden. Die Chipfabrik war sein Baby. Früher leitete er Lothar Späths Büro in Stuttgart, als der noch Ministerpräsident war. Danach war er Oberbürgermeister von Wiesloch, dann bei SAP Personalchef. Kurz darauf Generalbevollmächtigter, dann irgendwas anderes. Man sei mit ihm nicht so zufrieden gewesen, sagen mehrere Leute. Fürniß gab immer den Weltenbürger, er kann perfekt Englisch, was in Brandenburg gut ankommt. Er galt als Mann von Welt, Mann aus der Wirtschart, Supermann. Fürniß ist abgetaucht, bei Anrufen schreit er in sein Handy, man solle ihn in Ruhe lassen, er sage kein Wort, nicht eines. Klick! Früher war er mediengeil. Nun will er seine Ruhe. Okay, der Mann hat Ärger. Auf seinem Konto tauchten 1,5 Millionen Euro auf, überwiesen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Von Bekannten der Leute, die in die Chipfabrik investieren wollten. Fürniß war Entscheidungsträger. Er sagte, das Geld habe mit dem Projekt nichts zu tun. Es war ein Kredit von einem Freund, um Steuerschulden zu bezahlen.

Andere brandenburgische Ministerien Finanzministerium, Wirtschaffsministerium, Wissenschaftsministerium: nichts. Meist sagen die Pressesprecher: Unser Ministerium? Nicht zuständig! Oder: Schwebendes Verfahren. Einer: Das ist Vergangenheit, dazu haben wir nichts mehr zu sagen. Bekannt ist, dass die Finanzministerin Dagmar Ziegler, SPD, die Finanzierung der Chipfabrik für seltsam hielt und das auch sagte. Es gibt einen Brief aus ihrem Haus, der durch die Medien ging. Der wurde aber im Wirtschaftsministerium, also dem Haus von Fürniß, losgefaxt. Die Faxkennung habe das gezeigt. Ihr damaliger Chef, Ministerpräsident Manfred Stolpe, war für das Projekt, für ihn war es die Zukunft. Justizminister Kurt Schelter, CDU, äußerte Bedenken wegen der Verträge. Der ist aber inzwischen weg.

Professor Hans-Jörg Osten, früher am IHP in Frankfurt/Oder, jetzt an der Universität Hannover Er kennt sich aus, er kann erklären, ob die Fabrik sinnvoll oder sinnlos gewesen wäre. Jörg Osten war jüngster Professor aller Zeiten in der DDR, Abteilungsleiter am IHP in Frankfurt/Oder, insgesamt war er 13 Jahre dort. Das Verfahren der Chipherstellung, das den Erfolg bringen sollte, hat er mit entwickelt. Im Prinzip waren seine Ideen und Patente Grundlage des Ganzen. Nur: Als es losging, verließ er das Institut, um Leiter des Instituts für Halbleiterbauelemente und Werkstoffe an der Universität Hannover zu werden. Warum?

In seinem Hannoveraner Büro stellt Osten klar, dass er Ourmazd nicht mag. Osten war zuständig für die Grundlagenforschung am IHP und das Verfahren, um das es geht. „Das gab es vor Ourmazd schon, obwohl er das anders darstellt. Wir hatten Auseinandersetzungen über die Zukunft des IHP. Er ist sehr egozentrisch, eigentlich will er reich werden.“ Wichtig sei, so Osten, dass, als Ourmazd kam, die Idee einer Chipfabrik in Frankfurt/Oder schon auf der Kippe stand, weil es mal wieder hieß, sie sei zu teuer und zu groß geplant. Also wurde das Konzept überarbeitet und eine kleinere Fabrik vorgeschlagen. Der Vorschlag wurde angenommen. Nur: „ Chipfabriken rentieren sich erst ab einer gewissen Größe. Es gibt Computerprogramme, mit denen man kontrollieren kann, welche Stückzahl man braucht, um rentabel arbeiten zu können. Man kann jede Chipfabrik vorab durchrechnen. Communicant war mit dem ersten Plan knapp in der Rentabilität. Dann kam der zweite Plan, noch kleiner…“ Der Professor erklärt die Grundidee der Chips, die Communicant herstellen wollte, eine komplizierte Angelegenheit. Wichtig ist: Chips, die analog und digital können, waren damals etwas Neues. Und das Problem, für das das IHP eine Lösung hatte, lag in der Produktion, im Verfahren. 1999 ist das Institut damit zu Motorola nach Arizona gegangen, dort waren alle begeistert. Die Amerikaner schickten 30 Leute rüber und gaben Geld. Da habe Professor Ourmazd die Idee gehabt, mit Intel zusammenzuarbeiten und die eigene Technologie in deren Entwicklungen zu integrieren. Motorola habe einen Fußtritt bekommen, weil Intel nur habe kommen wollen, wenn keine andere Firma im Haus sei. Das sei sehr unhöflich gelaufen.

