Das postmonetäre Zeitalter

Portrait
zuerst erschienen im Juli 2001 in brand eins
Früher versprach Bodo Schäfer Reichtum für alle. Jeder sollte zum Millionär werden können, durch pure Willenskraft. Er selbst ist das beste Beispiel für seine Theorie: Seine Bücher haben ihm eine Menge Geld eingebracht. Seither lernt er, damit zu leben

Bodo Schäfer ist reich, er hat sich diesen Zustand erarbeitet und schreibt darüber simpel gehaltene Ratgeber-Bücher. Bestseller, die ihn noch reicher machen. Er predigt darin freudloses Leben: sparen, budgetieren, ackern, anstrengen, sich zwingen. Der Mann ist auf Geld fixiert. Die Texte über ihn und seine Bücher in Tageszeitungen und Zeitschriften sind meist ironisch gehalten, irgendwie war er von Anfang an verdächtig, bereits bei seinem ersten Hit „Der Weg zur finanziellen Freiheit - in sieben Jahren die erste Million“. Seine Sätze sind kurz und schlicht gebaut, wenig Kommas in einem Buch. Er schreibt überredundant. Auf den Covern ist er immer geschminkt, sieht aus wie ein Dieter Bohlen der Lebenshilfe-Literatur. Ich finde ihn unsympathisch.

Alles, was er sagt, ist: Du bist deines Glückes Schmied, streng dich an. Banal, ganz einfach nachzuvollziehen, Allgemeinplätze. Er schreibt: „Planung ist das A und O.“ Oder: „Es ist leicht, reich zu werden. Wenn das stimmt“, und es stimmt, sagt er, „dann muss man sich doch fragen, warum nicht mehr Menschen reich sind.“ Oder: „Die beste Möglichkeit, sich auf Ihre Zukunft vorzubereiten, ist, sie zu gestalten.“ Und: „Sie werden sehen, dass Geld viel schöner ist, als die meisten denken.“ Und: „Das Wunder kommt nicht zu uns, wir müssen das Wunder bewirken.“ Solche Zitate schreibt er hundertfach pro Buch. Die Kernaussage: Habe keinen Spaß. Man muss sich anstrengen. Wollen allein reicht nicht, es geht ums Machen. Ich habe mich mit dem verglichen, was er fordert, und kam mir vor, als würde ich das Klassenziel nicht erreichen. Ich dachte, das ist ein ganz knickriger Typ, freudlos, glatt, geldhörig. Eine Fehleinschätzung: Mag sein, dass er früher mit fünf Mark am Tag auskam und richtig viel arbeitete. Heute ist Bodo Schäfer einer, der sich nicht mehr richtig reinkniet, sondern sein Leben zu genießen scheint.

Im Hotel Interconti in Stuttgart, wo Bodo Schäfer am nächsten Tag in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle einen Auftritt hat. Auftritte sind ein Erwerbszweig, er verdient viel Geld mit Veranstaltungen, auf denen er erzählt, wie man reich wird, wenn man sich anstrengt. Die Fotos, die danach erscheinen, zeigen einen Mann mit Headset, der dynamisch rumtumt, die Hände in der Luft hat, oft eine Weste, aber kein Jackett trägt, in Bewegung und unscharf. Im Interconti also. Plüsch, der Raum sehr rot, Greta Anders, seine PR-Frau, ist schon da, blond, attraktiv und nett, sie sagt: Herr Schäfer ist oben, er schläft noch, haben Sie keinen Fotografen dabei? Nein? Gut.“ Sie ruft ihn auf seinem Zimmer an: „Du kannst leger kommen, keine Fotos, ganz entspannt.“ Sie ordert Wasser und erzählt, dass er nicht wirklich eitel ist und dass die Fotos auf den Büchern mit PhotoShop bearbeitet wurden. Die Verlage machen das. Ja, sie seien simpel geschrieben, keine Literatur, da habe sie sich erst dran gewöhnen müssen. Aber sie habe viel durch die Lektüre gelernt, habe jetzt ein Schließfach mit ein bisschen Geld drin, nur aus psychologischen Gründen. Sie belohne und bezahle sich selbst für ihren inzwischen erfolgreichen Umgang mit Geld. Sie sagt, Sie werden ihn gleich kennen lernen. Sie sagt es so, als wären dann alle Zweifel erledigt, alle Missverständnisse ausgeschaltet, jedes Problem gelöst. Wir stellen fest, dass wir beide Typen sind, die ihre Konten überziehen und sich nicht um Geld sorgen, dass also einer wie Bodo Schäfer für uns gut ist.

