Die Kosovo-Kasse

Reportage
zuerst erschienen im März 2001 in brand eins
Die MEB ist die erste und einzige Bank im Kosovo. Im ehemaligen Kriegsgebiet ist sie nicht nur ein Geldinstitut, sondern ein Zeichen der Zivilisation. Und ihre Kredite sind nicht einfach Geld, sondern Chancen. Für eine Gesellschaft, die sich neu formieren will

Zur Sicherheit zahlt Koen Wasmus, Chef der Micro Enterprise Bank in Pristina, doppelt Miete für 1100 Quadratmeter auf fünf Stockwerken. Das mit der doppelten Miete gefällt dem Holländer zwar nicht, gibt ihm aber Sicherheit. Die eine Miete geht an die UNMIK, das ist die UNO-Verwaltung des Kosovo, die das Gebäude vom Staat Jugoslawien übernommen hat, also von den Serben. Die zweite Miete geht an die UCK, die „Befreiungsorganisation“. Das Haus im Zentrum der Stadt gehörte früher dem jugoslawischen Verband der Veteranen des Zweiten Weltkriegs. Die UCK sagt, wir haben auch einen Veteranenverband, wir sind somit die Nachfolger. Zahlt an uns! „Also machen wir das“, sagt Wasmus ganz gelassen in seinem kleinen Büro. An der Außenwand der Bank hängt nun ein gemaltes Plakat, darauf ist ein Bär von einem Mann im Tarnanzug mit Zottelbart und einer Kalashnikov: Adem Jashari, kosovarischer Held, tot.

An einem Tag setzt die MEB zehn Millionen um. D-Mark. Denn Kosovo ist Deutschmarkland

Die Bank, MEB, die erste und bisher einzige im Kosovo seit die Nato die Serben verjagt hat, ist mit einem sozialen Auftrag ausgestattet. Und mit einer Anschubfinanzierung gemeinnütziger europäischer Institutionen. Sie ist ein Erfolg, ein richtig großer: „Wir wollten nach zwei Jahren im Plus sein, waren es aber schon nach zehn Monaten“, sagt Wasmus. Er ist 30, wirkt bubihaft jung, trägt einen blauen Business-Anzug mit weißem Hemd und roter Krawatte, durch seine unauffällige Brille schaut er manchmal traurig, manchmal pfiffig. Er rattert die Erfolgsgeschichte runter, weil gleich eine Konferenz ist: gegründet im Januar 2000 als kommerzielle Bank mit dem sozialen Hintergedanken, den Aufbau zu fördern. Schwerpunkt: Kredite für Kleinunternehmen. Wasmus baute sein Ikea-Büro selbst zusammen und legte los.

