Elefantenritt

Reportage
zuerst erschienen am 11. März 2001 in Tagesspiegel, S. W3
Fassung des Autors

Es ist Jahre her. Ziemlich lang war sie, die Geschichte über die deutsche Jugend in dieser großen deutschen Zeitschrift. Und ziemlich dröge. Lag vielleicht am Thema. Um den Text etwas aufzulockern, war er immer wieder von kurzen Zitaten und kleinen Porträtfotos unterbrochen: Junge Menschen durften sagen, was auf ihrer Wunschliste für die Zukunft ganz oben steht, was sie unbedingt noch erleben wollen. Einer, etwas über 20, schrieb: „Sex mit Madonna.“ Ganz am Rande jetzt: ich hab mir seinen Namen gemerkt und weiß bei welcher Zeitschrift er heute Redakteur ist. Als ich seine Zukunftsplanung las, saß ich in Stuttgart auf meiner gerade neu gekauften Wohnzimmercouch und dachte: Oh.

In den nächsten Tagen spukte nur diese eine Frage in meinem Kopf herum: Was willst Du denn noch unbedingt erleben? Bleib realistisch, befahl ich mir und kam zu folgender Antwort: auf einem Elefanten durch den Dschungel reiten. Lag das an den Tarzanfilmen in der Kindheit, Sonntag nachmittags? Kann mich noch erinnern, in meiner Vorpubertät, als Kumpels kamen und sagten, lass uns Billard spielen, und ich antwortete: Gleich kommt Tarzan, der Film mit dem Elefantenfriedhof. Ich hatte den schon Mal gesehen. Wir bekamen Krach, die anderen spielten Billard und ich schaute Fernsehen. Anderseits scheint mir unwahrscheinlich, dass mich das Fernsehgucken sehr geprägt hat, wir sahen nämlich Sonntag mittags auch Robin Hood, Zorro, die Drei Musketiere. Für Fechten habe ich mich jedoch nie interessiert.

Es hat Jahre gedauert, aber jetzt ist es soweit: Nepal, am Rande des Chitwan National Parks, das Taxi hält, der Fahrer sagt: Dort, da, Elefanten. Ein Mann kommt und sagt: Mein Name ist Umesh.

Man sieht den Himalaya, Schnee auf den Gipfeln, und man sieht Elefanten, 14, 15, da noch einer, 16. Alle haben große Ohren, schauen traurig drein oder weise. Gehört das vielleicht zusammen oder sagt das was über die Psyche des Betrachters, ob er die dicken Tiere als weise oder als traurig wahrnimmt. Nur wenige haben richtige Stosszähne, die meisten kurze, angesägte. Elfenbeinhandel ist ja eigentlich verboten, aber oft werden den Tieren die Stosszähne aus Sicherheitsgründen abgesägt, unter dem Vorwand der Sicherheit. Das ist dann aber nur verdeckte Elfenbeinbeschaffung. Hier aber nicht, hier ist Nationalpark. Die Erinnerung kommt zurück: Tarzanfilme, da hatten die alle lange Stosszähne, unangesägt. Warum gab es eigentlich nie Fechtfilme mit Elefanten. Wär’ doch eine gute Sandoka-Szene gewesen, Fechter auf Elefanten.

Umesh erklärt: Die Tiere kommen aus Indien, werden wochenlang hierher geführt, ein Mahut pro Elefant ist dabei, ein Elefantenführer. Der bleibt dann monatelang hier, lernt Nepalesen an. Für die großen Elefanten vier, für die kleinen drei. Die Beziehung Elefantenführer – Elefant ist wichtig. Die Dicken lassen sich nur von Leuten, die sie gut kennen, leiten. Es ist ein Vertrauensverhältnis, sagt Umesh. Wie eine Ehe. Ja klar, wie Tarzan, Jane, Cheetah und der Elefant. Umesh ist Wildhüter. Er kennt die Namen aller Elefanten. Er erklärt, dass man zu nepalesischen Elefantenführern nie Mahut sagen darf. In Indien ist das eine ehrenvolle Berufsbezeichnung, hier aber sind Mahuts die, die auf der Leiter ganz unten stehen. Ich soll zu den Mahuts einfach Phanit sagen.