Das IHP hatte nun aber ein Problem: „Motorola sollte die Hälfte der Entwicklungskosten tragen, das waren fünf Millionen Mark.“ Aber nach dem Rausschmiss musste Motorola die Summe natürlich nicht mehr zahlen. Von Intel kam erst mal nichts. Das Unternehmen investierte später, hatte aber einen Vertrag, der dafür sorgte, dass flott Geld zurückfloss: Es bekam Lizenzgebühren für eine Technologie, die noch nicht verwendet wurde, Weil es noch keine Fabrik gab. Osten sagt: „Intel bekam als Gegenleistung unser gesamtes Know-how und legte…“, Osten muss lachen, ziemlich lange, er kann nicht aufhören, es ist echt und auch etwas traurig, „…Intel legte Ende 2002 einen eigenen Prozessor vor, in dem unsere Technologie verarbeitet war. Fast kostenlos. Die haben für nichts alles gekriegt.“ Intel sei definitiv ein Gewinner der Geschichte.

Osten redet offen über die Chipfabrik, er kann es sich leisten, schließlich war er nicht dabei. „Dubai“ - das war der größte Investor - „steht auf der Liste der Länder, für die Exportbeschränkungen gelten. Bestimmte Sachen aus den USA dürfen nicht nach Pakistan, Iran oder eben Dubai. Intel hätte nie Hightech an Dubai liefern dürfen. Aber Intel darf an eine Firma in Deutschland liefern, die nach Dubai liefern darf. In Dubai weiß man, dass Öl nicht unendlich ist und will Vorsorgen. Hightech wäre gut. Die haben genug Geld, um in eine Firma zu investieren, die ihnen egal ist. Hauptsache, das Know-how landet in Dubai.“ Dann kommt der Professor auf ein heikles Thema: „Witzig ist die stille Liquidation. Es gab einen Tag lang eine Insolvenz, dann kam plötzlich wohl doch noch Geld, um die abzuwenden und eine stille Liquidation durchzuführen. Das bedeutet, dass kein Insolvenzverwalter reinschaut. Die stille Liquidation ging nur, weil plötzlich Verbindlichkeiten geregelt werden konnten.“ Franz Weinl, früher Geschäftsführer des Instituts für Halbleiterphysik Er leitete von 1993 bis 1995 allein das IHP, danach teilte er sich den Job mit Ourmazd. Weinl ist 63, arbeitslos und wütend. Er sitzt auf seiner Couch in Berlin, auf dem Tisch ein Teller mit vier Krapfen, er raucht viele Dunhills. „Das IHP wurde 1991 neu gegründet, davor gehörte es zur Deutschen Akademie der Wissenschaft. Es wurde von Ourmazd umbenannt in IHP Innovations for High Performance Microelectronics, um international mitspielen zu können.“ Weinl war Geschäftsführer des IHP, hatte aber mit Communicant nie etwas zu tun. Communicant ist die Firma, der die Chipfabrik gehören sollte, sie war eine Ausgründung aus dem IHP, wobei eine weitere Firma dazwischengeschaltet war, GSMC Planning. Weinl bestätigt, dass Ourmazd gesagt hat, er wolle reich werden. Er schränkt aber ein: „Er hat auch gesagt, ich werde euch alle reich machen. Und das war es, was alle hören wollten. Es ging immer um Anteile, Aktien und Stocks.“ Beim IHP wird wie im öffentlichen Dienst gezahlt. „Alle wollten raus aus dem Bundesangestelltentarif.“ Weinl betont es mehrfach: Ourmazd ist kein unehrlicher Mensch.