Der Kosovo boomt. Wegen des Geldes, das als Hilfe ins Land kommt. Und wegen der Überweisungen von Kosovo-Albanern in Deutschland, Skandinavien und der Schweiz. Es gibt Geld, aber keine Steuern, keine Regeln, kein Copyright. Der Kleinhandel blüht. Wasmus zählt auf: „100 neue Konten jeden Tag, von Anfang an bis heute“ - „Im Augenblick 160 Mitarbeiter“ - „Neben der Zentrale in Pristina haben wir noch vier Filialen“ - „Die fünfte in Microvica wird im Juni eröffnet“ - „Wir haben Kredite für zwölf Millionen Mark vergeben“ - „Zurzeit sind es 806 Darlehen, die zurückgezahlt werden“ - “ An einem normalen Tag werden hier zehn Millionen umgesetzt“ - „Über 1000 Kredite haben wir vergeben, alle wurden bisher zurückgezahlt.“ Da die MEB die einzige Bank im Kosovo ist, laufen alle Hilfszahlungen der EU, der OSCE, der vielen Hilfsorganisationen über sie. Das ist ihr einer Geldbringer. Dazu die Leute, die ihr Geld auf die Bank bringen. Und eben die Kredite, die hier, da wundert sich Wasmus, so akkurat zurückgezahlt werden wie woanders auch, trotz Zerstörung, Armut, Unsicherheit und dem Zinssatz von 1,5 Prozent. Im Monat. „Wegen der hohen Risiken hier.“ Die Währung im Kosovo ist offiziell der Dinar, der jugoslawische Dinar. Aber den nimmt hier niemand, mit Dinar kann man nichts kaufen. Kosovo ist D-Mark-Land. Wer Geld auf die Bank bringt, bringt D-Mark. Wer Kredite bekommt, bekommt sie in D-Mark. Wer bezahlt, zahlt sie in D-Mark. Stromgebühr pro Haus: 30 D-Mark. Schon vor 15 Jahren brachten die Leute ihr Geld in D-Mark zur Bank, wegen der Inflation. Die D-Mark war sozusagen die jugoslawische Währung, jetzt ist sie die kosovarische, so wie sie auch die Währung Bosniens ist. Für den Balkan ist die D-Mark so was wie der Dollar für den Rest der Welt. „Das bringt für uns natürlich Transportprobleme, Sicherheitsrisiken.“ Die Scheine und Münzen müssen aus Deutschland rangeschafft werden. „Andere Banken in Europa arbeiten mit Überweisungen, aber hier gibt es eine Bargeld-Gesellschaft, nur Cash.“ Übrigens sind all die Fünfmarkscheine, die es früher in Deutschland gab, im Kosovo. Dort gibt es mehr als in Deutschland. An einem Tag hat man mindestens vier, fünf in der Hand.

Ein Märchenland im Westen, ganz weit weg: Die Leute lieben deutsche Banken und deutsche Effektivität

Pristina, das ist auf den ersten Blick: Krähen, massenhaft Krähen, überall, in Riesenschwärmen kreischende Krähen. Müll auf der Straße, es gibt keine funktionierende Müllabfuhr. Nestle-Werbeplakate für Tütensuppen, Gewürze, Schokolade, Instant-Kaffee. Überall hängt Nestle-Werbung, allem Anschein nach pro Familie ein Nestle-Plakat. Stände an den Straßen mit CDs, CD-ROMs, Cola-Dosen, Jeans, Feuerzeugen, Taschenmessern, T-Shirts. Restaurants und Cafes zu Hunderten, eines neben dem anderen.

Die Aussicht aus Koen Wasmus‘ Büro: Die Post gegenüber ist neunstöckig, die oberen beiden Stockwerke sind schwarz ausgebrannt, das Dach fehlt, Wände haben Risse. Wo Fenster waren, sind Löcher, die Stockwerke darunter haben keine Glasscheiben in den Fenstern; ab und zu sind die Öffnungen mit Pappe oder Plastikplanen geschlossen. Der Putz ist an vielen Stellen abgesprungen, Granatsplittereinschläge. Daneben das UNMIK-Hauptquartier hinter hohen weißen Gittern. Vier Container davor, die Einheimischen konnten dort vermisste Familienmitglieder melden. Das Büro ist hell: weiße Wände, helle Holzmöbel. An der Wand der für mitteleuropäische Büros standardisierte Kandinsky-Druck und ein Holland-Werbeposter. „Damit mich nicht alle für einen Deutschen halten.“ Denn: Die Bank heißt bei den Leuten in Pristina die deutsche Bank, zwar steckt auch holländisches Geld drin, aber die Leute hier reagieren stärker auf Namen wie Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt am Main oder Commerzbank.