Sie heißt Chanchan Kali, wiegt nicht ganz drei Tonnen. Ihre Haut ist hart und rauh, am Bauch unten richtig sehr faltig. Richtige Krater. Die Kameraperspektive von unten gab es in Tarzanfilmen wohl nie, Hollywood wusste, was gut rüberkommt und was nicht. Oder aber die haben die Elefanten geschminkt damals. Wen kann man da fragen? Johnny Weissmüller ist tot.

Chanchan, Kali ist ein Anhängsel, das alle weiblichen Elefanten hier tragen, sieht staubig aus. Sie scheint nicht wahrzunehmen, wenn man ihr auf die Haut klopft. Ihr Blick wirkt doof. Elefanten gelten ja als intelligente Tiere, aber Chanchan schaut ziemlich blöd drein. Desinteressiert. Die Augen sind tief im Kopf, man sieht sie nicht mal richtig. Der Führer, lässt sie hinknien und Umesh weist ein: am besten auf das Hinterbein steigen, am Schwanz hochziehen oder an den Schnüren. Chanchan hat nämlich eine Decke auf dem Rücken liegen, die ist mit dicken Stricken um ihren Bauch gebunden und um den Ansatz ihren Schwanzes. Keine Scheu beim Hochkletter, sagt Umesh. Im Fernsehen sieht das so kinderleicht aus, aber in Wirklichkeit, puhhh.

Schliesslich sitze ich, breitbeinig, der Elefantenführer gibt gleich ein bisschen an und steht auf dem Elefantenrücken, während sich Chanchan erhebt. Sie wackelt. Ich auch. Erst geht sie vorne hoch, ich rutsche nach hinten, halte mich an einem Seil fest. Dann geht sie hinten hoch, ich rutsche nach vorne. Seltsam, ich dachte, so stehen Kamele auf. Elefanten werden nie so gezeigt. Fühle mich hilflos, ausgeliefert. Nicht im Entferntesten wie der Beherrscher des Urwaldes. Auf dem Weg zum Zeltlager sind drei Flüsse zu überqueren. Der erste ist breit, der zweite tief, meine Füße hängen knapp über der Wasseroberfläche. Das Ufer auf der anderen Seite ist sehr steil, teilweise läuft der Elefant fast senkrecht nach oben. Später sagt Umesh, dass Elefanten nie hinfallen, ich solle mir keine Gedanken mehr machen. Witzig ist der Gang, Elefanten stellen den Hinterfuß immer genau auf die Stelle, auf der ihr Vorderfuss eben war. Eine schwankende Fortbewegung. Die aber besonders sicher ist.

Der Führer lenkt Chanchan mit Kommandos, er treibt sie an, indem er mit seinen nackten Füssen hinter ihre Ohren tritt, ziemlich fest, „sozusagen direkt in ihr zentrales Nervensystem“, wie Umesh erklärt. Der Elefantenführer schlägt Chanchan auf den Kopf, mit einem Holzstock, der ein halber Besenstil ist, an einem Ende auch noch angespitzt, und mit einer Eisenstange. Als ich zu Umesh später sage, er solle mir nichts von dem eheähnlichen Verhältnis Elefant Phanit erzählen, tut er so, als verstehe er nicht, worauf ich hinaus will. Soll Chanchan nach links, haut er mit dem Holzstock auf ihr rechtes Ohr, soll sie nach rechts, auf ihr linkes. Er schlägt ziemlich fest. Ein paar Mal auch direkt auf den Kopf. Man hört die Schädelknochen. Ein widerliches Geräusch. Wenn man mit einem festen Stück Holz auf einen morschen Stamm drischt, mit aller Kraft, dann hörst sich das ähnlich an. So was gab es in keinem Tarzanfilm, in keinem. Ich hab sie alle gesehen.

