Gemütliche Geschäfte
Es geht bergauf. Blick auf die Alpen, der Sorgschrofen verstellt den Blick nach Süden. Oben das Gipfelkreuz, maßlos viel Grün, wohin man schaut. Links und rechts Kühe auf Weiden und kleine, klare, schnell fließende Gebirgsbäche. Ein Grenzschild, die deutsch-österreichische Grenze. Aber so einfach ist das nicht.
Jungholz ist zwar Österreich, aber irgendwie auch Deutschland. Es ist ein so genanntes Zollausschlussgebiet, österreichischer Boden auf deutschem Wirtschaftsgebiet. Hier gelten andere Regeln. Deshalb ist Jungholz eine Anlaufstelle für Leute mit Schwarzgeld, für Leute, die viel unversteuertes Bargeld, D-Mark, in Euro umtauschen wollen, ohne dass es das zuständige deutsche Finanzamt mitbekommt. Obwohl Schwarzgeld ebenfalls zu einfach formuliert ist. Denn Schwarzgeld will man nicht in den Jungholzer Banken. Graugeld dagegen schon. Normalbürger machen diesen Unterschied nicht. Aber die Bankleute.
Die etwas andere Genossenschaftsbank, die hier ihre Geschäfte macht, ist eigentlich ein Ableger der Raiffeisenbank Reutte in Österreich, zwei Täler weiter. Die Tochter ist inzwischen aber so erfolgreich, dass sie jetzt in Reutte eine Tochter, also eine Enkelin der Raiffeisenbank Reutte, gegründet hat. Die wird von Jungholz aus gelenkt, damit dort auch die Jungholzer Regeln gelten können. Es geht dabei um viel Geld. Die Raiffeisenbank Jungholz hat ein AUM (Assets Under Management, verwaltete Geldmenge) von 2,5 Milliarden Euro. Das heißt: Die Bank, die äußerlich wie eine schnuckelige Kleinbank wirkt, legt Unmengen von Geld an, sie ist neben der Raiffeisenbank Kleinwalsertal eine der größten Raiffeisenprimärbanken Österreichs. Das Kleinwalsertal ist übrigens ebenfalls ein Zollausschlussgebiet, das größere der beiden hier in der Gegend.
Das Dorf: Jungholz, aus dem Bilderbuch des Heimatfilms, mit 370 Einwohnern und der höchsten Bankendichte der Welt
Auf das Zollausschlussgebiet kam ich durch eine Anzeige in der „Stuttgarter Zeitung“. Da hieß es: „Ab 01.03.2002 tauscht nur noch der Staat Ihr Geld um.“ Und: In Jungholz können Sie „ihre DM ganz einfach, diskret und kostenlos in Euro umtauschen“. Das österreichische Bankgeheimnis „verschafft Ihnen einen außergewöhnlichen Diskretionsvorteil“. Der Ort hat eine österreichische und eine deutsche Postleitzahl, die Telefonnummer ist deutsch.
Am Ortsschild parke ich das Auto am Straßenrand und schaue einige Minuten den Kühen und Stieren beim Kopulieren zu. Eine laute Sache, die Tiere haben Glocken um den Hals, die bimmeln wie verrückt. Das ist lustig, obwohl es auch nach Kämpfen aussieht. Seltsam ist, dass Stiere manchmal versuchen, Stiere zu bespringen. Das mag unwichtig wirken, aber es bringt die Atmosphäre in Jungholz auf den Punkt.
Jungholz lebt von Landwirtschaft und Tourismus. Es ist ein Familien-Skigebiet, man sieht an den Hängen Schlepplifte auf Gras, im Winter, wird mir erzählt, ist der Ort schneesicher. Jungholz hat 370 Einwohner, 80 davon sind deutsch, vermutlich Steuervermeider. In der Ortsmitte gibt es die Kirche, einen kleinen Dorfplatz und drei Banken: die Raiffeisenbank sowie zwei andere, die nachgezogen sind, weil die erste so erfolgreich war, eine Sparkasse und eine Volksbank - in Österreich sind die Volksbanken und die Raiffeisenbanken nicht miteinander verbunden. Drei Banken auf 370 Einwohner, das ist die höchste Bankendichte der Welt. Der Dorfplatz ist zum Teil überdacht, auf eine Wand wurde ein Stück volkstümliche Natur gemalt, hier spielt einmal die Woche die Dorfmusikgruppe.