Im Keller bei den Controllern. Zwei Albaner, die Ältesten von allen hier, Albert Lumezi, 42, und Bashkim Baca, 39. Sonst ist niemand älter als 30, alle wurden angelernt. Die beiden Älteren waren vor langer Zeit bei Yugobanca, haben da noch in kommunistischen Zeiten gearbeitet. Halt, das ist zu arg verkürzt. Sie waren bei der Ljubijanska Banka, die ihren Hauptsitz in Ljubljana, also im slowenischen Teil von Jugoslawien hatte. Dann spaltete sich Slowenien ab. Die Bank wurde zur Banka Creditore, die Geschäfte liefen schlechter, aber sie liefen noch irgendwie. Das sei schon die Zeit gewesen, als nur noch D-Mark was wert war, sagt Albert Lumezi. 90 Prozent des auf jugoslawischen Banken angelegten Geldes waren D-Mark. Nach eineinhalb Jahren wurde die Bank zur Yugobank. „Bad times, Besitzer Serben, ein Politiker wurde Boss, keiner eröffnete mehr Konten, alle hoben ab, eine tote Bank, eine absolut tote Bank. Wir bekamen fünf, sechs Monate kein Gehalt.“ Bashkim, ein Witzbold, unterbricht: „Wir bekamen schon unser Gehalt, auf ein Konto, aber wir konnten nichts abheben.“ Jetzt sei alles Hasse. Die beiden singen eine Lobeshymne auf deutsche Effektivität, auf die D-Mark. Außer Wasmus arbeiten noch acht weitere Nicht-Kosovaren hier, alles Deutsche. Albert war vor kurzem zur Schulung in Frankfurt, drei Wochen. Die Arbeit sei toll, endlich gebe es wieder was zum Controllen. Geld sprudle im Kosovo. Die MEB habe allein Aktiva von 100 Millionen Mark.

Kreditvergabe ohne Steuerunterlagen oder Buchführung? Reine Vertrauenssache!

Auf dem Weg zum Konferenzraum, vorbei an einem kleinen Raum. Darin sitzt an einem Schreibtisch eine junge Frau, wie alle hier dunkel gekleidet, alle tragen nur Schwarz und Grau, ganz selten ein dunkles Grün. Die Frau in dem Raum, an dessen Tür „Accounting“ steht, prüft eine lange Computerliste, dabei singt sie ein Volkslied. Mit tiefer Stimme, voll Emotion, laut und intensiv. Sie singt, ab und zu macht sie mit einem Kuli ein Zeichen in die Zahlenreihen. Es ist 16.30 Uhr, kein Publikumsverkehr mehr. Jetzt kommen die Kassiererinnen, alle in Schwarz oder Grau, mit roten oder dunkelgrauen Kassetten. Es gibt 15 Cash Boxes in der Bank. Und an jeder sind so gut wie immer Schlangen. Die neueste CD von Cher ist laut zu hören. Cher ist sehr hip hier, weil ihre Stimme so tief ist wie die der einheimischen Frauen. Eine Frau, ganz in Schwarz, schwingt die rote Kassette und improvisiert Tanzschritte. Sie sieht, dass sie beobachtet wird, lacht und tanzt noch ein bisschen intensiver, zum Raum, in dem das Geld gezählt wird.

Ein Stock höher im Konferenzraum: Koen Wasmus und acht Loan Officers, zwei Frauen, sechs Männer, alle jung, alle in dunklen Farben, sitzen an einem großen Tisch. Loan Officer sind Sachbearbeiter, die Kredite vergeben. Was hier anders funktioniert als in Deutschland. Sie sind draußen, es gibt so gut wie nie Unterlagen, keine Steuererklärungen, keine Buchführung, nichts, auf das man sich verlassen kann. Deshalb reden sie mit den potenziellen Kreditnehmern stundenlang, fragen, fragen, fragen und beurteilen, ob der lügt. Sie gehen in die Wohnungen, suchen dort nach Sicherheiten für die Kredite, also Fernseher, Autos, Nachttischlampen. Eine heikle Aufgabe, keine Unterlagen. Nie ist klar, wem der Grund gehört, so gut wie nie, wem das Haus. Was haben Sie in Ihrer Plastiktüte als Sicherheit? Sie müssen entscheiden, ob die Leuten vertrauenswürdig sind oder nicht.