Na ja, sagt Umesh, den Elefanten tue das nicht wirklich weh, sie hätten einen dicke Schädeldecke, der Führer müsse so fest zuschlagen, damit das Tier es überhaupt registriere. Aber, mal ehrlich, was hätte er sonst sagen sollen. Chanchan ist ein toller Elefant, sie überholt auf dem Weg ins Camp vier andere, ist mit Abstand das schnellste Tier. Nur an Samser Bahador, dem größten, kommt keiner vorbei. Prinzipiell. Den zu überholen wäre eine Revolution. Ab und zu schnappt Chanchan im Vorbeigehen mit dem Rüssel einen Ast mit grünen Blättern. Als sie einmal anhält , um sich einen Ast ins Maul zu stopfen, bekommt sie einen Schlag auf den Kopf. Sie ignoriert den, frisst weiter, geht dann beim zweiten Schlag weiter, den mit dem Metallstab. Wir nehmen einen Anhalter mit, einen der Köche des Camps, der gerade aus dem Heimaturlaub zurückkommt. Er muss hinter mir sitzen. Jeder Fluss bedeutet Rast, die Rüssel sind sofort im Wasser, werden in das Maul gesteckt, dann ist ein Spritzgeräusch zu hören. Wie viel verschwindet da mit einem Schluck? Eine Rüsselfüllung sind 15 Liter.

Chanchan geht weiter. Einmal sehen wir ein Rhinozeros mit einem Jungen. Der Führer deutet hin. „Mama, Baby“, sagt er und lacht. Mama hat Angst, sie rennt mal hierhin, mal dorthin, völlig planlos, plötzlich weg über die freie Fläche. Wenn aus dem Himalaya nach der Schneeschmelze das Wasser kommt, ist das Flussbett breit, jetzt aber nicht, weshalb zwischen dem Wasser und dem Dschungel, der eher Wald als Dschungel ist, ein etwa hundert Meter breiter leererer Uferstreifen. Panik erfasst die Rhinozeros-Mutter, weil überall her aus dem Wald, in den sie flüchten wollte, Elefanten auftauchen. Elefanten mit Leuten drauf. Das Baby rennt hinter der Mutter her, weg vom Wald, dann drehen sie am Fluss um und rennen wieder zurück. Die Elefanten reagieren überhaupt nicht, laufen alle über die freie Fläche Richtung Fluss. Die Rhinos sehen eine Lücke und preschen vor, rein in den Wald.

Der nächste Fluss, wieder ein Rüssel voll Wasser, einige Elefanten machen Krach, hören sich endlich mal an wie in einem Tarzanfilm. Chanchan bleibt ruhig. Es seien sowieso eher die Männchen, die Krach machen, so Umesh am Abend am Lagerfeuer. Auf der anderen Seite des dritten Flusses stehen Jeeps. Die Führer lassen die Elefanten hinknien. Absteigen. Das heisst Abspringen. Rein in den Jeep, die Tiere haben ein anderes Lager.

Abends, es wird um sechs Uhr stockdunkel, jeder bekommt eine deshalb gleich eine Petroleumlampe in die Hand gedrückt, erzählt Umesh dies und das über Elefanten. Die männlichen können bis zu vier Tonnen schwer werden, die weiblichen bis zu drei. Wer sie zehn, zwölf Jahre kennt, sie jeden Tag sieht, darf sie vielleicht alleine reiten. Wenn sie einen mögen. Nur dann. Alles andere ist gefährlich. Sie sind sehr eigen, Individualisten in Herden. Das mit dem Stockschlagen sei die einzige Möglichkeit, sagt Umesh, eine Art von Kommunikation. Sie würden das nicht übel nehmen. Fällt beispielsweise ein Stock runter, nehmen sie ihn mit dem Rüssel auf und geben ihn hoch, einfach so, ohne Kommando. Ich sehe das in den nächsten Tagen öfters.

Wenn sie wütend sind, steht ihr Schwanz hoch und ihre Ohren ab. Dann Vorsicht! Samser Bahador, der große, wahrscheinlich der größte auf dem ganzen indischen Subkontinent, munkelt Umesh. Samser hat vor zwei Jahren seinen Führer umgebracht, obwohl sie sich schon lange kannten. Mit dem Rüssel heruntergeholt, dann zertrampelt, es ging sehr schnell, einige sahen zu. Hatte der ihn mit dem Stock geschlagen? Ja, schon, aber das Problem sei ein anderes gewesen. Samser Bahador war in der Mauser, eine gefährliche Zeit, in der man männliche Elefanten besser in Ruhe lässt. Der Führer hat nichts gemerkt, sich verhalten wie immer, also geschlagen wie immer. Ein großer Fehler, teuer bezahlt. Samser sei schon in Ordnung, da war er halt gerade brünftig. Aber mal ehrlich, widerlegt das nicht die Prügel-macht-nichts-Geschichten? Umesh sagt nein, aber als Angestellter des Chitwan-Nationalparks, der mit Elefanten Geld verdient, muss er das ja sagen.