Er lobt seinen Biss, seine Beharrlichkeit, seine Kämpfer- und Nehmerqualitäten. „An seiner Stelle hätte ich die Flinte ins Korn geworfen. Ich habe ihn sehr bewundert.“ Weinl habe keinen neuen Fünfjahresvertrag bekommen, weil „die Ourmazd rausdrängen wollten. Es wurde nie direkt gesagt, aber für mich war rauszuhören, dass ich einen neuen Vertrag bekomme, wenn ich Ourmazd loswerde. Gesagt hat das niemand, es wurde nur angedeutet.“ Weinl ist enttäuscht und wütend. So zwischen 2000 und 2002 habe sich das zugespitzt. Zu der Zeit lief die Chipfabrik an. Was bedeuten würde, Ourmazd hätte viel Geld vom Land Brandenburg bekommen, das ihn eigentlich loswerden wollte. Warum haben die ihn nicht entlassen? „Keine Ahnung.“ Weinl schildert den Bruch mit Motorola anders als alle anderen. Er sagt, als es mit Motorola lief, habe Ourmazd beschlossen, die Sache größer aufzuziehen. Aber so eine Chipfabrik kostet rund 1,5 Milliarden Euro, und Motorola sei das zu teuer gewesen. „Ourmazd nahm Kontakt zu Intel auf. Als Motorola das mitkriegte, war die Zusammenarbeit vorbei. Es kam zur Vertragsauflösung.“ Abbas Ourmazd hat am IHP moderne Management-Instrumente eingeführt, zum Beispiel musste jeder Mitarbeiter vor dem Leitungsgremium sagen, was er getan hat und was er machen will. „So konsequent haben wir das nicht mal in der DDR gemacht. Er hat mit Beraterfirmen Qualitätsmanagement eingeführt. Er hat gekämpft wie ein Wilder, Tag und Nacht. Man hat ihn nur mit Handy gesehen. Er hat an jeden hohe Anforderungen gestellt und war selbst immer an der Spitze, immer im Einsatz. Alle sind ihm mit Hochachtung begegnet. Bei Physikern und Technologen hatte er ein hohes Ansehen. Er hatte Management-Wissen, brachte viel Einsatz und er hatte viele Kontakte.“ Nur am Ende gab es Ärger.

Weinl hat folgende Theorie: Infineon habe sich mit Motorola solidarisiert. „Motorola ist ein großer Zulieferer der deutschen Autoindustrie, gemeinsam mit Siemens und Infineon haben die großen Einfluss auf die Bundesregierung. Die Frage war wahrscheinlich: 7000 Arbeitsplätze erhalten oder 1300 neue in Frankfurt/Oder schaffen.“ Honorarprofessor Wolfgang Winzer Er ist Fachmann für Patentrecht und war bis Ende 2003 Professor an der Fernuniversität in Hagen, Spezialgebiet: Lizenzverträge. Er kennt sich mit Chips aus und hat fleißig wie ein deutscher Beamter gesammelt, was Ourmazd belasten könnte. In einem kleinen Büro in seiner großen Wohnung mit Blick auf Erlangen stehen die Ordner in einem Regal. Er weiß genau, wo was ist, kennt seine Akten, Winzer ist sogar nach Frankfurt/Oder gefahren und hat sich die Verträge angeschaut, die beim Registergericht für jeden einsehbar sind.

Winzer wurde schnell als einer wahrgenommen, der wie Tacke dagegen ist. Und in Frankfurt/Oder hieß es, wer gegen die Chipfabrik ist, kann nur ein Querulant sein. Es war leicht, Winzer zu misstrauen, denn er, heute Rentner, war früher Leiter der Patentabteilung von Siemens gewesen. Siemens gehört ein Teil von Infineon, und Infineon entwickelt gemeinsam mit AMD Chips in Dresden, ist also Konkurrenz. Das Misstrauen ist verständlich, auch wenn man heute weiß, dass man ihm hätte trauen sollen. Zum Problem wurde, dass seine Argumente und Belege völlig ignoriert wurden.