Die Hälfte der Unternehmen macht nach einem halben Jahr Pleite. Aber das ist nicht nur in Albanien so

Dann sprechen sie wie jeden Tag über Kreditanträge. Wasmus ist still, die anderen erzählen: Einer will 10 000 für Maschinen, als Sicherheit hat er ein Auto, einen Kühlschrank, eine Stereoanlage. Er macht einen guten Eindruck, hat fünf Angestellte. Der wäre was. Oder: Einer hat zwei Lokale, will ein drittes aufmachen, er hat ein Konto bei uns, wenn es stimmt, was er sagt, setzt er 20 000 im Monat um. Und so weiter. Es gelten folgende Regeln: so wenig wie möglich Papierkram für die Kreditnehmer. Es gibt nur Kredite für Leute, die schon ein halbes Jahr im Geschäft sind. Wasmus: „Die Hälfte aller neu gegründeten Geschäfte macht innerhalb eines halben Jahres wieder dicht, überall auf der Welt, überall. Deshalb vergeben wir nur Kredite an Leute, die schon ein halbes Jahr im Geschäft sind. Wir finanzieren keine Start-ups.“ An diesem Tag gehen alle elf Kreditbegehren durch: 5000 da, 12000 hier, 8000, 10000, dreimal 20000. „Der Durchschnittskredit ist so um die 12 000.“ Wasmus hört bei der Konferenz fast nur zu, einmal fragt er: „Und der Charakter des Mannes?“ Die Antwort: „Ein harter Arbeiter.“ Wasmus: „Gut, der Nächste.“ Sie reden englisch miteinander. Als Wasmus kurz raus zum Telefon muss, sprechen die anderen albanisch weiter. Aber mit Worten wie „asset“, „capital“, „cash“, „cross-check“. Als Wasmus wieder da ist, fragt ein Loan Officer den anderen: “ Hast du das gegengecheckt?“ Der sagt: „Nein, ich hab ihm einfach geglaubt, auf mich macht der nicht den Eindruck, als würde er lügen.“ Auch der Mann kriegt seinen Kredit.

Info: Die MEB wird von der IPC, Internationale Projekt Consult GmbH, in Frankfurt geführt, bei der ist Koen Wasmus angestellt. Die Anschubfinanzierung kam von der EU und der Bundesregierung, Insgesamt hat in deren Auftrag die Kreditanstalt für Wiederaufbau 5,63 Millionen Mark zugeschossen. Weitere Finanzspritzen kamen von holländischen Institutionen. Inzwischen ist die Commerzbank einer der Teilhaber der MEB, genauso wie die IMI AG, eine Tochter der IPC.

Am nächsten Tag, auf Tour mit zwei Loan Officers, Arben Gashi und Nusret Krasniqi. Beide sind 27. Arben war in Skandinavien während des Krieges, Studium der Ökonomie und 20 verschiedene Jobs. Nusret war Asylbewerber in der Nähe von Hamburg. Arben ist frisch verheiratet, Nusret lebt mit fünf anderen in einer WG. Er zahlt 100 Mark Miete im Monat, hebt alle drei Tage zehn bis 15 Mark ab zum Leben und spart viel. Ihr Gehalt ist teilweise fix, 900 Mark im Monat garantiert. Der Rest ist Bonus. Das heißt, pro vergebenem Kredit gibt es Geld, vor allem, wenn der zurückgezahlt wird. Nusret macht so noch mal 400 Mark im Monat. Er hat ein Portfolio von 37 Kreditnehmern, Arben eines von 35. Die beiden sind Freunde und Konkurrenten, sticheln sich: Deiner wird nicht zurückzahlen. Na und, ich hab immerhin zwei mehr. Anfangs gingen alle Loan Officer am Monatsende zu ihren Kunden, drängten auf prompte Zahlung der Raten. Hatten Angst um ihre Prämie. Jetzt ist die Lage entspannter. Bisher gab es nur einen Kreditnehmer, der nicht abzahlte, ein Rockmusiker, der mit dem Kredit eine Anlage und eine Gitarre gekauft, mit Live-Musik aber nicht genug verdient hat. Da ging einem Loan Officer der Bonus flöten.