Alles hier, jeder Anblick, schreit: Tirol, Heimatfilm, Alpenglühen, Jagertee, Gemsen, Berghütten, Jodeln, urig. Das war ein Problem für die Raiffeisenbank, denn die wuchs und wächst stark, sie holt Mitarbeiter aus Deutschland und Österreich. Früher gingen viele nach einiger Zeit wieder weg, denn es ist klein und kuschelig hier, aber so kuschelig, dass es nicht allen gefällt. Inzwischen sucht die Bank nur noch Börsenexperten, die auf dem Land leben wollen, richtig weit draußen. Die, wenn sie in eine Stadt wollen, mit Füssen, Kempten oder Reutte zufrieden sind. Besonders auffällig ist der Empfang jedes einzelnen Besuchers im Foyer der Raiffeisenbank. So freundlich wurde ich noch nie bei einer deutschen Genossenschaftsbank begrüßt. Das gehört zum Marketing, die „persönliche Betreuung in Verbindung mit dem Diskretionsgedanken“ ist das Erfolgsrezept. Für einen Kunden nimmt sich ein Berater schon mal einen ganzen Tag Zeit.
Der Chef der Bank: Wolfgang Schweissgut, ein überzeugter Provinzler, unauffällig, sympathisch, professionell
Zur Einführung darf ich einen dicken Ordner mit der Aufschrift „Sonderleistungen unseres Hauses, Kapitalanlage ganz privat“ durchblättern. Privat und intim sind zwei Wörter, die heute oft fallen, sie werden in Jungholz aber anders benutzt als anderswo. Sie bedeuten hier: Das Finanzamt erfährt nichts. Einer der ersten Sätze, die Wolfgang Schweissgut, der Chef, sagt, und zwar überzeugt: „Ich bin Provinzler.“ Er hatte Angebote aus Frankfurt, Zürich und so weiter. Aber er ist geblieben. Zehn Jahre hat er hier gelebt, seit vier Jahren wohnt er in Füssen, also in Deutschland, er ist aber Österreicher. Der Bankier trägt einen grauen Anzug mit Weste, gut sitzend, schöner Stoff, eine rote Krawatte, so dezent, dass man sie nicht wirklich als rot wahrnimmt, und eine kleine Brille mit dünnem Rand, auch kaum wahrnehmbar. Seine Haare sind grau, flaumig, er hat Geheimratsecken, einen Oberlippen- und Kinnbart, alles ebenfalls kaum sichtbar. Seine Stimme ist angenehm entspannt, sein Dialekt dezent - er bekommt die Mischung aus sympathisch und professionell gut hin. In seinem Büro dominiert Holz, helles Holz. Zirbenholz, sagt er. Sehr tirolerisch. Die vielen dunklen Astlöcher wirken wie Augen, man könnte sich beobachtet fühlen.
Schweissgut erklärt den Hintergrund: Jungholz ist sieben Quadratkilometer groß. Die einzige Verbindung nach Osterreich liegt oben auf dem Gipfel des Sorgschrofen. Wenn man sich um das Gipfelkreuz herumwinden würde, wäre man in Österreich. Aber hier ist schließlich auch Österreich. Obwohl: Wirtschaftlich ist hier eben Deutschland.
Zum besseren Verständnis ein wenig Geschichte: 1342 kaufte der Tiroler Heinz Lochpyler den Boden und rodete ihn, er zahlte Abgaben nach Tirol, wo er herkam. Der Status des Fleckens war umstritten, es ging hin und her. 1453 einigten sich schließlich Erzherzog Siegmund der Münzreiche von Tirol und der Bischof von Augsburg auf den heutigen Status. 1868 wurde mit dem Zollanschlussvertrag zwischen Bayern und Tirol der jetzige Zustand noch einmal bestätigt. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg kamen Deutsche, um ihr Geld zu sichern. Damals gab es, um Kapitalflucht aus dem Reich zu vermeiden, eine 1000-Mark-Sperre - mehr durfte man ins Ausland nicht mitnehmen. Doch Jungholz war kein Ausland, nur Zollausschlussgebiet. Was aber auch bedeutete: Wenn man Geld hierher brachte, brachte man es nach Österreich.
