Wie im Himmel so auf Erden: Oberpfaffenhofen

Reportage
zuerst erschienen im März 2000 in brand eins
Früher, als Raumfahrt noch richtig sexy war, hatte Oberpfaffenhausen ein S-Bahn-Station. Für Dornier, den großen Flugzeugbauer, und für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Heute nicht mehr. Denn Dornier ging es lange nicht gut und das DLR musste auch sparen. Aber das ist vorbei! Eigentlich müsste wieder eine S-Bahn her. Aus dem Dorf kommen endlich wieder Erfolge

„Houston, we have a problem“, sagte Tom Hanks im Kinofilm als James A. Lowell jr., Kommandant der berühmten Apollo-13 -Mission. Eine gnadenlose Untertreibung: Lange sah es so aus, als würden die Jungs nicht auf die Erde zurückkommen. Für Thomas Weyer vom DLR war die unterkühlte Szene noch viel zu emotional: „Unsere Astronauten sind trainiert auf alle Möglichkeiten, da kommen keine Emotionen mehr hoch. Auch wenn bei uns im Kontrollzentrum die Leute aufstehen und jubeln und klatschen, dann machen die das nur, weil die TV-Teams das so haben wollen.“

Der Bürgermeister, der seine Bauern zählt Oberpfaffenhofen gehört zu Weßling, wurde 1976 eingemeindet, liegt an der S-Bahnlinie 5 München-Herrsching. Weßling hat 4800 Einwohner, davon 1700 in Oberpfaffenhofen, eine Realschule, kein Gymnasium, zu klein dafür. Hühner gackern, Schweine quieken, Kühe muhen. Beim Bäcker fragt die Verkäuferin: „Wo kommt’s ihr denn her?“, ein paar hundert Meter weiter werden die nächsten Raketenstarts und Satellitenmissionen vorbereitet. Auf dem Weg vom Rathaus zum Autobahnanschluss kommt man am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt vorbei, an einem Misthaufen mit Hahn, am Werk von Fairchild Dornier und an den Tennisplätzen der Sportgemeinschaft des Raumfahrtzentrums. Vor dem Rathaus hängt ein großes Plakat, das sagt: bald wieder große Mastkälberschau in der Kälberhalle. An den Laternenpfosten kleben Zettel, auf denen steht: „Dipl. Physiker am DLR und Freundin, Buchhalterin, suchen nette Wohnung (3 Zimmer), 80-100 qm, Kaltmiete 1500 DM“. Das ist naiv, für den Preis gibt es hier nichts.

„Bauland ist knapp“, sagt der Bürgermeister, und der ist, wie sich das auf dem Land gehört, bereits in der dritten Amtsperiode. 1000 Mark kostet ein Quadratmeter Boden. Entsprechend lang sind die Pendler-Staus auf der Autobahn, entsprechend voll ist die S-Bahn. „Wir sind da ganz antizyklisch. Morgens fahren doch alle aus dem Großraum nach München zur Arbeit oder zu uns, also aus München nach Oberpfaffenhofen“, sagt Hans Thomas Mörtel, der Bürgermeister.

„Dorf kann man nicht sagen, dazu sind wir zu nahe an München dran,“ erzählt er und schlägt „Gemeinde mit dörflichem Charakter“ vor. Als Bürgermeister hält er die Grabreden, macht die Trauungen, kümmert sich am Telefon beschwörend und drohend darum, dass Gerd, „der alte Dickkopf“, das auf seinem Grund gesägte, Holz auch auf seinem Grund lagert und nicht direkt an der Straße. Und er regelt das mit der Straßenlaterne im Alzheimergaßl, die seit vergangener Nacht nicht mehr funktioniert. Der Wissenschaftler, der herausfand, dass Vergessen eine Krankheit sein kann, hat hier mal eine Zeitlang gelebt.

Bürgermeister Mörtel weiß nicht auf Anhieb, wie viele Bauern Oberpfaffenhofen und Weßling haben, aber er kennt alle beim Namen, also zählt er in seinem hellen Amtszimmer los, „der Toni, der…“, er kommt auf elf, aber später fällt ihm immer mal wieder ein „Nebenerwerbslandwirt“ ein. Hier ist Ackerland, da das Raumfahrtzentrum und dort Fairchild Dornier. Denen gehört der Flugplatz mit 220 000 Flugbewegungen im Jahr, und das DLR benutzt den fleißig mit. Von hier starten Flugzeuge in die Antarktis, um dort etwas zu testen oder zu messen, Flugzeuge, die die Erdoberfläche fotografieren oder Wolken untersuchen.