Und da kommt er. Groß und braun. Er war länger auf Mallorca, sein neues Buch schreiben. Das neue Buch, „Die Gesetze der Gewinner“, erscheint bald, das Gespräch ist als Werbung eingeplant. Der Titel stammt von ihm, bei den anderen hätten sich immer mehrere Leute Gedanken gemacht. Titel seien Teamwork, sagt er. Trägt ein Sweatshirt, blau-weiß gestreift mit Polo-Ralph-Lauren-Emblem samt Wappen vorne drauf, eine blaue Leinenhose und schwarze Flechtlederschuhe. Seine Augen sind groß, er schaut die ganze Zeit direkt in meine Augen, so wie man das auf Seminaren lernt. Seine Augen bringen ihn als offenen Menschen rüber. Er ist spritzig beim Interview, viele gute Zitate, nette Anekdoten, interessant und gar nicht unsympathisch. Obwohl wir ganz früh über sein Kinderbuch sprechen, etwas, das mir besonders unangenehm schien. Er erzählt dazu stolz, dass das kein Verlag wollte. Kinder und Geld, Thema zu heikel, hieß es. Aber er, der Selfmademan, hat es durchgeboxt. Indem er einen berühmten Kinderpsychologen bat, ein Nachwort zu schreiben. Der schrieb und lobte, und Schäfer brachte „Ein Hund namens Money“ doch unter. Man muss nicht nur wollen, man muss auch machen, sagt er. Das Buch sei ein Erfolg.

Der Autor trifft den postmonetären Bodo Schäfer: Zum Glück gehört mehr als Geld. Und zum Leben mehr als fünf Mark

Heute, sagt Bodo Schäfer, würde er nicht mehr mit fünf Mark am Tag auskommen wollen. Er würde wahrscheinlich acht Mark oder so schreiben. Aber: „Ich würde das nicht mehr so machen.“ Warum? „Damals aß ich Fritten, Brot, Marmelade, richtig schlechte Ernährung, Sie bekommen nichts Gesundes für fünf Mark am Tag. Keinen Salat, kein Obst.“ Er sei 26 gewesen, habe 65 Prozent seines Monatseinkommens nur fürs Schuldenrückzahlen benutzt. Seitdem hat er sich verändert. Vor allem, was in seinen ersten Büchern nie rauskam: „Zum Glücklichsein gehört mehr als Geld“. Er kenne auf Mallorca Menschen, die würden sich ihren Traum erfüllen und dabei leiden. „Da graust es Sie, wenn Sie die sehen, die langweilen sich, haben nichts zu tun, grässlich. Die sind in Einzelhaft.“ Später erklärt er: „Ich empfinde geizige Menschen als ekelhaft. Wenn man Geld hat und sich beim Essen nicht das bestellt, was man will, ist das schlimm. Ich finde es okay, wenn man kein Geld hat. Aber wenn man viel haben will, dann ist das auch schlimm. Dann muss man was machen.“ Er sagt auch, als wäre er ein Genussmensch: „Die Versklavung der heutigen Zeit ist der Geschwindigkeitsrausch.“ Und, als wir noch beim Thema ekelhaft sind, völlig ansatzlos: „Den Jauch mag ich nicht, den würde ich gerne schlagen. Aber er ist ein Markenzeichen, die Leute mögen ihn, man nimmt ihm das ab.“ Zurück zum Schuldenabbau, eines seiner großen Themen. Er war mal, wegen zu viel Konsum, verschuldet und habe sich dann eben zusammengerissen. Konsumschulden scheinen ihm widerlich, üble Sache. Investitionen seien gut, clever und nötig. Aber Konsumschulden, igitt. Doch er hat sich geändert, sagt jetzt sogar selbst: „Es ist nicht so wichtig, schnell die Schulden loszuwerden oder 100 000 Mark zu machen.“ Das ist ein extremer Gegensatz zu dem, was er früher kapitelweise schrieb: so schnell wie möglich Geld machen. Noch schneller. Am schnellsten.

Der Autor lässt sich Luxus erklären: ein Haus auf Mallorca, ein Haus in Köln. Zwei Jaguars, ein Rolls Royce. Und: Zeit sparen

Der Kellner kommt und fragt, ob er was trinken will. Bodo Schäfer schaut auf die Uhr und sagt: nein! Hängt es von der Uhrzeit ab? ,Ja, ich habe gerade gut gegessen, Spargel, da sollte ich mindestens zwei Stunden lang nichts trinken.“ Er erzählt von dem Gesundheits-Coach, der ihn bis vor kurzem betreute. Dass er viel Sport macht, Schwimmen, Joggen, Tennis. Über Joggen hat er geschrieben. Von seinem Problem damit, wie er sich dann einfach zwang, und plötzlich ging es ganz leicht. Ein Coach habe es ihm sozusagen beigebracht. In seinen Büchern empfiehlt er dringlich Finanz-Coachs. Man solle sich einen suchen, der viel mehr Geld hat, der ab und zu mit Ideen und vor allem mit Kontrolle hilft. Überhaupt dürfe nur der über Geld reden, der es hat.