Die guten Wörter: Diskretion, Privatsphäre, Steueroptimierung. Aber auch die Performance spricht für den Standort
1981 gründete die Raiffeisenbank Reutte, 1898 als typische Genossenschaftsbank entstanden, den Ableger in Jungholz und initiierte damit eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte - seitdem kommen die Menschen aus Deutschland und immer mit Bargeld. Einige haben Aktenkoffer voller Geld, die Mehrheit eine volle Manteltasche oder eine große Brieftasche. „Unser Kundensegment ist breit, meist sind es Leute, die sich ihr Geld selbst erarbeitet haben. Junge sind eher selten.“ Einige Kunden kommen aus den Niederlanden, aus England und den USA. Das liegt daran. dass die Bank in einem Buch von Stern and Associates Inc.; Buffalo, N.Y. gepriesen wurde: Sie bekam fünf von fünf Sternen. als einzige Bank in Österreich, eine Empfehlung für Amerikaner, die nach Europa wollen. Während die Deutschen wegen de? Steuerdrucks kommen, ist bei den Amerikanern die Auskunftsfreude der US-Banken der Grund. Worüber Wolfgang Schweissgut oft redet, immer wieder, in verschiedenen Worten, ist „der Schutz der Privatsphäre“. Die beiden Sätze, die mir am bester gefallen haben: „Unsere mitteleuropäische Kultur ist so geprägt dass wir privates Geldvermögen als etwas sehr Persönliches, Intimes sehen.“ Und: „Die Kunden mögen die persönliche Ansprache in Verbindung mit dem Diskretionsgedanken.“ Das Wort Steuervermeidung umgeht der Bankier. Er sagt stattdessen Steueroptimierung. „Wir klären den Kunden natürlich darüber auf, dass er seinen steuerlichen Verpflichtungen in seinem Heimatland nachzugehen hat.“ Das heißt: Sie sagen es denen die mit einem Haufen Bargeld kommen, aber es bleibt ihre Sache. Wer sein Geld herbringt und anlegt, muss keinen Zinsabschlag als Steuern zahlen. Und wenn er stirbt, fällt es nicht auf, wenn die Erben keine Erbschaftssteuer abliefern. Nur wenn sie „selbst aktiv werden“, also wenn sie sich beim Finanzamt melden, müssen sie zahlen. Nur dann, denn die österreichische Bank oder die Aufsichtsbehörde prüft nichts. Andere Vorteile seien “ Steuerstundungseffekte“. Und der Paragraf 59 der deutschen Außenwirtschaftsverordnung, der besagt, dass man nicht mehr als 12 500 Euro ins Ausland bringen darf, gilt hier ebenfalls nicht. Man darf. Graugeld, also Geld, das bisher nicht versteuert wurde, kommt hier problemlos unter, solange man es nicht als Problem ansieht, wenn jemand freundlich auf steuerliche Verpflichtungen hinweist.
Die Raiffeisenbank Jungholz performt gut, sagt Schweissgut. Sie war die Erste, wirklich die Erste, betont er, die das machte, was gerade sehr beliebt ist - sie legte keine eigenen Fonds auf, sondern investiert das Kundengeld in die besten der 3000 Fonds auf dem deutschen Markt. Der Trend „Open Architecture“ und „Fondshopping“, mit diesen Begriffen werben nun einige große Banken in Deutschland, ist hier entstanden. Das gilt als Plus für den Kunden, denn der kann sich sicher sein, dass die Berater ihm keine Fonds der eigenen Bank andrehen wollen, die eventuell etwas schwächlich sind.
Die Raiffeisenbank Jungholz hat Verträge mit vielen Partnern, Morgan Stanley, der Deutschen Bank, Dresdner Kleinwort, HSPC und anderen, sie bekommt von ihnen Informationen, danach wird eine Hausmeinung gebildet, dann das Geld angelegt. So gut, dass bei Ratings die Bank stets vorn dabei ist. Bei regelmäßigen Vergleichen schneide man besser ab als Goldman Sachs, immer mehr Rendite, bei immer weniger Risiko. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center, so Schweissgut, fielen die Entscheidungen in Jungholz schnell. Gegen 17 Uhr waren alle Kundenkonten mit Derivaten abgesichert, nichts ging verloren. Ständig klingelte das Telefon, andere Banken wollten Tipps. „Es lief professionell hier.“ Aber er sagt auch: „Wir hatten Glück, in solch einer Situation braucht man Glück. Wir haben auf ein rezessives Szenario gesetzt.“ Glück! Nett, dass der Bankier die Eigenwerbung nicht übertreibt. Obwohl er die doch gerade jetzt braucht.