Da ist noch ein neues Gewerbegebiet, ein großes, das sich ziemlich schnell mit kleinen Firmen, Spin-offs vom DLR und Neuansiedlern, die dessen Nähe suchen, füllt. Das Raumfahrtzentrum ist ein gemeinnütziger Verein, der darf keine Gewinne machen. Das übernehmen die neuen Firmen. Das DLR beteiligt sich und investiert die Gewinne in seine Vereinsarbeit, sprich Forschung.

„Und zahlt deshalb auch keine Gewerbesteuer“, brummt Bürgermeister Mörtel beim Blick vom zweitgrößten Kuhstall auf das DLR-Gelände. Das kam so: In Oberpfaffenhofen hatten die Nazis forschen lassen. Nach der Nazi-Zeit wollten die Alliierten in Deutschland keine hochkarätige Flugzeug- und Raketen-Forschung. Also ein Verbot. Trotzdem ging es weiter: mit einem gemeinnützigen Verein hatten die Alliierten nicht gerechnet, ihn also auch nicht verboten.

Das war früher. Heute ist Raumfahrt. Bürgermeister Mörtel geht immer zu den Starts und den anderen Veranstaltungen im DLR. Die Starts, erzählt er, sind übrigens in Guyana oder so. Er aber geht nur an den Rand des Dorfes, ins Kontrollzentrum. Der Bürgermeister hat gelernt: „Das sag ich jetzt nicht negativ, aber diese Wissenschaftler, die müssen in einer anderen Welt leben.“ Die Henne, die goldene Ideen legt Thorsten Rudolph, der „das Know-how des DLR vermarktet“, legt Wert darauf, dass wir hier auf Erden viel von der Raumfahrt haben. Richtig viel. Und stellt ein Computerprogramm vor, das für alle Schulen Deutschlands in zehn Sekunden die Stundenpläne raumoptimal aufstellen könnte, wenn die Schulen das Geld hätten. Lehreroptimal ginge auch. Das Software-Tool dirigiert bereits ein hochmodernes Automobil-Presswerk. Also, ein gelbes Cabrio mal kurz reinschieben in eine andere Produktionsreihe, ist kein Problem mit so einem Algorhythmus samt neuronalen Netzen und viel Fuzzy logic vom DLR.

Alles erprobt im All. Thorsten Rudolph: „Eine Mission von, sagen wir, zehn Tagen, ist voll gestopft mit Experimenten. Sie muss ja effektiv sein, die Experimente brauchen Leute, Energie, Werkzeug, das muss alles haargenau abgestimmt sein. Wenn etwas nicht klappt, muss der Plan ganz schnell neu gemacht werden. Beispiel: D-2-Mission. Geplant waren 99 Experimente, 40 Institute und Forschungseinrichtungen waren weltweit daran beteiligt, Zeitverschiebung, Signalempfang, freie Kapazitäten, Rechner, welches Experiment wann, wen und was braucht man. Das ergab einen straffen Zeitplan.“ Der bei jedem noch so kleinen technischen Problem in Sekunden neu berechnet werden musste. „Von Hand geht das nicht mehr.“ Thorsten Rudolph lagert kleine Firmen mit hier entstandenen lukrativen Geschäftsideen aus, und das sind viele. Er sitzt im zweiten Stock des Gebäudes 133 im DLR in Oberpfaffenhofen, im gleichen Haus mit der Arbeitsgruppe Mobile Raketenbasis. Er ist Transformator zwischen verkopften Wissenschaftlern und pragmatischen Geschäftsleuten, hat von beiden etwas und dazu die Fähigkeit, sich zu begeistern, dabei aber nicht abzuheben, sondern extrem praktisch zu bleiben.

Gerade ist er quirlig, ruft „Heywow“, und stellt damit klar, was Raumfahrt tun kann für die Welt und für Deutschland. Es geht um eine Idee, die in der Nachrichtentechnik entstand. Die Idee hatten sie, erzählten sie einem anderen, und der sagte “ Heywow“. So heißt jetzt die Marke. Die Firma entwickelt mobile Leittechnik und Dienste für Handys. Sie lokalisiert sozusagen das World Wide Web, damit das mit Kleingeräten leichter genutzt werden kann. Ein Beispiel aus der Zukunft: Man ist unterwegs, egal wo auf der Welt, und hat in sein Handy eingegeben, dass man eine schwarze Jeans Größe 54 sucht, die nur soundsoviel kosten darf. Kommt man an einem Geschäft vorbei, der sie hat, piepst das Handy, weil der Laden Signale ausstrahlt. In zwei Jahren wird die erste Testreihe an der S- und U-Bahn-Strecke München-Flughafen München-Messe aufgebaut, ein vom Land Bayern gefördertes Pilotprojekt.