Bodo Schäfer budgetiert auch nicht mehr, das heißt: Er schreibt nicht mehr genau auf, was er ausgibt. Das müsse man tun, steht in seinen Büchern. „Nee“, sagt er in seinem rheinländischen Singsang, „irgendwann ist das lächerlich. Aber ich teile mir noch jede Mark ein, die reinkommt: Zehn Prozent spende ich, zehn gehen auf mein Spaßkonto, von zehn lebe ich, den Rest spare ich.“ Warum noch sparen, mit 42 Jahren und Millionen auf dem Konto? „Das läuft so weiter, ich will kein eitler Idiot sein, kein dekadenter Geldausgeber.“ Er zählt auf, was für ihn Luxus ist, den er genießen könne: „Zeit sparen. Arme gehen lange shoppen, um was Billiges zu suchen. Ich habe einen persönlichen Assistenten, eine Haushälterin, eine Sekretärin. Sie werden mich nie im Garten finden, nicht beim Tanken, möglichst nicht beim Autofahren, ich habe einen Chauffeur.“ Auch sonst lebt er nicht bescheiden: ein Haus auf Mallorca, 170 Quadratmeter Wohnfläche plus 130 Quadratmeter Terrasse, was da unten auch so was wie Wohnfläche ist. Ein Haus in Köln „in einer Gegend, die okay ist“, etwa 250 Quadratmeter Wohnfläche. Er würde sich aber nie eine Yacht zulegen, „das wäre Quatsch, kostet jährlich 20 bis 30 Prozent des Anschaffungspreises an Unterhalt“. Haben Sie große Autos? ,Ja, eine Jaguar Limousine und ein Jaguar Cabriolet.“ Pause: „Und einen Rolls Royce.“ Viel totes Kapital. „Meine Autos dürfen zusammen neu nie mehr kosten als mein doppeltes Monatsgehalt.“ Rechnen. Und um Zeit zu gewinnen, die nächste Frage: noch anderer Luxus? „Ich kaufe mir Kleidungsstücke meist zweimal, weil ich zwei Wohnorte habe.“ Haben Sie noch immer den Tausendmarkschein in der Tasche? Das ist ein Punkt in seinem Buch: Man soll sparen, damit man Geld hat, das bei guten Gelegenheiten investiert werden kann. Wenn er Geldgewinnung per Aktien und Fonds beschreibt, klingt das verdammt einfach, logisch und erstrebenswert, obwohl er immer wieder auf die Risiken hinweist. Es klingt gut, weil er immer wieder klar macht, hier schreibt einer, der so seine Millionen gemacht hat. Immer einen Tausendmarkschein dabei zu haben, sei ein Symbol dafür, bereit zu sein für die Chancen, die sich plötzlich bieten. Und gut für die Psyche.

Bodo Schäfer holt 10 000 Mark aus der Tasche, zehn lose Scheine, die er auf den Tisch legt. Es wirkt ein bisschen inszeniert, aber beschwören möchte ich das nicht. Er legt los: „Hier, wissen Sie, wer das ist? Die Gebrüder Grimm. Hier ihr Wörterbuch, können Sie lesen, auf welcher Seite es aufgeschlagen ist? Bei Freiheit, Geld ist Freiheit. Auf der anderen Seite, das Sterntalermädchen, oben sind es Sterne, unten Taler. Ein gutes Bild, es sagt: Träume können Geld werden.“ Er holt andere Scheine raus, Gulden, Franken, Kronen, Dollar, immer große Scheine. Er wirkt sehr amerikanisch, stolz auf das, was er sich erarbeitet hat. Wie viel Geld haben Sie heute? „Das sag ich nicht.“ Andeutungsweise? Nein, er will nicht. Ein paar Millionen kämen rein im Jahr. Er sei an acht Firmen beteiligt. Eine ist mal Pleite gegangen, aber da hat sie ihm nicht mehr gehört. Er habe sie auf gesunden Beinen stehend verkauft und sei von da an nicht mehr zuständig gewesen.