Die große Welt im Kleinen: Einst erinnerte der Schließfachraum an Hollywood, heute übernimmt das die Hightech-Identifikation
Denn nur noch bis zum nächsten Februar ist das Umtauschen in Euro, ohne dass die Behörden davon erfahren, ein Argument für den Standort. Stattdessen sollen andere Stärken für Jungholz sprechen. Zum Beispiel „bieten wir unseren Kunden Stiftungen österreichischen Rechts und liechtensteinischen Rechts. Bei einem Konkurs gibt es kein Durchgriffsrecht auf Stiftungen. Und wir helfen bei der Gründung.“ Wie viele Stiftungen wurden von hier aus bisher gegründet? „Die Zahl kann ich leider nicht kommunizieren.“ Dafür aber, dass die Raiffeisenbank Jungholz auch eine Tochterbank in Sankt Gallen, Schweiz, hat, was Transfers einfacher macht. Und eben noch einmal, dass hier in der Vergangenheit immer wieder gute Anlage-Entscheidungen fielen.
Die am 11. September fielen im ersten und zweiten Stock. Im ersten ist ein großer Raum durch eine Glaswand abgetrennt, dahinter die Börsenleute, Headsets auf dem Kopf, an Computern, Uhren zeigen die Zeit in Tokio, New York, London. Draußen, vor den Fenstern, weidende Kühe auf grünen Hängen, die Kirche, der Friedhof. Nebenan einige Beratungszimmer, ohne Technik, sie sollen nicht überladen wirken, sondern alpenländisch, gemütlich, mit viel Holz und dicken Polstern. Kunden kommen nur mit Anmeldung. Ich sehe ein deutsches Ehepaar, er in Jeans, Sportschuhen und rotem Anorak, sie in schwarzen Hosen und grauem Anorak, beide Mitte 50. Das sind so die Durchschnittskunden, Bäcker, Kleinunternehmer, Selbstständige, Ärzte. Vor allem Steuersparwillige aus Süddeutschland, die A 7 führt nahe vorbei, man kann auf dem Weg in den Skiurlaub einen kurzen Abstecher machen, Konto gucken, wie das in Schwaben heißt.
Die junge nette Bankangestellte redet mit dem deutschen Paar wie mit Vorschulkindern. „Sie kommen dann heute Nachmittag so gegen 13 Uhr einfach wieder zu mir, und ich bringe Sie dann zu Ihrem Berater, dem Herrn Friedrich. Kommen Sie einfach zu mir, ich führe Sie dann direkt zu Herrn Friedrich.“ Die Frau, sie scheint die Chefin, nickt. Der Mann, zwei Schritte weiter hinten, hebt die linke Hand, macht eine Faust, hebt den Daumen und legt den Kopf etwas schräg, um zu zeigen, dass er verstanden hat, alles okay. Der grauhaarige Steueroptimierer wirkt unsicher, er scheint froh, dass die Gattin das schaukelt. Die Bankfrau sagt freundlich: „Um 13 Uhr dann, einfach hier.“ Früher hatten die Kunden ein Schließfach im Keller, für die Auszüge und Kontobücher, die deutsche Steuerfahnder nicht finden sollten. Der Schließfachraum sieht sehr nach Hollywood aus, Marmor, Gold, sehr dezent beleuchtet, an der Wand einige Spiegel. Inzwischen sind die Fächer überflüssig, denn es gibt das „Goldfinger Nummernkonto“, eine von der Raiffeisenbank Jungholz urheberrechtlich geschützte Erfindung. Der Zeigefinger des Kunden wird abgescannt, nur anhand seines Zeigefingers wird der Besitzer eines Kontos erkannt, nichts ist über ihn im Computer gespeichert, damit Hacker ebenso wenig finden wie die Finanzbehörden. Noch mal: Was hier passiert, ist legal. Jungholz ist Zollausschlussgebiet.