Winzer sagt: „Ich bin jetzt 67, vor sechs Jahren bin ich in Rente gegangen. Ich hatte viel mit der Chipindustrie zu tun, ich habe viel mit Intel verhandelt, war oft in Santa Clara, in der Intel-Zentrale. Ich weiß, wie man Forschungsergebnisse und -entwicklungen umsetzt.“ Er erklärt sein Engagement. „Ich investiere viel Freizeit und habe nichts von der Sache. Meine Frau will endlich Ruhe haben. Aber mein Zorn auf das Projekt ist sehr groß.“ Ourmazd hatte gegen ihn eine einstweilige Verfügung bei 250 000 Euro Strafe erwirkt: Winzer durfte erstens nicht behaupten, Ourmazd trage die Verantwortung dafür, dass Intel kostenlos Lizenzen vom IHP bekommen habe. Zweitens, Ourmazd habe das Projekt zu Lasten der öffentlichen Hand vorangetrieben, wohl wissend, dass es zum Scheitern verurteilt gewesen sei. Drittens und vor allem, dass ein Fall von Untreue durch Ourmazd vorliege. Winzer ging vor Gericht und bekam in allen Fällen Recht. Er darf heute all das sagen und tut es gern. Der ehemalige Siemens-Mann hat noch Verbindungen zu Leuten, mit denen er früher gearbeitet hat. Von denen wisse er: „ Ourmazd wollte anfangs Infineon ins Boot holen. Mit dem Geld hätte er einige Jahre weitermachen können. Sein Aktienanteil wäre gestiegen, dank der vielen Zuschüsse, und es hätte sicher einen Punkt gegeben, an dem er seinen Anteil teuer hätte verkaufen können. Zum Beispiel an Dubai.“ Winzer sucht etwas in einem Aktenordner und redet dabei. „Ourmazd ist es gelungen, Stolpe und Fürniß zu überzeugen. Die Politik war blind, weil es um 1300 Arbeitsplätze ging.“ Er erklärt, was bei den Gesprächen wichtig gewesen wäre. Als Communicant Investoren suchte, hätte man fragen müssen, ob Communicant Inhaber der nötigen Technologie gewesen sei. Nein? Aha. Hatte Communicant die alleinigen Rechte an der Lizenz, die vom IHP kommt? Nein? Das IHP konnte beliebig weitere Lizenzen vergeben. Es habe damals sogar schon zwei vergeben, an Intel und an Motorola. Ist die Lizenz, die Communicant vom IHP bekommt, wenigstens sicher? Nein, das IHP hätte ab Dezember 2012 jederzeit kündigen können, ohne Angaben von Gründen. Was also hatte das IHP von der Lizenz? Was, keine Gebühr? Aber das IHP hätte Aktien für einen Euro kaufen können. Von einem Investor wäre dagegen wesentlich mehr für eine Aktie verlangt worden.

Ourmazd sei als Chef von Communicant vom Paragraf 181 BGB befreit gewesen, das habe der Aufsichtsrat beschlossen. „Das bedeutet, er konnte mit sich selbst Geschäfte machen, er konnte mit sich selbst Verträge abschließen. Seine Unterschrift zweimal unter einem Text ist ein Vertrag. So steht es im Handelsregister.“ Und: „ Dr. Judith Marquardt war beim IHP, dann bei Communicant. Sie war aber auch im Aufsichtsrat. Sie kontrollierte also ihren Chef!“ Winzer schaut, ob man begreift, was er gesagt hat.