Der Autor erfährt, was außer Geld noch antreibt: Erfolg. Und was ein gutes Buch ist: ein erfolgreiches natürlich

Ob er noch zeitgemäß ist? Er erzählt, dass es in seinem bald erscheinenden Buch „Die Gesetze der Gewinner“ nur noch in einem Kapitel um Geld geht. Er wisse auch nicht mehr genau, was ihn antreibt: „Erfolg treibt an, auf jeden Fall, man kann nicht mehr trennen, was Spaß ist und was Erfolgssucht.“ Sein Erfolg lag am Timing. „Die Idee war neu. Es ging nur darum, etwas anders zu machen, besser ist keine Frage. Quatsch, besser war es nicht.“ Und: „Den Beweis, dass ich schreiben kann, habe ich noch nicht erbracht. Nur den Beweis, dass ich was zu sagen habe.“ Falls seine Bücher mal nicht mehr laufen? Kein Problem. “ Dann würde ich einen Roman schreiben, ein lehrreicher Roman wäre das. Und ich hätte das Gefühl, gute Bücher geschrieben zu haben.“ Gut heißt für ihn immer noch erfolgreich.

Aber noch läuft es gut: Die Bücher sind in 23 Sprachen übersetzt, aber leider noch nicht in den USA, England, Spanien und Frankreich erschienen. „Das beste Angebot aus den USA war eine Ohrfeige. 500 000 Dollar für so ein Buch ist zu wenig.“ Er sagt stolz: „Der Weg zur finanziellen Freiheit“ ist das erfolgreichste Geldbuch der letzten zehn Jahre, weltweit. Vorher sei der Verkauf nicht genau erfasst worden. In Deutschland gehen seine Bücher weiterhin gut, was ihn wundere, denn früher förderten Mammut-Auftritte den Absatz. Die gibt es heute nicht mehr: „Ich rede 40-, 45-mal im Jahr, vor zwei Jahren waren es 130 Auftritte. Einen ganzen Tag lang. Heute nur noch eineinhalb Stunden.“ Auch die Medienpräsenz hat er zurückgeschraubt. „Ich habe mich im letzten Jahr rar gemacht, war nur zwölfmal im Fernsehen.“ Bodo Schäfer sagt, er lebe nach der Devise K.L.U.W: konstant lernen und wachsen. Der Autor beschließt, ihm zu glauben.

Wir reden über seine gescheiterte Ehe. Er war mit 16 nach Kalifornien gegangen, hatte sich hochgearbeitet, zog dann nach Mexiko und heiratete ein Mädchen aus einer reichen Familie. Ein verwöhntes Mädchen, das mit ihm nach Deutschland kam. Dort änderte er sich, hatte keine Zeit mehr für sie, weil er Geld machen musste, weil er das Abi nachholte. „Ich habe mich verändert, sie ist damit nicht zurechtgekommen. Sie war es gewöhnt, viel Aufmerksamkeit zu bekommen.“ Irgendwann war sie weg.

Wir reden noch ein bisschen über dies und das, und immer wieder wird klar: „Geld allein macht nicht glücklich“. Gegen Ende kommt eine schöne, junge dunkelhäutige Frau in die Bar, ein Barbara-Becker-Typ. Groß, lange schwarze Haare, sie trägt eine extrem enge hellblaue Hose, die den Hintern betont. Sie schaut rüber, Bodo Schäfer dreht sich exakt in diesem Augenblick um und sieht sie. „Meine Partnerin“, sagt er, winkt schnell und kurz.

Redet weiter über seine Politik gegenüber den Verlagen. Die wollen ihn immer dazu bringen, einen Vertrag über mindestens drei Bücher zu unterschreiben. Macht er nicht. „Ich hab‘ mich nie gerne in Kästen packen lassen, auch nicht in vertragliche.“ Obwohl das jetzt gut wäre, einen Vertrag über mehrere Bücher zu haben, schließlich ändert sich die Atmosphäre, seine Geld-machen-geht-folgendermaßen-Bücher könnten bald nicht mehr laufen. „Ich bin für den Markt eigentlich schon zu lange dabei, man müsste sich an mir eigentlich satt gelesen haben.“ Dazu komme, dass er einen Marketingaspekt ignoriere: „Alle Fachleute sagen, zuerst ein allgemeines Buch, dann in die Details gehen, also Einzelaspekte abarbeiten.“ Er mache das Gegenteil. Sein nächstes Buch sei breiter gefasst. Oder auch sein aktuelles. „Zu einem beschisseneren Zeitpunkt hätte es nicht auf den Markt kommen können. Aber es läuft.“ Inzwischen habe ich das Gefühl, der Mann ist weiser als zu der Zeit, als er schrieb, man habe von fünf Mark am Tag zu leben. Ja, bestätigt er, er lebe nach dem Motto K.L.U.W. „Konstant lernen und wachsen. Ich meditiere zweimal am Tag, bin ruhiger geworden, kann Gedanken ausblenden und lerne zuzulassen, eine schwere Übung für mich, weil ich ein Macher bin.“ Die ganze Zeit schaut er mir in die Augen, und ich beschließe, ihm zu glauben. Er fragt: „Reicht das?“ Und steht auf, eilt aufs Klo, küsst unterwegs seine Partnerin auf die Wange und ist weg.