Seit fünf Jahren ist die vierköpfige, sich selbst finanzierende DLR-Abteilung Technologiemarketing und -transfer von Thorsten Rudolph aktiv. 15 Produkte kamen auf den Markt, 100 Arbeitsplätze entstanden. Zurzeit sieht es so aus: „Wir machen zwei Unternehmensgründungen pro Jahr - wollen ab jetzt drei. Vier Produkteinführungen pro Jahr - wir wollen sechs, 30 neue Arbeitsplätze pro Jahr - wir wollen 50.“ Er sagt das so, dass man seinen Countdown aus „wollen“ als klares „ist und wird“ versteht. Beim DLR dürfen keine Prototypen gebaut werden, so die juristischen Vorgaben. Also entwickeln sie Transfermuster. „Wir bringen das Know-how aus der Luft- und Raumfahrt zu bayerischen Firmen, sagen, hier, das könnte zu euch passen oder dies hier könnte so oder so werden. Wir machen denen die Marktanalysen, wir organisieren die Wertschöpfungskette. Wir schließen Lizenz- und Kooperationsverträge, sind dann am wirtschaftlichen Erfolg der Firma beteiligt. Die Rückflüsse investieren wir neu.“ Die Neugründungen vermarkten beim Start vor allem DLR-Know-how, später flacht dieser Anteil ab, die Firmen entwickeln eigene Produkte.

Ideen aus dem Weltall und Rehkitze in Weizenfeldern Es hieß einmal, der Maschinenbau in Deutschland sei am Ende. Doch plötzlich hat er eine große Zukunft, dank Mechatronik, der Kombination von Mechanik und Elektronik, ein Begriff, der aus der Raumfahrt kommt. “ Mechanische Bauteile, die elektronisch geregelt werden, Sensorik, die Kräfte misst, im Metall“, sagt Rudolph. Oder Faserkeramik, entwickelt für Raumflüge, zähes Material ohne großen Abrieb. Entwickelt in Oberpfaffenhofen. Seit kurzem in Notbremsen von Aufzügen, weil das Material wirklich was aushält, einen Eintritt in die Erdatmosphäre genauso wie eine Vollbremsung nach 95 Stockwerken Liftsturz.

Ein weiterer Hit: Robotik. Roboter im All, eine tolle Idee, entlasten die Astronauten, machen sie teilweise sogar überflüssig. Das Problem bisher: Bis die Funkbefehle den künstlichen Arm mit seinen vier Fingern und den Kameras in allen Fingerkuppen erreichen, geht viel Zeit ins All. „Der Befehl kommt nach drei Sekunden oben an, dann legt der Bursche los, bis das Videosignal wieder unten ist, noch mal drei Sekunden, dann erst weiß der Operator, ob es geklappt hat. Also braucht er eine virtuelle Umgebung auf dem Bildschirm, um alle Aufgaben schnell durchspielen zu können.“ Er braucht vorausahnende Software.

Mit der Entwicklung hat es gedauert, aber inzwischen klappt es. So gut, dass die Augsburger Kuka Roboter GmbH das Raumfahrt-Know-how nutzen konnte, um Roboter in Shanghai oder Singapur von Augsburg aus zu testen, zu reparieren, zu warten, alles via Internet. Und: Die Kuka-Roboter wurden um 30 Prozent schneller, weil DLR-Wissen darin steckt. Auch BMW senkte die Taktzeit in den Betrieben um zehn Prozent, die Roboter arbeiten schneller, dank DLR.