Alle Elefanten hier kommen aus Indien, kosten bis zu 20000 Dolar, wenn sie ausgewachsen sind. Die alten sind zwar teurer als junge, im Endeffekt aber doch billiger, weil sie nicht mehr ausgebildet werden müssen. Jeder frisst etwa 300 bis 350 Kilo grünes Futter am Tag, besonders scharf seien sie auf Elefanten-Sandwiches. Das sind fußballgroße Stücke, mit Blättern und Gras umwickelter Reis, Salz, Körner und Melasse, also was zuckersüßes. Für sie ist das wie Pralinen, sagt Umesh. Es gibt mehrere Frauen, die vom Camp angestellt sind, um nichts anderes zu machen als Elefanten-Sandwiches zu basteln.

Am nächsten Morgen gehe es um fünf Uhr los zum Elefantenlager, jetzt sei Schlafenszeit. Er geht ins Bett, ich an die Bar. Da sitzt auch Celia Temple, eine Hausärztin aus Edinburgh. Der Schottin gehört ein Elefant, Sundra Kali, „übersetzt heißt das schöne Blume“. Hat vor sechs Jahren 5000 britische Pfund gekostet, also damals etwa 15000 Mark. Die 39jährige hat Sundra Kali gekauft, weil ein Bekannter von ihr, Jim Edwards, Besitzer der Tiger Tops Jungle Lodge, wo wir gerade sind, sie darum gebeten hat. Die Lodge liegt im Nationalpark, ihre Attraktion sind die Touren durch den Dschungel auf Elefantenrücken, mit einem kleinen bisschen Abenteuerfeeling. Celia reitet öfter mit einem Führer auf ihrem Elefanten, aber „einen Bezug zu dem Tier hab ich nicht, für Sundra bin ich fremd“. Ob ich ihn abkaufen wolle.

Am nächsten Morgen, der Wecker klingelt um halb fünf, nur: Ich liege schon fast eine Stunde wach im Zelt. Denn Nachts brüllen die Rhinozerosse, man hört auch Wildschweine und Vögel, den Dschungelsoundtrack. Und: es tropft auf das Zelt, stetig. Wobei es nicht regnet, wie ich später sehe. Es ist Tau, der von den Blättern fällt. Es gibt nur eine kalte Dusche, auf dem Weg dahin verlaufe ich mich, trotz der Petroleumlampe. Plötzlich ein Schild: Nicht weitergehen! Am Ufer gibt es Krokodile. Das Tarzangefühl stellt sich trotzdem nicht ein. Die Dusche ist richtig kalt, das Frühstück riesig.

Das Lager ist am Fluss, einige Elefanten liegen noch, alle sind angekettet. Die Phantis essen gerade Spiegeleier und Brot und Pfannkuchen, gekleidet sind sie in Parkas, Mützen auf dem Kopf, wegen der Morgenkälte. Sie haben in Schlafsäcken und Zelten übernachtet. Die Helfer geben den Elefanten Zuckerrohrstangen, die sie laut knacken lassen. Dann Grasbüschel. Ein kleiner Elefant, Baby, sagt der Helfer, versucht, von einem Berg einen Elefantensandwich zu stehlen und bekommt einen Schlag auf den Kopf. Und für eine Laien ist es offensichtlich, dass Baby das gar nicht mag, dass es nicht seine normale Art von Kommunikation ist. Umesh nennt das Pädagogik, die Sandwiches gebe es nur als Belohnung, aber jeder Elefant bekomme am Tag mindestens 100, auch wenn er sich schlecht benimmt, doch ein Sandwich müsse einfach als Belohnung präsentiert werden. Kurze Zeit bin ich allein in der Nähe des kleinen angeketteten Elefanten. Von den anderen halte ich mich fern, weil ich nicht will, dass sie mit mir so kommunizieren, wie sie es hier lernen. Ich nehme schnell einen Sandwich vom Berg und gebe ihn Baby. Schwupp ist er weg, ganz schnell, keiner hat es gemerkt, und ich komme mir gut vor, bin stolz.