Schweissgut erklärt das österreichische Bankengesetz, das sehr diskret sei. Die Bankenaufsicht ist strikt, das Geld also sicher. Wer gegen das Bankengesetz verstößt und verurteilt wird, muss zwölf Monate ins Gefängnis, in der Schweiz sind es nur sechs Monate. Menschen mit richtig viel Geld gehen traditionsgemäß trotzdem eher in die Schweiz. „Wir sind in dem Segment, das unter dem der Schweizer liegt, die haben die dreistelligen Millionenbeträge.“ Allerdings hat vorher Vermögensverwalter Markus Köck, Fachmann für Kanada und USA, erzählt: Großkunden gibt es auch. Er ist mit einem Kollegen für institutionelle Anleger, also Firmen, zuständig. Kunden „mit deutlich höheren Mandaten“.
Die bessere Schweiz: Österreich! Da leben Franz Beckenbauer, Michael Stich und Friedrich Flick, die haben dafür gute Gründe
Schweissgut sagt später, auf den Punkt gebracht: Österreich ist die bessere Schweiz. Es käme sogar vor, dass einer bei den Eidgenossen lebt und trotzdem oft in Deutschland steuerlich veranschlagt werden würde. Dafür genüge es manchmal, dass die Steuerfahndung in einem deutschen Badezimmer den Waschbeutel findet. Einem in Österreich lebenden Deutschen kann das nicht passieren, vorausgesetzt, er hält sich nicht langer als 180 Tage pro Jahr in Deutschland auf. Waschbeutel sind da kein Problem. Michael Stich, Franz Beckenbauer, Friedrich Flick und Ralf Schumacher haben sich so schon vor Abgaben in ihrer Heimat gedrückt. Keine Einkommenssteuer, keine Vermögenssteuer, keine Vermögenssteuer, keine Erbschaftssteuer, nur 25 Prozent österreichische Kapitalertragssteuer.
Schweissgut führt zur Vertiefung des bereits Gesagten einige Schautafeln seiner Bank vor, die mit den Vorteilen. Bezeichnend ist dabei eine Freudsche Fehlleistung: Er deutet auf die fett geschriebenen Worte „Strenge Bankaufsicht“, sagt aber „Strenges Bankgeheimnis“. Dann gehen wir Mittag essen, der Bankier ist mit der Wirtin und der Kellnerin per Du, es gibt frisch gesammelte Pfifferlinge und Braten von einer selbst geschossenen Gams. „Alles eher deftig, aber gut“, sagt er und hat Recht. Er zeigt auf das Gipfelkreuz, deutet auf die Zwergschule, wo ein Lehrer alle vier Klassen gleichzeitig unterrichtet. Insgesamt 24 Kinder. Wenn es die Bank nicht gebe, wäre die Schule zu, und die Kinder müssten mit dem Bus nach Füssen, Kempten oder Reutte fahren. Aber zum Glück hat jemand mit einem grundschulpflichtigen Kind bei der Bank neu angefangen.
Das Steuerlochdorf im Rückspiegel: Die Rinder sind entspannt, und die Steuergesetzgebung… tja, die ist, wie sie ist
Die Post ist eigentlich österreichisch, aber man bekommt die Sieben-Schilling-Marke für eine Mark. Die österreichischen und deutschen Krankenkassen haben Absprachen, die Jungholzer können in beiden Ländern zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen. Es ist Oktober, doch die Sonne scheint am späten Nachmittag noch richtig heiß. Urlaubsatmosphäre, alles ist hier anders. Schweissgut erzählt noch, was deutsche Kunden neben der Diskretion ebenfalls sehr schätzen: „Es gibt auch Familiengründe, viele Kunden wollen nicht, dass die Frau oder die Kinder von dem angelegten Geld wissen.“ Wir essen übrigens im Freien. Schweissgut zeigt auf die große Baustelle hinter der Bank. „Wir verdoppeln uns gerade, wir wachsen und brauchen Platz.“ Nachfragebedingt. Er sagt noch, dass man sich bei der Bank durchaus der Raiffeisenidee verpflichtet fühle. Es gebe keine Mindestsummen für Konten. Einheimische seien willkommen. „Aber den deutschen Kapitalmarkt betrachten wir als Heimatmarkt.“ Auf dem Rückweg, kurz hinter dem Ortsschild, halte ich wieder an, schaue den wiederkäuenden Stieren und Kühen auf der grünen Weide zu. Alles sehr entspannt. Ich beschließe, es Wolfgang Schweissgut nicht übel zu nehmen, dass die Steuergesetzgebung Österreichs und Deutschlands so ist, wie sie ist.