Eine andere Entwicklung sorgt dafür, dass Mähdrescher gewarnt werden, wenn ein Rehkitz im Getreide liegt. Das klingt popelig? Nein, 500000 Tiere werden in Deutschland jährlich umgemäht, darunter 80000 Rehkitze. Das ist das ökologische Problem. Das ökonomische: Blut, Knochen, Fleisch, Fell im Getreide. Die Messtechnik muss sensibel genug sein, um zwischen einer Feldmaus, die es immer in ein Loch schafft, und einem Rehkitz, „in dessen Verhaltensrepertoire das Wegrennen noch nicht drin ist“, zu unterscheiden. “ Hochgeschwindigkeitskameras, Messtechniken, Sensorik, darin ist das DLR stark, Wissenschaft heißt, dass ich besser messe.“ Gerade testet Rudolph ein neues Geschäftsfeld. „Navigation, Kommunikation und Erdbeobachtung müsste man verknüpfen, die sind zurzeit stark getrennt.“ Bald entsteht der Mercatorpark, ein Anwenderzentrum. Erst mal nur im Netz, „virtuelles Community Building“, eine Arbeitsgemeinschaft des DLR mit Sun Microsystems, der TU München, einer Werbeagentur und einem Projektentwickler. „Wenn es läuft und wir haben viele Commitments aus der Industrie, dann wird es ein richtiges Anwenderzentrum.“ Noch ein Oberpfaffenhofen-Clou: Keine der Neufirmen hat irgendwelche Fördermittel in Anspruch genommen, nicht eine Mark. Was seltsam ist, weil Bayern jungen Unternehmen die Fördermittel geradezu aufzwingt, zumindest gehen so die Gerüchte. 4D Engineering wollte keins. 4D ist eine ans DLR angelehnte Firma. Es gibt sie seit knapp vier Jahren. Die GmbH hatte anfangs vier Mitarbeiter, jetzt 22, der Umsatz lag 1999 bei 3,3 Millionen Mark. 4D entwickelt vor allem Software zur Robotersteuerung, ob im All oder auf Erden. Dazu kommen Programme für Inspektionsanalysen bei der Chip-Herstellung.

Helfried Altkofer ist einer der drei Besitzer und wird nur einmal emotional am großen Konferenztisch. Als er erklärt, dass die Firma keine staatlichen Fördermittel wollte: „Papierkram, Hick-hack, Aufwand, das haben wir uns nicht angetan.“ Kunststück. „Die Firma hat von Anfang an Geld verdient, wir haben zu dritt 69 000 Mark investiert und hatten nie Verluste.“ Software von 4D lenkt das VLT in Chile, das Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte, das größte optische Teleskop der Welt. 4D-Software arbeitet mit beim Projekt Sofia, einem Joint Venture von Nasa und DLR: Eine Boeing steigt 13 Kilometer weit auf, sendet Infrarotstrahlen ins All und fängt die auch wieder ein, mit Informationen. 4D nutzt die Infrastruktur des DLR. „Zuallererst mal die Kantine, dann die Netzanbindung Internet. Und wir haben einen Wettbewerbsvorteil, weil wir hier auf dem Gelände sitzen. Das ist ein Imagegewinn.“ Dornier und der Besuch aus Übersee Nebenan Fairchild Dornier, auf dem Weg nach oben, krisengestählt. In den Achtzigern kauft Daimler Dornier, 1993 noch den holländischen Flugzeughersteller Fokker, Daimler-Chef Schrempp setzt auf Fokker, Dornier wird Stiefkind und verkauft. Dornier gehört seit 1996 dem amerikanischen Konzern Fairchild Aerospace, und der gehört seit Dezember einem amerikanischen Investment-Unternehmen und der Allianz-Tochter Allianz Capital Partners. Die Neuen brachten viel Geld mit, 400 Millionen Dollar und noch mal Kredite über 800 Millionen Dollar.

Das bedeutet: Dornier ist wieder etwas wert. Fairchild hatte Dornier von Daimler noch mit 600 Millionen Mark Morgengabe bekommen. Als Dankeschön, dass Fairchild den Klotz, der elf Jahre am Bein von Daimler hing, übernahm. Erleichtert ließ Daimler noch ein paar lukrative Geschäftsfelder zurück: Fairchild Dornier stellt Rumpf, Heck und Flügelklappen für die Airbusse der Dasa her, auf Dollarbasis, das bringt jetzt, wo der Euro so schwach ist, jede Menge Geld.

Lukrativ ist auch Folgendes: Hubschrauber werden hier völlig zerlegt, aufgefrischt und wieder zusammengebaut, das verlängert die Lebensdauer um 20 Jahre. Es läuft gut, so wenig Verluste wurden schon lange nicht mehr gemacht, und die neue Entwicklung, der düsengetriebene 70-Sitzer, der könnte ein Verkaufsknaller werden. Die Fairchild-Zentrale wird in den nächsten Monaten, von San Antonio, Texas, nach Oberpfaffenhofen, Bayern, verlegt. Weil hier die Musik spielt. Auch wenn Amerika der große Markt ist.