Jetzt ist das Phanit-Frühstück vorbei, es geht ins Wasser. Das gefällt den Riesen, einige trompeten richtig laut, sie spritzen herum, wirken verspielt, endlich mal wie Fernsehen. Die Phanits sitzen oder stehen auf ihnen, lassen sie ins Wasser tauchen, aber immer so, dass noch ein dunkler Fleck auf dem Elefanten ist, der, auf dem die Männer stehen. Sie reiben mit Lappen die Elefanten sauber, vor allem hinter den Ohren und schrubben sie mit Bürsten. Es gibt einen Kräuterdoktor, der sich die Elefanten oft anschaut. Einmal im Monat wird ein Tierarzt aus Kathmandu mit einer kleinen Propellermaschine eingeflogen für den Elefanten-Gesundheits-Check. Die Tiere müssen zwei Stunden am Tag arbeiten, manchmal mehr. Ihr einziger Job: Touristen durch den Dschungel tragen. Früher haben sie noch Holz transportiert, aber im Nationalpark darf schon lange kein Baum mehr gefällt werden.

Eine Elefantenkuh soll schwanger sein, hat der Arzt beim Besuch vor drei Tagen gesagt. Man sieht aber noch nichts, Elefanten sind 22 Monate trächtig. Das wäre die erste Geburt hier in der Tiger Tops Jungle Lodge. Es gebe einen einzigen wilden Elefanten hier im Nationalpark, der in eine der Kühe hier verliebt sei, vielleicht auch in mehrere und sich in der Gegend rumtreibe. Allerdings stoße er nicht zur Truppe. „Vermutlich ist es ein Tier, das aus einem anderen Nationalpark abgehauen ist und nicht mehr zu einer Herde will“. Das Wort asozial fällt.

Es geht los, auf Sitakali, die etwas kleiner ist als Chanchan Kali. Durch die Flüsse, plötzlich sagt der Phanit was, Sitakali hält an. Der Phanit deutet auf den Boden, das seien Tigerspuren. Wow, Tigerspuren. Ist das ein Problem? Nein, Elefanten haben keine Feinde, werden nicht angegriffen. Wer auf einem sitzt auch nicht. Das Problem beim Reiten ist, man sitzt breitbeinig, nach einer halben Stunde tut der Hintern weh. Ich bin mir ganz sicher, dass ich nicht so elegant wie Tarzan rüberkomme. Was frustriert. Nach einer Stunde will ich unbedingt runter. Dann ist es schon zu spät. Den ganzen restlichen Tag hat man Muskelkater, Verspannungen. Ich fühle mich genau so, als hätte ich es mit dem Joggen übertrieben, diese besondere Art der Erschöpfung. Ganz klar, es macht mehr Spass, ihnen beim Baden zuzusehen, als auf ihnen zu sitzen.

Wir sind am Rande von Maghauli, dem Ort direkt am Nationalpark, es ist später Nachmittag, jetzt kommt die Frage: Zurückfahren, im Jeep oder reiten? Ich sitze auf einem Baby, Luckymaala, der den ganzen Weg trötet, wie der Kleine in Dschungelbuch. Im Zeichentrickfilm, im Buch tauchen die Elefanten nämlich gar nicht auf. Zwischendurch nehmen wir mal wieder einen Anhalter mein, einen Mann, der im Camp arbeitet und auf dem Weg zur Spätschicht ist. Drei Mann auf einem Babyelefanten? Ist okay, sagt Umesh.

Am späten Vormittag klettere ich auf Naragaj. Wieder durch die Flüsse, wir sehen kein Rhino, keine Tiger, dafür dauernd Rehe, einmal eine Wildschweinhorde und irgendwann, nach einigen kurzen Anflügen von Professor-Grizmek-Nostalgie, komme ich mir ein bisschen doof vor beim Elefantenreiten, Ich nehme mir vor, zu Hause mal wieder einen Tarzanfilm anzuschauen, mal sehen, ob das in meinem Alter noch wirkt. Wenn ich, wie am Morgen mehrmals geübt, Emar ghum rufe, passiert gar nichts, nur der Phanit schaut mich an wie einen Idioten. Ruft er selbst es, geht der Elefant sofort nach links, aber ich vermute, nur, weil er gleichzeitig mit dem Stock einen Schlag auf sein rechtes Ohr bekommt. Hätten die das damals in den Filmen gezeigt, ich wäre jetzt nicht hier, das hätte alles kaputt gemacht.