Und nicht zu vergessen: Dank eines Beschlusses der Hauptversammlung vom 3. April 2002 über die bedingte Erhöhung des Grundkapitals via Wandelschuldverschreibungen zahlte das Land Brandenburg für Aktien, die Ourmazd und andere einen Euro gekostet hätten, sehr viel mehr. „Die Beteiligungsgesellschaft des Landes, die ILB, hat für 14 592 Aktien 38 Millionen Euro bezahlt. Das macht…“, er holt den Taschenrechner, rechnet noch mal und noch mal, der Mann will keinen Fehler machen. „Also, das macht 2604 Euro pro Aktie.“ Ralf Christoffers, Landesvorsitzender der PDS in Brandenburg Der PDS-Parteichef in Brandenburg ist wirtschafts- und technologiepolitischer Sprecher der Fraktion im Landtag. Er raucht eine Cabinet nach der anderen in seinem arg kargen Büro, in dem es keine schöne Aussicht gibt, eigentlich gar keine, das Fenster geht zum Hof. Christoffers, früher Schiffsbauer und Kaderausbilder, auf dem Weg nach oben in der DDR, wirkt stabil, ein bisschen drohend. Er beginnt so: „Brandenburg hat einen schlechten Ruf, was das Management von wirtschaftlichen Großprojekten angeht. Lausitzring, Cargolifter und so weiter.“ Und dann das: „Im Januar 2000 gab es die Einladung Stolpes nach Schloss Cecilienhof.“ Völlig überraschend. Dort, auf Marmor, unter Kristallleuchtern, wurde das Projekt bekannt gegeben. „Intel war dabei. Und nach US-Börsenrecht müssen Beteiligungen öffentlich gemacht werden.“ Es wäre auch weniger offiziell gegangen: „Eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift hätte ausgereicht, aber das war wohl deren Politik hier. Danach stellte sich aber gleich raus, dass es nur eine Ankündigung gab, sonst nichts.“ Weiter: „Es gab etwas, das mich überzeugt hat: einen wissenschaftlichen Vorsprung aus unserer Region, der in ein Produkt umgesetzt werden sollte. Und, das ist wichtig, es war eine deutsch-arabisch-amerikanische Zusammenarbeit. Das fand ich spannend. Allerdings wurde das falsch in die Öffentlichkeit gesetzt. Die Landesregierung war in einer blöden Situation, in die sie sich selbst manövriert hatte: Sie musste ständig Erfolge melden und sie immer wieder relativieren. Sehr dilettantisch. Aber das hätte etwas werden können.“ Pause. Dann: „Alle Fehler, die man machen kann, wurden gemacht. Es war klar, dass der Intel-Vertrag so nicht bleibt, sonst hätte es keine Bürgschaff gegeben. Es wurden ungefähr 60 Verträge abgeschlossen, und der Ausgangsvertrag war nach meinen Erkenntnissen so, dass Intel die Daumenschrauben nie dermaßen hätte anziehen können. Dann kam auch noch die Sache mit Fürniß. Er hatte wirklich sehr gute persönliche Kontakte zu den Emiraten, aber er hat Geld genommen, das er nicht hätte nehmen dürfen. Trotz seines Rücktritts gab es da öffentlich einen enormen Imageschaden.“ Die Bundestagswahl 2002 stand bevor. Gerhard Schröder sollte zur Grundsteinlegung der Fabrik in Frankfurt/Oder erscheinen, als die Oderflut kam. „Also war es einfach nicht passend, zur Grundsteinlegung zu kommen. Aber immerhin kam die Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn. Das war bereits ein Zeichen. Daraufhin gab Dubai Gelder frei.“ Trotzdem scheiterten die Commerzbank und die Deutsche Bank bei dem Versuch, Investoren zu linden. Die niederländische ABN Amro übernahm, ein großer Name in der Industriefinanzierung. Das sorgte erneut für Aufbruchstimmung.