Wieso konnte bloß Daimler nichts anfangen mit Dornier? Wahrscheinlich, weil sie sich nie richtig her trauten, nach Oberpfaffenhofen. Das Dornier-Werk produzierte Propellerflugzeuge, in den Fünfzigern und Sechzigern vor allem die Do 27 für die Bundeswehr, dann war es lange, lange defizitär. Auch noch als die Dasa, also Daimler, am Ruder war. Jedes verkaufte Flugzeug war ein Verlust. Je mehr verkauft wurden, umso höher die Verluste. Richard Kleebaur, Marketing-Manager von Fairchild Dornier und auch bereits von Dornier Luftfahrt steht in einem voll gestellten Foyer, sagt: „Wir sind wieder eine richtig gute Firma.“ Er sagt es dort, weil sein kleines Büro noch enger ist und weil er es mit einem Kollegen teilt. Der von der Dasa eingesetzte Geschäftsführer schrieb damals, es musste gespart werden, seine Memos nur auf die Rückseite von Faxen. So sparte er viel Papier, denn er schrieb viele Memos. Denn bei der Dasa ging es vor allem um Schriftverkehr, Rechtfertigungen, Absicherungen, Akten, Memos. Selten um Flugzeuge.

Es war lustig mit den Dasa-Jungs

Witzig ist die „Twin-Otter“-Geschichte. Twin Otter war ein Kleinflugzeugtyp eines kanadischen Herstellers. 600 Twin Otter waren und sind über Kanada unterwegs. Alte Flugzeuge. Und immer wenn eines auf den Schrottplatz kam, setzte Dornier an und versuchte eines seiner Flugzeuge zu verkaufen, jahrelang. Nach gut zwei Jahren im Konzern schrieb der von der Dasa eingesetzte Marketing-Manager ein Fax aus dem Urlaub: Wäre das nicht die Idee, wir versuchen, die Twin Otter zu ersetzen, weil die ja so alt ist und aussortiert wird. Ist doch unsere Chance, oder? Die Dornier-Leute, die seit Jahren nichts anderes machten, kopierten das Fax und hefteten es an die Wand. Es war so lustig mit diesen Dasa-Jungs.

Die haben rumgeeiert, konnten nicht mit Airline-Leuten, waren dem Vertrieb ein Klotz am Bein. Wenn man in Amerika Flugzeuge verkaufen will, muss der Oberboss hinfliegen, das ist symbolhaft, das zeigt, dass man es ernst meint. Man muss dann halt auf den Golfplatz, verdammt noch mal. Die Dasas haben das nicht kapiert, waren sich vielleicht auch zu fein dafür. Der Marketing-Chef, der mit Twin Otter, war erfolgreicher Autoverkäufer gewesen. Nur Flugzeuge verkauft man einfach anders. Aber eines muss man ihnen lassen, sagt noch heute jeder bei Dornier, die haben brav die Löcher gestopft.

Fairchild übernahm. Ein Insider erzählt, noch heute fasziniert: Zuerst wurde der gesamte Vorstand in Rekordzeit rausgeholzt. Samt Assis und Sekretärinnen, einfach so, schwupp, und nicht ersetzt. Unheimlich viel Berichtswesen fiel flach. Bumm, weiter unten noch mal eine Managementebene ausgedünnt, einfach so. Das Gelände, 240 Hektar, gehört weiter Daimler-Chrysler, Dornier zahlt Miete. Als Fairchild kam, kam auch Carl Albert, der Chef, ein Parade-Ami, der beispielsweise die Reste einer Halle, die die Bombardierung im Krieg überstanden hatte, immer Hitler’s Corner nannte und nicht verstand, dass die deutschen Mitarbeiter da immer zusammenzuckten.

Er und seine Spitzenkräfte zogen zusätzlich in den schon voll belegten Vertriebspavillon, Haus 302, Erdgeschoss, der oberste Chef samt Assi in Eckraum 031, zwölf Quadratmeter. Und das große Chefgebäude stand leer, so lange bis die Dasa die Mieten senkte, es war ja schließlich kein anderer Mieter da. Ein Quadratmeter im Keller kostete nicht mehr 40 Mark, sondern sieben. Dann zogen die Amis doch ein. Während Daimler bei Dornier am Ruder war, bekamen die Flugzeugbauer immer Sprüche à la „Ach ihr Flieger, Geld verdient man mit Autos“ zu hören. Mit den Fairchild-Managern kam der Stolz zurück.