Später werden die Elefanten bemalt. Sie bekommen Häuser, Bierkrüge, Flugzeuge, Blumen und für mich unverständliche Symbole mit weißer Kreide auf die dicke Haut aufgetragen. Ich male ein „Killroy was here“, den Glatzkopf, der über eine Mauer guckt auf Sitakali, was schwer ist, man muss richtig draufdrücken, die Kreise bricht mehrmals ab. Kurz darauf sehe ich, wie einer der Phanits es sofort wieder wegwischt, als ich ein paar Meter weg bin. Was aber, weil die Haut so rauh ist, nicht so leicht geht. Es staubt.

Abends an der Bar erklärt mir Umesh noch mal: Das Verhältnis Elefant und Führer habe was von einer Ehe. Da könne man nicht so einfach was auf einen Elefanten malen. Jim Edwards, ein Engländer, der vor 40 Jahren nach Nepal kam, und der das alles hier veranstaltet, erzählt, dass die Geschäfte gut laufen, dass vier weitere Elefanten aus Nord-Indien, gerade gekauft auf den dortigen Märkten, unterwegs seien, sie würden am Tag 50 Kilometer marschieren, seien insgesamt acht Tage auf Reisen. Die Ärztin aus Edinburgh verrät noch ein Geheimnis: Weil hier schon Mick Jagger, Robert Redford, Ringo Starr und George Kissinger abgestiegen seien, reize es sie, einmal im Jahr herzukommen. Ja, Redford habe sie schon mal live hier gesehen. „Er ist ziemlich klein, vor allem, wenn er neben einem Elefanten steht.“ Nein, Jonny Weismüller hat sie hier noch nicht gesehen. Sie grinst nicht, weiß nicht, dass der tot ist, es stellt sich raus, sie weiß nicht, wer das war.

Drei Tage im Dschungel mit Elefanten. Der Hintern tut weh. Man kämpft gegen das Gefühl, dass die Tiere einen gar nicht wirklich wahrnehmen, sie scheinen einen zu ignorieren. Ist das die Erfüllung eines Traums? Hatte ich mir besser vorgestellt. Obwohl, als ich zum Schluss noch mal im Elefantenlager bin, sehe ich den kleinen Elefanten, dem ich zwei Tage zuvor heimlich den Elefantensandwich gegeben habe. Ich schaue ihn an, und plötzlich hebt er den Rüssel, stupst mich an und sieht dabei richtig pfiffig aus. Wow! Ein Hollywood-Gefühl. Ein guter Schluss, ein Happy End, ergreifend.

Zurück in Kathmandu kaufe ich mir auf der Strasse die neue CD von Madonna. Sehr billig dort. Als ich zuhause ankomme, ist eine Mail da von einer britischen Freundin, die in Thailand Öffentlichkeitsarbeit für eine Hotelkette macht. Sie sagt, in Lampang im Goldenen Dreieck könne man im Anantara Resort and Spa einen dreitägigen Kurs machen, am Ende gebe es nach einer Prüfung einen Elefantenführerschein. Man dürfe den Elefanten alleine reiten. Das Ganze finde in Zusammenarbeit mit dem Thailand National Elephant Institute und dem Elephant Conservation Center statt. Das sei doch was für mich. Ich hab ihr zurückgemailt, dass ich kein Interesse an einem Elefantenführerschein habe. Sei jetzt erwachsen, hätte viel lieber Sex mit Madonna. Sie hat mir zurückgemailt, sie werde mal schauen, was sie machen könnte. Was ziemlich lustig war, denn sie hat mir vor Jahren mal an einer Hotelbar Kim Wilde vorgestellt, eine Popsängerin der 80er Jahre, jetzt dick und in Rente. Sie erzählte uns, sie sei begeisterte Hobbygärtnerin.