Dann kam das vernichtende Gutachten der US-Firma Gartner, „Das legendäre Gutachten. Die benutzten nur schriftliche Unterlagen von Communicant dafür. Es gab keine Gespräche, wie sonst üblich, es ging alles viel zu schnell.“ Christoffers bemüht sich, anzudeuten, dass derjenige, der ein Gutachten bestellt, auch genau das Gutachten bekommt, das er will. „Es wurde sofort aus der Sitzung des Bürgschaftsausschusses heraus öffentlich gemacht.“ Von wem? „Keine Ahnung.“ Esther Schröder, damals PDS-Mitglied, heute in der SPD Sie flog aus der PDS, weil die PDS auf keinen Fall als destruktiv dastehen wollte und sich deshalb hinter Wirtschaftsminister Fürniß, die SPD/CDU-Koalition und. Ourmazd stellte. Inzwischen ist Esther Schröder SPD-Mitglied. Sie hat ein Büro im Landtag, aber ein Treffen in ihrem Bürgerbüro ist ihr lieber. Dort sitzt sie am Schreibtisch und ist wütend. Sie stammt aus Brandenburg, hat Volkswirtschart studiert, war Mitarbeiterin von Professor Wolfgang Franz an der Universität Konstanz, damals einer der Wirtschaftsweisen. Seit 1999 ist sie in der Politik. Teile der Hartz-Vorschläge stammen aus ihrer Promotion „ Arbeitnehmerüberlassung in Vermittlungsabsicht“.

„Ich wollte nicht für die Schublade arbeiten, was normal ist in der Politikberatung.“ Sie wollte in die Politik, „aber mich nicht an eine Partei binden“. Die PDS-Liste war für alle offen. „ Nach einem Jahr trat ich in die PDS ein, ich fand das ehrlicher.“ Dann kam „das Prestigeprojekt, das größte schlechthin. Fürniß erzählte in den Ausschüssen Wahnsinnsstorys. Immer wieder sagte er, er sehe kein Problem, es laufe prima. Aber es gab nie ein Konzept. Und trotzdem sind alle draufgesprungen.“ Als die Deutsche Bank ausstieg, sah sie das als Warnsignal. Als Einzige. Eine „seltsame Blindheit“ habe geherrscht.

Sie wundert sich noch heute über Fürniß. „Eine ulkige Figur, er wirkte auf mich nicht Vertrauen erweckend.“ Sie erinnert sich: „Es war nichts da, als über die Bürgschaft abgestimmt wurde, und es war nichts da, als über die Beteiligung des Landes abgestimmt wurde.“ Immer sei da „dieser Erpressungsversuch gewesen, wenn die Politik nicht vorangeht, kommen keine privaten Investoren nach“. Jemand von Communicant habe mal eine Grafik präsentiert, „Konjunkturverlauf der Chipbranche, die X-Achse war bei minus 20“, keiner habe sich daran gestört.

Jörg Osten, verheiratet mit Kerstin Osten, einem Mitglied der PDS-Fraktion und damals noch am IHP, habe der PDS-Fraktion in einer geschlossenen Sitzung gesagt, passt auf, nehmt das nicht zu ernst. Es hat nichts genutzt. „Und ich war als Kritikerin für die Medien zum Abschuss freigegeben. Wenn Fürniß mal wieder mit einem Termin kam, war das immer der Zeitpunkt, bis zu dem ich mich nicht äußern durfte.“ Sie reichte eine Anfrage im Landtag ein: was die Fürniß-Reise nach Dubai gekostet und was sie gebracht habe. Ihre damaligen Fraktionskollegen Ralf Christoffers und Lothar Bisky hätten einen Tag vor der Antwort verlangt, sie solle die Frage zurückziehen. Später hieß es, das könnte die Reise gewesen sein, auf der Fürniß seinen Kredit klarmachte.