Ein Zug durch die Kreditnehmer-Gemeinde: Alle wollen handeln, keiner produzieren

Boutique Venezia: Edelgarderobe, teuer für Pristina. „Mein Kunde“, sagt Arben stolz. „Mit 20000 Mark Kredit hat er eine Filiale aufgemacht.“ Kunde und er plaudern. Weiter. Classic Shoes Lux. „Mein Kunde“, sagt Nusret. „15 000, damit hat er Maschinen gekauft, er stellt einen Teil der Schuhe selbst her. Hat bald alles zurückgezahlt. Macht dann vielleicht einen zweiten Laden auf. Neuer Kredit.“ Die beiden erklären: Früher arbeiteten alle in Kombinaten, Industrie. Jetzt ist der Kosovo eine Gesellschaft des Handels. Alle handeln, kaum jemand produziert. Die Bank gebe besonders gern Kredite an Handwerksbetriebe.

Auf dem Markt. Ein Stand mit Elektrozeug oder Klamotten neben dem anderen. Nusret und Arben deuten nach links, nach rechts, sagen: mein Kunde, meiner, mein Kunde, meiner. Dann vier weitere Kunden auf dem Markt. Junge Männer, der älteste ist 29, der jüngste 21. Er heißt Rrustem Musa, geht zweimal im Monat in die Türkei, kauft dort Kinderkleidung, finanziert das mit dem Kredit. Nebenan Rrahim Dazipi, er kauft in Bulgarien, Makedonien, der Türkei und in Italien Bügeleisen, Radios, Walkmen, Taschenrechner, Tischventilatoren. Melik Stanovici ist nicht nur auf dem Markt, mit einem Kredit hat er auch noch einen richtigen Laden aufgemacht. Er ist stolz darauf, vor kurzem erstmals im Kosovo Waren eingekauft zu haben. Arben zeigt seinen ersten Kunden: Gafurr Boroci, der geht zweimal im Monat in die Türkei, Klamotten kaufen. Zum Schluss noch ein seltsamer Laden direkt neben dem Markt, im zerstörten Fußballstadion mit dem rußschwarzen Rand. In einem engen, neonhellen Raum, dessen Decke die Unterseite der Tribüne, also eine Treppe, ist, haben die Brüder Avni und Azem Aliv einen Haushaltswarenladen: Geschirr, Dampfkochtöpfe, Messerblöcke, Töpfe, Gaskocher. Sie sehen aus wie Streetboys und sind Nusrats Klienten. Im gleichen Raum Emine Abdullahu, 28, schön, eine Verwandte. Arbens Klientin. Sie verkauft Kosmetika, Nivea in allen Variationen, Faberge, Revlon, Shampoo. In Makedonien mit Geld aus dem Kredit gekauft. Die beiden Geschäfte teilen sich die Miete. „Wo du hier hinschaust, MEB-Kredite, überall. Ohne die gäbe es hier wenig“, sagt Arben.