Keine Rechtfertigungs-Meetings, keine Absicherungspapiere, das gesprochene Wort galt. Und als klar war, Fairchild schlachtet Dornier nicht aus, Carl Albert meint es ernst, da kniete sich die Belegschaft, die jahrezehntelang meinte, für eine Looser-Firma zu arbeiten, noch mal richtig rein.

Der Vertrieb in Amerika - für Carl Alberts Mannen ein Heimspiel. Und: Fairchild verleaste von einem Tag auf den anderen keine Flieger mehr, was eigentlich branchenüblich ist und beispielsweise Saab in die Problemzone brachte. Wenn eine kleinere Fluglinie in Übersee dicht macht: kein großes Problem mehr für Dornier, die Flugzeuge sind ja bezahlt. Fairchild ging auch auf Risiko, Carl Albert entschied: Wir bauen jetzt Düsenjets mit 70 Sitzen.

Der Bürgermeister freut sich auf Gewerbesteuer

Jetzt gehört Fairchild Dornier nicht mehr Carl Albert. Dass nun neue Amerikaner mit mehr Geld und dem Partner Allianz kommen, stärkte das Vertrauen in die Firma, die in der Branche lange als sterbender Schwan gegolten hatte. Dass im April 1999 die Lufthansa 60 70-sitzige Turbo-props bestellte, Auftragswert 1,6 Milliarden Dollar, und gleich noch eine Option auf 60 weitere unterschrieb, war ein Zeichen. Die Neuen investierten immerhin noch mal 400 Millionen Dollar und sorgten dafür, dass Banken noch mal 800 Millionen als Kredit bereitstellten. Das hätte es früher nie gegeben.

„Die Banken haben jetzt ganz andere Attitüden uns gegenüber, verglichen mit den vergangenen Jahren. Jetzt sind wir eine richtig gute Firma“, sagt Richard Kleebaur. In zwei, drei Jahren soll erstmals wieder Gewinn übrig bleiben. Und Bürgermeister Mörtel freut sich: „Dornier ist ja kein Verein - wenn die Gewinn machen, gibt es Gewerbesteuer.“ Arbeitsplätze schon jetzt: Die Daimlers hatten in ihren elf Jahren Herrschaft über Dornier viele abgefunden und in den Vorruhestand geschickt. Fairchild hatte die übrig gebliebene Belegschaft von 3200 Mitarbeitern noch einmal auf 1600 halbiert, mitterweile aber wieder auf 2600 Mitarbeiter aufgestockt. Die neuen Besitzer suchen weitere.

Am Ende zählt, was unterm Strich ist: am besten nichts!

Das DLR hat andere Probleme: bloß nicht zu viel Geld einnehmen. Dabei gibt es dafür so schöne Möglichkeiten: als Dienstleister für andere Raumfahrtnationen, als Verwerter von Satellitendaten, die auf Tausenden von Magnetbändern gespeichert sind, als Lieferant von Wetterdaten, als Kulisse für Kinofilme.

Nicht mal viele Arbeitsplätze bietet das DLR. Die Kontrollräume, zwei groß, zwei etwas kleiner, sind voller Computerbildschirme. Irgendwo da draußen, weit draußen, kreist ein kleiner indischer Satellit fleißig um die Erde, sendet seine Daten hierher, zum Dienstleister DLR. Früher saßen in so einem Kontrollraum viele Leute, heute arbeiten dort Computer, menschliche Kontrolle ist nur noch ab und an und stichprobenartig nötig. Denn heute sorgt die Software dafür, dass die Hardware ohne Menschen drei oder vier Satelliten gleichzeitig kontrollieren kann.

Aber gut, findet der Bürgermeister, ist es trotzdem, dass die DLR in Oberpfaffenhofen sitztKontrollzentren werden überschätzt.

Das große in Oberpfaffenhofen entstand so: Ministerpräsident Franz-Josef Strauß, flugzeug- und raumfahrtbegeistert, war mal hier beim Start. Hat ihm gefallen. Kurz darauf genehmigte das Land Bayern den teuren Neubau. Zu einer Zeit, als solche Kontrollzentren schon gar nicht mehr zeitgemäß waren. Vor zehn Jahren wurde es in Betrieb genommen, als allermodernstes Kontrollzentrum der Welt. Aber nur für ein paar Tage, dann zog die NASA mit einem neuen, größeren nach. Die Amerikaner hatten es einfach nicht verkraftet, dass in Oberpfaffenhofen etwas Besseres steht. „Ihr habt in Europa eure Kathedralen und Schlösser, wir haben die Raumfahrt“, sagte einer, der kurz darauf zu Besuch kam.