Esther Schröder denkt, dass das Bundesland Sachsen, was die Ansiedlung der Chipindustrie angeht, alles richtig gemacht habe und Brandenburg alles falsch. „Die in Sachsen waren ruhig, bis es so weit war. Hier haben sie unheimliche Erwartungen geschürt.“ Am Ende hätten sie die Schuld auf den Bund geschoben. „Die Bund-Land-Bürgschaft kam ganz zum Schluss. Erst ab da war der Bund beteiligt. Tacke ist schuld, sagen sie. Das ist absurd. Der hat sie vor noch größerem Schaden bewahrt. Der Oberbürgermeister von Frankfurt/Oder hat zehn Millionen Euro der Stadt und EU-Mittel in die Infrastruktur für die Chipfabrik gesteckt und danach gejammert, es gebe jetzt kein Geld mehr für Schulen und Kindergärten. Man muss immer auf andere zeigen, damit nichts an einem selber hängen bleibt.“ Pause. „ Und im Vertrag steht, dass Intel sechs Prozent vom Umsatz bekommt. Nicht vom Gewinn, vom Umsatz. Wahnsinn.“ Professor Abbas Ourmazd Das Gespräch mit Professor Abbas Ourmazd findet im Gebäude des IHP statt, Communicant ist dort Untermieter. In dem Großraumbüro sind 15 Leute zu sehen, 70 sollen es insgesamt sein. Ourmazd trägt keine dunkle Brille und hat keinen schwarzen Bart. Er lächelt auch nicht überheblich, wie einige behauptet haben. Er spricht gut Deutsch und legt großen Wert darauf, dass die Zahl, sechs Prozent vom Umsatz für Intel, nicht stimmt. Die richtige Zahl will er aber nicht sagen. Die sei geheim. Communicant befindet sich zum Zeitpunkt des Gespräches in der stillen Liquidation. Dieser Ausdruck ist, wie gesagt, wichtig, er sorgt für den wesentlichen Unterschied zu einer Insolvenz: Es kommt kein Verwalter von außen.

Es gab eine Vorausbedingung für das Gespräch: Ourmazd wolle nicht klagen, sagte Wulf Buschardt, der Pressesprecher. Der Tenor des Gespräches müsse sein: Ein Macher wickelt ab - wie fühlt er sich dabei? Und: jedes Zitat wird gegengelesen, korrigiert und noch mal gegengelesen. Gegengecheckt hat Ourmazd unter anderem gesagt: „Der Grund, dass wir uns stark dafür eingesetzt haben, dass eine stille Liquidation und nicht eine Insolvenz kommt, ist: Wir müssen erst unsere Leute unterbringen. Ich berate sie, gebe ihnen Zeit, sich umzuschauen, bemühe das Netzwerk. Es ist eine Frage der Ehre, ich fühle mich für die Leute zuständig. Ich will für die Mitarbeiter Bedingungen schaffen, einen Übergang hinzukriegen.“ Ourmazd beschreibt sich als Kapitän, der zuletzt von Bord geht. „Meine Investition ist auch weg. Für mich ist das wichtig, aber es ist winzig im Vergleich zu Dubai oder Intel.“ Er reitet lange darauf herum, dass Intel Geld verloren habe, auch wenn alle etwas anderes behaupten. Fakt sei, Intel habe 40 Millionen Dollar investiert und 24 Millionen Dollar zurückbekommen. Plus dem Know-how von Communicant. Ourmazd sagt, er habe einen fünfstelligen Betrag verloren, die genaue Summe wisse er nicht.

Ourmazd will aber über etwas anderes reden. „Es ist Ziel des Vorstandes, die Gesellschaft ordentlich abzuwickeln.“ Was heißt abwickeln? „Wenn Sie einen Vertrag mit uns haben, wird der honoriert.“ Er wisse nicht, wie viele Mitarbeiter schon untergekommen seien, er habe keine Zahlen. Einige sind nach Dresden zu AMD gegangen. „Das ist das erste Mal, dass ich ein Unternehmen abwickle“, betont der Kapitän. „ Ich fühle mich wie ein Vater, der seinen Kindern zur Seite steht.“ Er wisse nicht, was er in Zukunft tun werde und wolle keine Schuldzuweisungen machen. „Wir hatten die Möglichkeit, Technologie zu verkaufen, in den Fernen Osten und in die USA. Die spannende Frage war aber, ob wir im Osten Deutschlands Arbeitsplätze schaffen können.“ Mit Start-ups habe man in Deutschland Probleme, dafür gebe es keine Förderinstrumente. „ Es waren zu viele völlig neue Ansätze für die deutsche Mentalität. Technologie aus dem Osten Deutschlands. Intel investiert, erstmals auch Dubai. Es steckt kein großer Konzern, dahinter. Das war zu viel für Deutsche.“ Ein Risiko gehöre dazu, das sei bekannt gewesen. Die Frage sei: Ist es der richtige Ansatz? Das wisse man nicht vorab. Ourmazd nennt ein Beispiel: Der Businessplan sei mit einem Dollar-Kurs von 1,03 zum Euro gemacht worden. „Zwischendurch war er bei fast 1,30. Wir hätten dann einen Puffer von etwa 300 Millionen gehabt.“ Aber es ist doch kein Geld da? „Das Risiko war eingeplant. Das hat etwas von einem Spiel, wie früher am Neuen Markt. Es kann klappen oder nicht. Man hat das Projekt nicht verstanden, oder uns ist es nicht gelungen, es verständlich genug zu machen.“ Der Teil des letzten Satzes ab „oder“ kam übrigens erst später hinzu.