Nachmittags in Bardosh, neun Kilometer nördlich von Pristina. Bei Arbens Lieblingskunden riecht es nach Lack. Eine große Werkstatt, in der Autos gespritzt werden. Fünf OSCE-Jeeps und sechs andere Autos stehen rum. Skender Kacandolli, 32, sieht ein bisschen aus wie der junge Marlon Brando, unterscheidet sich aber in einem Punkt ganz deutlich: Er lächelt immer, ständig, ohne Pause. Es geht ihm gut. Er hat einen Vertrag mit der OSCE, lackiert ständig die immer wieder angeschrammten Jeeps neu. Mit dem Kredit hat er sich bessere Maschinen gekauft. „Ein richtig harter Arbeiter“, sagt Arben. Neun Angestellte, die pausenlos herumwuseln, richtig hektisch sind, dauerarbeiten. Der Laden läuft. Der 20 000-Kredit sei bald abbezahlt, inzwischen mache Kacandolli mehr als 20 000 Umsatz im Monat. „Mann, ein Vertrag mit der OSCE, das ist die beste Sicherheit, die du hier haben kannst.“ Am nächsten Tag, in einem der vielen Straßencafes. Arben kommt zufällig vorbei, jubelt. Neuer Kredit, 100 000 Mark für einen Bäcker, der jetzt eine Art Brotfabrik aufmachen wird. „Mein Kunde, mein bisher größter.“ Er ist auf Wolke sieben, eilt weiter nach Hause, seiner Frau die Nachricht bringen. Kurz darauf: Nusrat kommt vorbei. Zwei Kredite heute, kleine, 12 000 und 8000 Mark. Ja, Arben hat ihm von seinem Coup erzählt. Wow! Er selbst hat bisher 37 Kredite vergeben, über insgesamt 454 000 Mark, sein dickster Fisch ist ein Fleischer, der mit 40 000 Mark von der MEB zum Fleischhändler wurde. 100 000! Wow!, sagt Nusrat neidisch.

Für Hass gibt es in der Bank keinen Platz: Bald arbeiten Albaner und Serben zusammen

Bei Koen Wasmus im Büro: nein, definitiv nein! Der Safe darf nicht fotografiert werden, die Wachmänner am besten auch nicht. „Im Prinzip ist hier Wilder Westen. Wer weiß, welcher Albaner das in Deutschland liest und sieht. Wir haben hier wirklich ein Sicherheitsproblem. Das ganze Geld, alles, muss aus Deutschland hertransportiert werden. Jeden Tag kommt das Geld aus den Filialen hierher. Wenn wir Geld in Deutschland anlegen wollen, und wir haben inzwischen viel zum Anlegen, müssen wir es hinbringen. Denn wie gesagt: „Hier ist nur Cash.“ Er verdreht die Augen. Früher war er in Uganda in einer ähnlichen Bank. „Gar nicht so viel anders als hier, überhaupt nicht eigentlich.“ Und erzählt vom Security-Unternehmen, das die Bank beschäftigt. Massenhaft Leute, die Metalldetektoren an den Eingängen seien schon nötig, auch wenn sie Flughafenatmosphäre hervorrufen. Der Besitzer der Security-Firma sei Amerikaner. Zum Glück. Der Laden sei seriös, mit anderen Firmen wolle er nichts zu tun haben. Lange Pause, dann: „Schutzgeld, Sie verstehen, der Ami ist der einzig Wahre hier.“ Er habe gerade Geldautomaten bestellt, für jede Filiale einen, zwei zusätzlich für Pristina. Schildert seine Angst vor dem Euro. „Die Scheine müssen hier runtergebracht werden, die D-Mark zurück, ein riesiges Sicherheitsproblem in so einem Land.“ Dann erzählt er von der Filiale in Microvica, die im Juni eröffnet werden soll. Genau zwischen dem albanischen Teil der Stadt und der serbischen Enklave. „Wir arbeiten hart, um Serben Geld leihen zu können. Bis jetzt geht das nicht. Aber in Microvica wird das klappen, zwischen den Linien, da werden auch serbische Kunden kommen.“ Die MEB dort wird serbische Mitarbeiter haben. „Das ist eine Geschäftsentscheidung, ich bin doch nicht blöd und baue zwei Filialen, nur weil die Leute nicht miteinander auskommen. wahrend der Arbeitszeit werden sie sich vertragen müssen.“ Dem Mann vom „Wall Street Journal“, der vor kurzem hier war, hat er Folgendes Zitat mitgegeben: „Serben und Albaner hassen sich seit 500 Jahren und werden sich noch mal 500 Jahre hassen. Aber in meiner Bank müssen sie sich nach Dienstschluss hassen.“