In den USA und in Asien habe man schon vor 20 Jahren Abstand davon genommen, große Firmen zu fördern. Nur nicht in Deutschland. Firmen, die in den anderen Ländern groß sind, waren vor 20, 30 Jahren Start-ups, er zählt Cisco, Oracle, Intel, TSMC, UMC, Chartered auf. „Die großen Unternehmen sind dabei, sich zu zerschlagen: AT&T, Motorola. Oder sie haben große Schwierigkeiten: Kodak, Xerox.“ Er sagt: Man müsse kämpfen in Frankfurt/Oder, „jetzt erst recht“. Pressesprecher Wulf Buschardt schiebt nach: „Das ist ein typischer Ourmazd-Satz.“ Der lächelt: „ Frankfurt/Oder ist deutschland-fokussiert. Lösungen findet man nur, wenn Probleme konzentriert sind. Hier werden Lösungen gefunden, nicht in München oder Dortmund. Die Menschen hier sind bereit, Herausforderungen anzunehmen. Die Mitarbeiter waren mit Leib und Seele dabei.“ Er klingt wie ein Bundesliga-Trainer nach einer knappen Niederlage.

Nachspiel Ein paar Tage später ist zu lesen: Allen Lehrlingen von Communicant, insgesamt 129, sie wurden quasi auf Vorrat ausgebildet, wurde gekündigt. Die stille Liquidation hat nicht geholfen. Auch das Netzwerk nicht: 69 Leute haben eine Kündigung bekommen. Politiker melden sich inflationär zu Wort. Die Auszubildenden im dritten Lehrjahr, insgesamt 16, bekommen die Fortsetzung ihrer Ausbildung, irgendwo in Berlin, von Communicant weiterbezahlt, bis zur Prüfung im Mai. Die neuen Ausbilder bekommen von Communicant 3000 bis 4000 Euro pro Auszubildenden. Der Rest kann bei einem Bildungswerk weitermachen.

Communicant gibt bekannt: Der Ausbildungsfonds der AG werde von 140 000 Euro auf 300 000 Euro aufgestockt. Abbas Ourmazd werde seine Vergütung als Aufsichtsrat einzahlen. Er ist zwar jetzt Vorstandsvorsitzender, war aber mal Aufsichtsratschef. Wobei Aufsichtsräte nicht viel Geld bekommen, es ist wohl eher eine Geste. Der Untersuchungsausschuss des Landtags Brandenburg tagt weiter. Einer vom Bund sagt, alles sei von Anfang an seltsam gewesen. Alles geht seinen geregelten Gang.

Dann bekommen Abbas Ourmazd und zwei weitere Communicant-Vorstände auf der Hauptversammlung der Firma in stiller Liquidation drei Millionen Euro Abfindung zugesprochen. GSMC Planning, das Unternehmen, das Communicant offiziell gehört und an der Ourmazd beteiligt ist, ist dagegen. Vor allem das Land Brandenburg, ein Teilhaber, will eine echte Insolvenz mit einem Verwalter von außen und Kontrolle. Aber Dubai und Intel halten mehr als 50 Prozent der Aktien und setzen die stille Liquidation durch, zu der die Abfindung gehört.

Mitte Februar erklärt der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg, es werde gegen Abbas Ourmazd vorermittelt wegen einer Anzeige auf Verdacht der Untreue, die Wollgang Winzer im November 2003 gestellt hat. Anfang März gibt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft bekannt, „es wurde gerade beschlossen, es wird kein Ermittlungsverfahren gegen Herrn Ourmazd geben. Es fehlt der notwendige Anfangsverdacht.“